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Nachholbedarf an Pressefreiheit fur elektronische Medien

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Muß man sich heute schon entschuldigen, einst in Kreiskys Rundfunkreformkommission mitgemischt zu haben? Kurt Dieman zum mindesten möchte alle Verdächtigungen zurückweisen, an der gegenwärtigen Misere des ORF mitschuldig zu sein. Was er bereits kürzüch in seinem, im Verlag Styria erschienenen Buch „Hintergründe und Abgründe“ erläutert hatte - Styria-Generaldirektor Hanns Sassmann sprach von einem „Sachpamphlet“ - detaillierte er nun im Kummer-Institut seinen interessierten Hörern. Nicht er, Dieman, habe seine Meinung geändert, sondern Kreisky selbst. Und der ORF im ganzen. Der Bundeskanzler habe etwas ganz anderes versprochen, als nun den Hörern und Sehern und dem ganzen Volk vorgesetzt werde.

Man wollte eine demokratische Gesamtreform der österreichischen Medienlandschaft, man wollte einen Abbau der Parteipolitik, man wollte verhindern, daß eine einzige Partei mit dem Monopolunternehmen mache, was sie wolle. Nun aber werde „mit der Dampfwalze“ gefahren, wenn es gilt, die Kontrollgremien zu bestellen -auch die Hörer-Seher-Vertretung hat ja nun eine sichere Regierungsmehrheit -, Werner Schneyder biete jeden Mittwoch eine unbezahlte und daher illegale Belangsendung für die SPÖ, und die Tendenzen für die Gesellschaftsveränderung reichten weit über die Ziele der SPÖ hinaus und richten sich auf die Etablierung des politischen Chaos in den Gehirnen der jungen Menschen. Alles dies sei nur möglich dank der Existenz des „De-Facto-Generalinten-danten“ Karl Blecha, meint der Kritiker und richtet das Fadenkreuz auf den Zentralsekretär der eigenen Partei - Dieman betont mehrfach, sich als „sozialer Demokrat“ und damit nach wie vor der SPÖ als Mitglied verbunden zu fühlen. Blecha entscheide als Fraktionsvorsitzender im Kuratorium (über alle Beschlüsse, über die langfristige Planung, über Finanz- und Personalfragen.

Das alles habe das Betriebsklima zwischen Argentinierstraße und Kü-niglberg total verdorben. Gute Leute arbeiten und wissen, daß ihrem Aufstieg enge Grenzen gesetzt sind, da sie nicht über das richtige Parteibuch verfügen.

„Der ORF ist das Lackmuspapier zur Prüfung der Demokratie in Österreich“, formuliert Dieman plastisch. Die Medien hätten die Aufgabe zu kritisieren, nicht die bestehenden Machtverhältnisse zu verewigen. Kreisky aber verdanke seine Mehrheitsregierung dem „Unterhaltungs-Fernsehen“.

Solange der ORF Monopolstellung besitzt, habe keine Partei das Recht, seine Instrumente zu majorisieren.. Die Monopolstellung steht überhaupt im Mittelpunkt der Kritik Kurt Die-mans. Einst, in der Reformkommission, habe Willibald Pahr, damals noch Ministerialrat im Verfassungsdienst, als Verfassungsexperte festgestellt, daß das ORF-Monopol gegen die Menschenrechte verstoße - davon höre man beim heutigen Außenminister nichts mehr. Einst habe man versprochen, die Gesellschafteranteile der Bundesländer zu erhöhen - dann habe man sie enteignet.

Dieman konstatiert den „Nachholbedarf an Pressefreiheit“ bei den elektronischen Medien. Das ORF-Gesetz als ganzes sei schlecht. Nicht mit personellen Veränderungen - wer hat denn die heute kritisierten Männer auf ihre Posten gehievt? Kreisky - wer sonst? - werde man die Misere beseitigen können, sondern nur durch ein besseres Gesetz.

Voraussetzung für eine Entmonopo-lisierung ist die freie Er rieht barkeit von Kabelstationen - nicht nur für die Übernahme ausländischer Programme, wie sie zur Zeit angepeilt wird. Noch aber sei es unmöglich, eigene Programme auszustrahlen, regional oder auch lokal, unter Mitwirkung der regionalen und lokalen Behörden und demokratischen Kräfte. All dies werde von Blecha verhindert, der nicht will, daß sechs von der Opposition regierte Länder frei arbeiten können. Deswegen habe auch das ORF-Gesetz die notwendige Flurbereinigung für alle elektronischen Medien ausgeklammert und vermieden, auch für weitere Entwicklungen Raum zu schaffen.

Zum Schluß ruft Dieman einen führenden Journalisten seiner eigenen Partei als Zeugen auf: Josef Riedler, Chefredakteur der „Neuen Zeit“ (Graz) meinte, alles, was im ORF geschehe, werde die SPÖ zu verantworten haben, vor ihren Wählern, dem Staatsvolk und ihren Freunden. Und Dieman schließt daran die Forderung: Österreichs Politik werde in den kommenden Jahren Aktivität quer durch alle Lager brauchen - kritische Wähler, kritische Parteimitglieder, kritische Bürger. Nur dann werde man auch im ORF auf eine Besserung hoffen können.

Apropos: Kurt Diemans „Austro-scop“, in früheren Jahren fester Bestandteil des FURCHE-Feuilletons, können wir ab nächster Nummer wieder regelmäßig, einmal im Monat, unseren Lesern anbieten.

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