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Statt ORF-Monopol: Länder-TV und privater Rundfunk

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„Solange es nur ein einziges großes Klavier in Österreich gibt, wird es immer Streit darüber geben, wer darauf spielen darf, meint der steirische Landeshauptmann Friedrich Niederl, der sich in Wien gemeinsam mit seinem Salzburger Amtskollegen Wilfried Haslauer in die aktuellen Auseinandersetzungen um den ORF einschaltete.

Der Befund der beiden Landespolitiker: Das Klavier am Wiener Künigl-berg ist verstimmt, Karl Blecha hat die letzten schwarzen Tasten gegen rote ausgetauscht, außerdem hat das Instrument lauter linke Füße.

Was die beiden Landeshauptleute sich im wesentlichen wünschen, ist rasch umrissen:

• Das derzeitige faktische und rechtliche Monopol des ORF soll im Sinne der Meinungsvielfalt aufgebrochen werden.

• An die Stelle des derzeitigen Konzepts soll“ ein Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkveranstaltern treten; ein Konzept, das nach britischem Vorbild auch von der CDU verfolgt wird.

• Im Rahmen dieser Zielsetzungen soll der ORF in eine Anstalt der österreichischen Bundesländer umgewandelt werden, wobei diese Anstalt ein Fernsehprogramm und zwei Radioprogramme, die ausschließlich durch Gebühren finanziert werden, zu betreiben hat.

• Die vom ORF übrigbleibenden Frequenzen, ein Fernseh- und ein Radiokanal, sollen einem „Freien österreichischen Rundfunk“ vorbehalten bleiben, der nach der Konstruktion der britischen IBA als Dachorganisation an einzelne Programmgesellschaften Lizenzen vergibt. Ein Modell, in dem auch Platz für eine Beteiligung des Bundes ist.

Nun kann man über Einzelheiten dieses Niederl-Haslauer-Konzeptes, über die Wahl des Zeitpunktes seiner Präsentation sowie über die unzureichende Koordination innerhalb des Lagers der Volkspartei verschiedener Meinung sein. So war es etwa bemerkenswert, daß es den beiden westlichen Landeshauptleuten Wallnöfer und Kessler (ein Bravo für soviel Parteidisziplin!) fast besser gelungen ist, ihren Kollegen aus Salzburg und der Steiermark den Wind aus den Segeln zu nehmen, als dem pflichtgemäß vom Leder ziehenden SPÖ-Medienmacher Karl Blecha.

Eines steht jedoch fest: Mit ihrer ungewöhnlichen Initiative ist den beiden Landeshauptleuten zweifellos gelungen, neues Leben in die leidige ORF-Diskussion zu bringen. Nur „ORF-Manipulationen“ aufzuzeigen, die ein völlig falsches Bild von der Gefährlichkeit des Mediums ORF zeichnen - was ist schon ein Dutzend „Manipulationen“ in einem Zeitraum von fast vier Jahren? - spwie hinter den Journalisten und ihren Filmrollen mit dem Meterstab nachzulaufen, ist wohl weniger im Dienste der Vielfalt der Meinungen als im Dienste der Einfalt von Politikern zu sehen.

Die von Niederl und Haslauer vorgetragenen Vorschläge hingegen zeugen von neuerwachter Originalität und davon, daß es zumindest einzelne Politiker in den Ländern satt haben, ständig hinter der von Sozialisten mit dem Anspruch und der Anmaßung von Un-fehlbarkeit geführten Mediendiskus sion herzulaufen. Zugegeben: Bis in: letzte ausgegoren sind die aus der Ländern kommenden Vorschläge, di« insbesondere die Handschrift des stei rischen ORF-Kurators Bernd Schil eher, teilweise auch die des früherer ORF-Generals Gerd Bacher erkenner lassen, auch nicht Das war auch gai nicht zu erwarten. Aber, mit Verlaub wie oft haben schon die Sozialisten ge rade im Rundfunk unter dem Motto „Zuerst reden, dann niederstimmen zum Schluß denken“ gehandelt? Zumindest bei der Reform der Reforrr. 1974 haben sie sich ziemlich buchstabengetreu an diese Maxime gehalten.

