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Die Sozialisten wollen noch eine Scheibe ORF

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Österreichs Rundfunk, seit Jahren in regelmäßigen Abständen immer wieder politisches Spielzeug Nummer eins der verschiedenen Parteisekretariate, steht wieder im Mittelpunkt des Interesses: Ein Jahr vor der Neubestellung des Generalintendanten, der Programmintendanten, der Direktoren und der Mehrzahl der neun Landesintendanten nähern sich politische Intrige, Taktik und Nervosität wieder dem Siedepunkt. Erster Anlaß in der gerade beginnenden neuen Saison: Gegen den zumindest offenkundigen Willen der „Bürgerlichen“, versuchen die Sozialisten durch die Entsendung des BSA-Man- nes Univ.-Prof. Dr. Rudolf Wohlgenannt in die Hörer- und Sehervertretung des ORF, auch in diesem Gremium die Oberhand zu gewinnen.

Was zuerst sehr harmlos aussah, entpuppte sich schließlich als ein sehr geschickt abgekartetes politisches Spiel: Mitte Juli fand sich in der „Wiener Zeitung“ ein Aufruf, worin auf die im September zu Ende gehende Funktionsperiode der Hörer- und Sehervertretung hingewiesen und für die Nennung der 20 aus den Bereichen Wissenschaft, Volksbildung, Kunst, Sport, Jugend, ältere Menschen, Familien, Touristik, Kraftfahrer und Konsumenten kommenden Persönlichkeiten der 20. August als Frist vorgeschrieben wurde. (Die Hörer- und Sehervertretung besteht noch aus weiteren 15 Personen, die aus den Reihen der Interessenvertretungen, Parteien und Kirchen autonom entsandt werden.) Die Nennung der einzelnen Kandidaten an das Bundeskanzleramt ist Voraussetzung für die definitive Entsendung, über die das Bundeskanzleramt entscheidet.

Als vor einigen Tagen in der Pressg die 20 aufGrund der Entscheidung des Bundeskanzleramtes entsandten Personen aufgezählt wurden, fiel lediglich auf, daß der bisherige Vorsitzende der Hörer- und Sehervertretung, Univ.- Prof. Dr. Siegfried Kominger nicht mehr auf der Liste stand.

Man konnte also annehmen, Kor- ninger habe sich nicht mehr zur Verfügung gestellt, zumal ein anderer, die Wissenschaft vertretender Hoch schulprofessor, nämlich der Linzer Wohlgenannt, auf der Liste stand. Stutzig machte allerdings, daß Wohlgenannt der einzige Fall war, in dem ein Mitglied dieses ORF-Gremiums durch einen „Andersgläubigen“ ersetzt wurde. Was der Sache nach natürlich nicht schlecht sein muß, in diesem seit der letzten ORF-Reform jedoch hochpolitischen Gremium - und im ORF gibt es zum Leidwesen der vielen ausgezeichnet arbeitenden Journalisten fast nur mehr hochpolitische Gremien - im Sinne der Regierungspartei verbesserte Mehrheitsverhältnisse bringt.

Vermutlich wird sich die Rektorenkonferenz nicht ganz dem Verdacht entziehen können, von Verantwortlichen geleitet zu werden, die entweder von Politik nicht viel verstehen oder im heurigen Sommer einen wichtigen Termin verschlafen haben. Denn davon, Kominger hätte nicht mehr „wollen“, kann wohl keine Rede sein. Vielmehr war es so, daß die Rektorenkonferenz von der Möglichkeit, dem Bundeskanzleramt ihren Kandidaten Kominger zu nennen, zumindest termingerecht keinen Gebrauch gemacht hat.

Wohl einen Gebrauch von dieser Möglichkeit machte die den Sozialisten nahestehende Ludwig-Boltz- mann-Gesellschaft, die Rudolf Wohlgenannt ins Bundeskanzleramt meldete. Ob diese Gesellschaft Wohlgenannt nominierte, nachdem sie von wohlmeinenden Genossen über das Versäumnis der Rektorenkonferenz informiert worden war, oder ob sie von vornherein ihre Meldung äbgab, wird sich nicht mehr klären lassen. Jedenfalls nominierte sie, ersparte dem den Bundeskanzler vertretenden Vizekanzler Androsch die Qual der Wahl und hatte damit den ersten Teil eines politischen Coups erfolgreich gelandet.

