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Kein ,Fall Twaroch’

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Der ORF macht wieder einmal Schlagzeilen. Besser: sein Generalintendant. Der „Fall Twaroch” hat es sogar vermocht, die Hörer- und Sehervertretung einmütig hinter dem abzuschießenden Generalsekretär zu versammeln. Nur: Der „Fall Twaroch” ist kein „Fall Twaroch”.

Er ist zunächst ein „Fall Oberhammer”. Der Generalintendant mag ein guter Jurist, ein fähiger Organisator sein; im politischen Intrigenspiel an der Spitze eines Mammutunternehmens scheint er den diversen Ränken recht hilflos ausgeliefert zu sein. Daß er sich mit dem kaufmännischen Direktor Skala auseinandergelebt hat, gilt als hausbekannt. Daß er daher seine Positionen gegen einen allfälligen Konkurrenten bei der Neuwahl absichern wilį entspricht dem System, das mit der „Gegenreform” am Küniglberg eingezogen ist.

Damit wird der „Fall Oberhammer” zum Modellfall für das neue Rundfunkgesetz. Ein Generalintendant, der von jeweils einer Stimme für die jeweilige Mehrheit abhängig ist, ist jeder Erpressung ausgeliefert und kann nur überleben, wenn er jeden gegen jeden auszuspielen versucht. Dazu gehört aber sehr viel Gerissenheit.

Ob Oberhammer genug davon hat, um dieses Spiel zu gewinnen und nach Ablauf seiner ersten Amtsperiode mit der bekannten einen Stimme Mehrheit wiederberufen zu werden, oder ob die Tür, durch die nun Heinrich Keller hereingeholt wird, für Oberhammer zur Kellertür wird, hinter der er zu verschwinden hat - das wird er abwar- ten müssen. Für die Seher und Hörer des ORF, mehr noch für die österreichische Medienlandschaft überhaupt, wird es ziemlich gleichgültig sein, wer oben sitzt. Man wird wissen, wer anschafft.

Ist damit das Intendanturprinzip endgültig ad absurdum geführt? Waren da nicht doch noch jene „guten alten Zeiten” besser, da der Proporz regierte und ein Politruk den ändern kontrollierte? Ein System wie das andere steht und fallt mit den Persönlichkeiten, die es gestalten, dann erst mit den Strukturen, die diese Persönlichkeiten mit Leben erfüllen müssen. Ein Generedintendant muß nicht nur parteifrei, sondern - noch mehr - pressionsfrei sein. Und er muß sich vor allem pressionsfrei halten können. Das ist eine Frage der Persönlichkeit.

Die vielgepriesene „Kontrolle” durch die Hörer-Seher-Vertretung aber ist eine Farce, wenn dieses Gremium keinerlei Kompetenzen hat und selbst sein einstimmiger Beschluß bei den Beteiligten nicht mehr als ein Achselzucken hervorruft So kommt es zu Vorgängen, die man vielleicht jenseits unserer Ostgrenze gewohnt ist, hierzulande aber nur fassungslos aufnehmen kann: Ein Mann, dem die zuständige Instanz einstimmig das Vertrauen ausspricht und dessen Leistungen sie in höchsten Tönen lobt wird abgeschossen, weil er nicht das richtige Parteibuch in der Tasche hat Und um einem ändern Platz zu machen.

Damit wird der „Fall Oberhammer” zum „Fall Keller”. Auch an Kellers juristischen Qualitäten soll nicht gezwei- felt werden, ebensowenig an seiner politischen Zielsicherheit, auch wenn sie bisher noch zu keinem für ihn erfolgreichen Ergebnis geführt hat. Ob er tatsächlich schon 1974 seinem Duzfreund Oberhammer die bevorstehende Beförderung mitgeteüt hat, bevor dieser überhaupt etwas davon wußte; ob er auch in der Zwischenzeit bei so mancher Personaleinstellung des ORF mitgeholfen hat, bleibe dahingestellt Tatsache aber ist, daß Keller maßgeblich an der Aktion zugunsten der Freigabe der Abtreibung mitgewirkt hat, dann am Kampf gegen das Pornographiegesetz. Tatsache ist, daß er sich - wenn auch vergeblich - um die Führungjener Gruppe bewarb, die gegen Religionsunterricht und Kir- chenfunk zu Felde zieht. Ob er der ge- eignete Mann ist, die im Rundfunkge- setz verankerte Meinungsvielfalt, die Berücksichtigung auch der Kirchen von der so wichtigen Position des ,,Ge- neralstabschefs” her zu garantieren, das darf wohl zum mindesten aus un- serer Sicht beraus bezweifèlt werden. Daß Keller schließlich ein sichtlich ge- störtes Verhältnis zu den Medien überhaupt hat, zeigte sich bei seiner Aktion gegen die Sendung „Aktenzei- chen XY” und die Enquéte um die Ge- richtssaal-Berichterstattung, ist aber wohl nur mehr ein Detail am Rande.

Mit Keller aber wird die Šache zum „Fall Broda” - zieht doch ein weiterer Mann vom Schmerlingplatz auf den Küniglberg um (und verstarkt die Fa- den zum alten Haus). Auch hier wieder die übliche „Doppelmühle”, wie sie in sozialistischen Kreisen so meisterhaft gespielt wird: Der Griff nach dem wichtigsten Massenmedium verfestigt sich zusehends, und früh genug, daß sich die Konsumenten bis zu den nächsten Wahlen daran gewöhnt ha- ben. Gleichzeitig kann der Justizmini- ster durch den Umzug seines Presse- sprechers ebenso rechtzeitig wieder die liberale Masche hervorziehen - die Strafrechtsreform ist durch, die Fami- lienrechtsreform ebenso, das Volks- begehren ist abgewürgt. Für die näch- sten Wahlen trägt man wieder Libera- lität. Ein Juso im Vorzimmer könnte das Image triiben. Noch dazu, wenn er sein eigenes „linkės” Image durch ent- sprechende Aktionen aufzumöbeln gedenkt.

Und darnit wird die Affäre zum „Fall Kreisky” (wer sonst?). Abgesehen da- von, daß der Regierungschef eben die Generalverantwortung trägt - wer hat denn die Rundfunkreform in dieser Form durchgezogen, die aus einem in nur kurzer Blütezeit zu internationa- lem Ansehen gelangten Medium ein fades, von politischen Intrigen ge- schiitteltes und der einseitigen Manipulation ausgeliefertes Instrument werden ließ?

Der ORF sollte sich umbenennen - ROF paßte besser. Für ROtFunk.

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