Als erster und größter Stein liegl dem Niederl-Haslauer-Konzept das ORF-Monopol im Wege. Durch die Re

form von 1974 wurde das Monopol ja erst von einem faktischen zu einem rechtlichen fixierten. Niederl und Haslauer argumentieren mit der Menschenrechtskonvention (Artikel 10), wonach das Recht auf freie Meinungsäußerung auch die „Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen“ umfasse.

Univ.-Prof. Karl Korinek schrieb vor einem Jahr in den „Salzburger Nachrichten“: „Dieses umfassende zentrale Rundfunkmonopol des ORF ist im Hinblick auf Artikel 10 MRK verfassungswidrig, weil es das durch diese Bestimmung garantierte Grundrecht de facto beseitigt und seinem Wesensgehalt nach verletzt, indem es weit über das zulässige Ausmaß gesetzlicher Beschränkungen der Rundfunkfreiheit hinausgeht.“ Für dieses Argument wider das ORF-Monopol besitzt Korinek aber selbst kein Monopol. Im Gegenteil, er befindet sich in unverdächtiger Gesellschaft: In der des heutigen Außenministers Willibald Pahr, der vor Jahren, als er noch Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt war, in einer Diskussionsgrundlage für die ORF-Reformkommission niederschrieb, er halte im Hinblick auf die Menschenrechtskommission ein Monopol für „unzulässig“.

Kernstück des steirisch-salzburgi-schen Vorschlages zur „Neuordnung der österreichischen Rundfunklandschaft“ ist freilich nicht die Abschaffung des Monopols; sie ist nur eine Voraussetzung, um eine weitgehende Föderalisierung der heimischen Rundfunklandschaft erst zu ermöglichen. Und dieses Anliegen ist wirklich zu ernst, um von denen, die am Status quo in bürgerlich-konservativer Manier festhalten wollen, rundweg diffamiert zu werden. Die Diffamierer wollen zwei Dinge gleichzeitig erreichen:

• Auf der einen Seite behaupten sie, die „schwarzen“ Landeshauptleute wollten sich durch die verländerte

Mattscheibe allabendlich ins Wohnzimmer nichtsahnender Bürger schwindeln und das Länderfernsehen zu einer Filiale des Landespressedienstes machen.

• Anderseits bilden sich manche eingefleischte Wiener Zentralisten ein, das zukunftsorientierte Konzept des Föderalismus und der Subsidiarität mit zynischen Bemerkungen wie „Kantönligeist“ oder „Provinzialismus“ schlecht machen zu müssen. Die AZ-Titelzeile „TV-Grüße aus» der Lederhose“ zeigt recht deutlich, daß für manche Sozialisten Föderalismus nur ein erotisches Erlebnis ist - im übrigen wäre die AZ-Uberschrift bereits vor Drucklegung der Zeitung zu erraten gewesen.

Eigentlich ist es gar nicht so absurd, die Bundesländer in der Rundfunklandschaft eine stärkere Rolle als bisher, auch eine stärkere als den Bund selbst, spielen zu lassen. Auch wenn man sich Österreichs Geschichte re-vue passieren läßt, fällt auf, daß die einzelnen Länder seit eh und je wichtige, ja staatsbildende Rollen gespielt haben. Man denke an das Zustandekommen der Pragmatischen Sanktion, an die Länderkonferenzen nach den beiden verlorenen Kriegen. Gar nicht demagogisch sollte einmal die Frage gestellt werden: Wessen Beitrag für Österreich war größer: Der seitens der selbstherrlichen Zentralisten oder jener der notwendigerweise kooperationsbereiten Föderalisten?

Das Fernsehen ähnlich wie den Rundfunk zu föderalisieren, zu ver-österreichern oder wie man es immer nennen will, ist erklärter Wunsch der Mehrzahl der ORF-Teilnehmer. In der Steiermark wollen 70 Prozent der Bevölkerung Föderalisierung. Eine qualifizierte Mehrheit, die nicht nur schwarz und naiv ist. Naiv sind vielmehr jene,' die' glauben, der Erzherzog-Johann-Jodler werde zum täglichen Hauptprogramm in TV-Steiermark.

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