Dem Bundeskanzleramt soll aber nicht von vornherein politische Böswilligkeit unterstellt werden. Die Rektorenkonferenz hat zwar zweifelsohne die vom Bundeskanzleramt gesetzte Frist (20. August), die in keiner Weise auf gesetzlicher Grundlage (ORF-Ge- setz) beruht, sondern nach Belieben des Bundeskanzleramtes „erfunden“ wurde, versäumt, Univ.-Prof. Dr. Sei- telberger hat jedoch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender dieser Rektorenkonferenz rasch reagiert: In Alpbach aufgestöbert, formulierte er sofort ein Telegramm an das Bundeskanzleramt, das am 29. August in Wien eintraf und in dem es hieß, in der Rektorenkonferenz liege eine eindeutige Willensbildung vor, wonach Kornin- ger weiterhin zu entsenden sei.

Als Faktum ist an dieser Stelle zu berichten, daß Wohlgenannt erst einen Tag nach Eintreffen des Seitelber- ger-Telegramms vom Bundeskanzleramt nominiert worden ist; ein weiteres Faktum ist, daß das ORF-Gesetz für die Ernennung der Mitglieder der Hörer- und Sehervertretung keine andere Frist zuläßt, als die des Auslaufens der Funktionsperiode, was im konkreten Fall erst für den 9. September dieses Jahres zutrifft.

Fest steht.weiter, daß das Versehen der Rektorenkonferenz für die Sozialisten mehr als ein willkommener Anlaß war; diesbezüglich spricht Josef Eksl, der den ÖGB in der Hörer- und Sehervertretung vertritt, am 3. September unter dem Titel „Wer stört die Tätigkeit des ORF?“ im Parteiorgan „Arbeiter-Zeitung“ eine klare Spra-

che: „Herr Steinbauer versuchte immer wieder, das Plenum als Tribüne für seine politischen Zwecke umzufunktionieren. Dazu kam noch, daß zum Vorsitzenden der Hörer- und Sehervertretung der ehemalige Rektor der Wiener Universität, Prof. Kornin- ger, gewählt wurde, der Herrn Steinbauer die Möglichkeit bot, seine Tira- den ununterbrochen anzubringen.“

Die Zusammensetzung der Hörerund Sehervertretung, bei der die Fallfrist des Kanzleramtes zu einem Fallbeil für die Professoren werden könnte, ist für die personalpoliti sehen Bemühungen des Broda-Mannes Otto Oberhammer ein erstes Etappenziel zur Sicherung seiner Wiederwahl im nächsten Jahr. Zusätzlich trachtet Oberhammer in letzter Zeit auch, mit den Landesfürsten gut zu stehen, vermutlich ist ihm die einseitige Abhängigkeit von der Regierung zuwenig. Unter diesem Kapitel wäre auch das Flughafenabfertigungsgebäude, sprich: Studio Burgenland, einzustufen, das über 200 Millionen Schilling kosten wird. Ein Betrag mit dem sämtliche Landesstudios zwei Jahre lang Programm machen könnten.

Für Oberhammers Personalpolitik haben ORF-Kenner folgendes Wort geprägt: „Ich lasse einen schwachen Schwarzen etwas bleiben, damit ein starker Roter etwas werden kann.“ So wurde Broda-Sekretär Heinz Keller zum Generalsekretär des ORF, während Vorgänger Paul Twaroch zum Generalsekretär „im“ ORF abgehalftert wurde. So bekam auch der starke Mann unter den SPÖ-Betriebs raten, Heinz Doueha, eine eigene Abteilung, so übernahm SPÖ-Mann Hans Herzog die Bundesländerredaktion, so bekam unter Brüskierung hauseigener Leute der aus der Arbeiterkammer kommende junge Jurist Hubert Peter- schelka die Personalabteilung. Womit die eingeschworene Mannschaft rund um Oberhammer und dessen väterlichen Mentor Christian Broda steht. Zur Auflockerung der Szene soll in nächster Zeit der von der Parteizentrale geschiedene ÖVP-Mann Peter Diem die Meinungsforschung im ORF übernehmen.

Scheinpluralität mit scharzem Farb- tupfen?

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