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Dampfwalze im ORF

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Die Dampfwalzentaktik der sozialistischen Medienpolitiker hat nun auch - mit dem Beginn der zweiten Funktionsperiode - in der Hörer-Seher-Vertretung (HSV) des ORF Einzug gehalten. Im ORF- Kuratorium hatten Blecha und Genossen die stets wohlgeölte 16 :14- Abstimmungsmaschinerie ja bereits seit geraumer Zeit souverän gehandhabt. Jetzt ufert dieses „Spiel der Mächtigen” auch in die direkte Interessenvertretung der brav gebührenzahlenden Radio- und Fernsehkonsumenten aus - und entwertet diese Vertretung dementsprechend.

Schon die Vorzeichen bei der Neukonstituierung der HSV waren „vielversprechend” gewesen. Bekanntlich werden von den insgesamt 35 Hörer-Seher-Vertretern 20 vom Bundeskanzler bestellt, 15 werden von verschiedenen Körperschaften und Einrichtungen (darunter auch den Kirchen) entsendet. Jedenfalls zog nach einem aufklärungsbedürftigen Hickhack um versäumte Fristen als Vertreter der Wissenschaft anstelle des bisherigen Vorsitzenden der HSV des parteifreien Professor Korninger, der Linzer Professor Wohlgenannt (der aus seiner sozialistischen Überzeugung nie ein Hehl gemacht hatte) in das Hörer-Seher-Parlament einJln der neuen Hörer-Seher-Vertretung stehtesnunl8:17fürdieSPÖ. Und diese Minimehrheit wird bedenkenlos eingesetzt.

Das beste Beispiel dafür lieferten die ob des unbekümmerten Machteinsatzes der SP-Riege fast schon burlesken Vorgänge um die Wahl des neuen Vorsitzenden der HSV und seines Stellvertreters. Bekanntlich wurde der Präsident des Katholischen Zentrums für Massenkommunikation, Dr. Stäuber, als Vorsitzender oder als Stellvertreter der HSV vorgeschlagen. Doch in die SP-Strategie paßte der Kirchenvertreter und dessen auf Axisgleich zielende Funktion offensichtlich nicht. Mit ihrer Minimehrheit drückte sie zunächst Rechtsanwalt Schuppich, dessen Naheverhältnis zum Justiz- minister kein Geheimnis ist, mit 19 Stimmen als Vorsitzender durch (und erfüllte damit einen bereits vor drei Jahren, zu Beginn der ersten Amtsperiode des Gremiums, bestehenden Herzenswunsch, des Bundeskanzlers Kreisky). Auf den ersten Streich folgte sogleich der zweite! Der Medienneuling Professor Wohlgenannt wurde mit 18 Stimmen zum stellvertretenden Vorsitzenden gekürt.

Womit die SP-Medienstrategie endgültig ins Reich der Herzman- ovsky-Orlando’sehen Groteske entglitt, denn mit Dr. Stäuber hatte ja nicht irgendwer für den Vorsitz kandidiert, sondern ein Medien- fachmann, der seit der Konstitui- rung der neuen ORF-Gremien diesen angehört (und auch schon vor 1974 in den Rundfunkgremien gearbeitet hatte). Die Nichtwahl Dr. Stäubers kann nicht anders denn als bewußte Brüskierung der Katholiken verstanden werden. Denn wie war es denn vor drei Jahren gewesen? Damals hatte Dr. Schuppich für den Vorsitz der HSV kandidiert, war Professor Korninger unterlegen, aber wie selbstverständlich zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden.

Jetzt aber hat die SP-Abstim- mungswalze mit der größten Gemütsruhe alle Markierungen des guten politischen Geschmacks überrollt. Denn es ging ja nicht nur um den Präsidenten des Katholischen Zentrums für Massenkommunikation (also der xxm den Bischöfen beauftragten Stelle für die Medienarbeit der katholischen Kirche in Österreich), sondern auch um den einzigen Virilisten, der eine Gruppe vertritt, die einen im Gesetz verbrieften Anspruch auf „angemessene Berücksichtigung” in der Programmgestaltung des ORF hat.

Vielleicht sollte Dr. Stäuber dafür „bestraft” werden, daß er der Einsetzung Dr. Kellers als neuem ORF-Generalsekretär nicht allzu viel Geschmack abgewinnen konnte. Jedenfalls bleibt einmal mehr der Eindruck, daß hinter der schönen Maske des „Liebeswerbens” um die Katholiken immer wieder das Antlitz der brutalen Machtausübung sichtbar wird (und daß es dem „Lie- beswerben” gar nicht um die Katholiken, sondern eher darum geht, mit der abgegriffenen Vokabel fortschrittlich” katholische Mitläufer ins eigene Gehege zu ziehen).

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