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Angst vor „Verrückten“

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Die Kärntner ÖVP, so meinte der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Diplomkaufmann Wilhelm Gorton vor einem Jahr im „profll“, sei noch nie so gut dagestanden wie zur Zeit des Landesparteiobmannes Dr. Karl Schleinzer. Am 10. Juni wird sich nun Schleinzers Obmann-Nachfolger Landesrat Herbert Bacher erstmals seit seiner Wahl den Delegierten eines Landesparteitages stellen müssen — zu einem Zeitpunkt, zu dem die Situation der Landespartei nach Ansicht breiter Funktionärsschichten weder organisatorisch noch finanziell gesichert ist. Bacher gilt trotzdem nicht als erster Sündenbock. „Er hat ein schweres Erbe übernehmen müssen“, nimmt man den neuen Landes-parteiobmann in Schutz und meldet an anderer Stelle Kritik an: „Bacher hat sich noch nicht von Schleinzer lösen können.“

So mag es auch nicht verwundern, daß man in Kärnten in ein empörtes „die Bundesparteileitung soll sich um ihre eigenen Dinge kümmern“ ausbricht, wenn man die südländischen VP-Mannen fragt, was es mit dem in Wien kursierenden Gerücht auf sich habe, wonach der derzeitige Landeshauptmannstellvertreter Walther Weißmann ausscheiden und an seine Stelle der Parlaments-Zwischenrufer (und ÖAAB-Landeobmann) Walter Sup-pan in die Landesregierung transferiert werden soll. Dieser Wechsel brächte vor allem den (sicher nicht in VP-Spitzengremien beabsichtigten) Vorteil mit sich, daß dann mit dem Villacher Ing. Heinrich Amtmann ein für einen VP-Funktionär ungewöhnlich „fortschrittlicher“ Mann an Suppans Stelle ins Parlament einziehen würde.

Dabei hatte Weißmann als Spitzenkandidat vor den (für die ÖVP katastrophal endenden) Gemeinderatswahlen in Klagenfurt (1967) hoch und heilig versprochen, auf jeden Fall ins Stadtparlament einzuziehen, dann jedoch als Wahlverlierer das unterlegene Schiff schleunigst verlassen.

Diese Fragen dürften den Landesparteitag jedoch gar nicht unbedingt beschäftigten, obwohl es die Unzufriedenen unter den Parteitagsprogrammierern durchgesetzt haben, daß man am 10. Juni einen „Parteitag der Diskussion“ zelebrieren will. An Diskussionsbeiträgen dürfte es auch nicht mangeln, denn in Kärntner VP-Funktionärsschichten gärt es, wobei die organisatorische Situation der Landes-ÖVP ebenso genannt wird wie die gemeinsamen mit der SPÖ durchgeboxten Gemeindezusammenlegungen.

Dem ersten Umstand dürfte damit Rechnung getragen werden, daß der bisherige Organisationsreferent Bundesrat Leopold Goess zurücktreten soll. Weiters erwartet man einen Antrag, wonach durch eine Statutenänderung die Funktionsperiode der Partei-Vormänner den jeweiligen Legislaturperioden angepaßt werden soll, womit man erfolglose Parteiobere zum richtigen Zeitpunkt zurückziehen könnte. Doch auch auf dem Gebiet der Sozialpolitik könnte der von Kopf bis Fuß auf die neue Mock-Linie eingestellte Kärntner ÖAAB mit einigen schweren Geschützen auffahren.

Was sich über dem Partei-Establishment als Folge der über die Köpfe der Kommunalpolitiker hinweg beschlossenen „Gemeindestrukturveränderungen“ zusammenbraut, kann man erahnen, wenn man die wütenden Angriffe bei Orts- und Bezirksparteiversammlungen hört. Die Hauptangrdffsspit-zen in dieser Angelegenheit dürften aus den Bezirken Spittal und Wolfsberg kommen. Gerade im Lavanttal konnte sich etwa der nicht immer glücklich, aber ehrlich agierende LAbg. Wilhelm Auinger beim Fußvolk sehr stark profilieren, indem er sich die Ansicht der betroffenen Gemeindebürger und nicht jene der Parteispitze zu eigen machte. Wenn man derartige Fragen auftischt, kocht das Parteivolk vor allem deshalb, weil man glaubt, Bacher hätte sich in Sachen Gemeindezusammenlegungen bereits fünf Tage vor einem diesbezüglichen Beschluß des zuständigen ÖVP-Gremiums vom 6. März mit der SP „geeinigt“. Aus diesem Grund könnte es am

Landesparteitag auch dazu kommen, daß unprogrammierte Personalentscheidungen aufgetischt werden, wie es erst kürzlich beim Landestag der-Kärntner FPÖ geschah, wo Landesobmann Geringer zur allgemeinen Überraschung wegen seiner Zustimmung zur Gemeindeliquidierungskampagne im Handstreich aus dem Obmannsessel gestürzt wurde. Wenn man bei der ÖVP auch nicht sehr ernsthaft (schon wegen der scheinbar fehlenden Alternativen) mit derartigen Vorgängen rechnet, hat man doch ein ungutes Gefühl: „Es braucht doch nur ein Verrückter mit einem solchen Antrag herauskommen und der Wirbel ist fertig“, kalkuliert man mit dem Ärgsten.

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