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Waterloo am Wörthersee

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In ein politisches Waterloo scheint die Kärntner ÖVP zu steuern. Im Restaurant „Haus der Bauern“ denkt und spricht man nicht nur über dem Bierglas, sondern vor allem über die Zukunft dieser Partei, die bei den Klagenfurter Gemeinderatswahlen eine Schlappe erlitten hat. Ihr Stimmenanteil ist von 35,5 Prozent auf 31,5 Prozent zurückgegangen und hat den Verlust eines Stadtratssitzes nach sich gezogen, den die FPÖ mit dem Gemeinderat Gert Vallon besetzen wird, obwohl auch sie Stimmen verloren hat. Die günstigere Arithmetik entschied. Das Ergebnis zeigte, daß die Wahlen durch die kleinen und großen Skandale dieses „Wetterwinkels“ der Bundesländerpolitik unbeeinflußt geblieben ist. Das war einer der unsicheren Punkte jeder Voraussage, hatte es doch

• 1964 den Skandal um den SPÖ-Stadtrat und Finanzreferenten Mayrhofer gegeben,

• 1966 die bislang noch ungeklärte Affäre um ÖVP-Landeshauptmann-stellvertreter Truppe im Zuge des Bauskandals und

• 1967 die Verschuldung der Klagenfurter Messe, an der der ÖVP-Vizebürgermeister Nowak am wenigsten beteiligt war.

Unschlagbarer Außerwinkler

Die SPÖ bot als Spitzenkandidaten und Wahllokomotive den agilen Bürgermeister Außewinkler, gemanagt von Universitätsproponen-ten und Finanzstadtrat Romauch, an dessen Wirkung die Erwartungen noch übertraf: die Sozialisten konnten ihren Stimmenanteil von 45 Prozent auf die absolute Mehrheit von 54 Prozent steigern. Sie hatten auch ihre Kandidatenliste radikal verjüngt und werden den halben Stadtsenat auswechseln. Nicht zuletzt verfügen sie über zwei weibliche Gemeinderäte, von denen die Magistratsjuristin Dr. Ilse Unkart immer wieder durch aggressive Wortmeldungen auffällt. Wer wirklich in den Stadtsenat einziehen wird, soll sich erst Anfang November entscheiden. Außerwinkler deckt die Karte nicht auf, schneidert sich jedoch ein höchst persönliches Team, das ihn langsam zu noch höheren Aufgaben tragen könnte. SPÖ-Kreise verhehlen nicht, daß sich der Bürgermeister zum ernsthaften Konkurrenten Landeshauptmann Simas mausert.

Auf einer anderen Ebene bewegen sich die Gespräche innerhalb der ÖVP, deren Effizienz durch die bündischen Gegensätze und des Einflusses des eher unbeliebten Landwirtschaftsminister Schleinzer behindert wird. Obwohl die Volkspairtei in Klagenfurt ein achtbares Programm vorlegte — Lösung des Wohnungsproblems durch Reihenhauszonen im Süden der Stadt und Schaffung einer zentralen Stadt- und Verkehrsplanung sowie wirtschaftliche Strukturvorschläge — gelang es nicht, sich in der aufstrebenden Landeshauptstadt zu behaupten. Um einen halbwegs attraktiven Kandidaten bieten zu können, entschloß man sich, den Exnationalratsabgeordne-ten, Landeshauptmannstellvertreter Weißmann, an die Spitzenposition zu delegieren. Wer sich aber von dem gezwungen jovialen und von harter Arbeit nicht gerade überzeugten Weißmann eine Wirkung erhofft hatte, wurde enttäuscht, denn von Anfang an glaubten wenige, Weißmann werde wirklich in die Stadt gehen, falls er unterliege, und außerdem hatte die ÖVP kein besonders leistungsfähiges Team zur Stelle.

Schleinzers Interesse

Die Volkspartei muß für Vizebürgermeister Nowak und Stadtrat Schober Ersatz bieten, dem die Wahlniederlage angelastet wird, obwohl jene „schuld sind, die ihn an eine derart exponierte Stelle manövrierten“ (Kleine Zeitung). Dieses Blatt ist es auch, das sich über die ÖVP-internen Kombinationen besser informiert zeigt als das auflagenschwache Parteiorgan, die „Volkszeitung“, deren vorsichtiger Chefredakteur Dr. Mayer auf einem höchst wackeligen Ast sitzt.

Die Auguren im „Haus der Bauern“ meinten daher zunächst, die einzige Möglichkeit für die ÖVP, sich vor dem politischen Waterloo zu retten, wäre eine Übersiedlung Weißmanns in die Stadt. Weißmann indessen wehrte sich trotz der Beharrungsbeschlüsse des Wirtschaltsbun-

des nicht nur aus persönlichen Gründen, sondern, wie man hört, vor allem deshalb, weil im Falle seiner Übersiedlung der populäre Truppe wiederum seine Anwartschaft auf die Landesposition anmelden könnte. Das gefiele aber dem Landwirtschaftsminister nicht, zu dessen „intimen Freunden“ Weißmann zählt.

Mit sich beschäftigt

Am vergangenen Wochenende hat sich die Klagenfurter ÖVP entschieden: als Vizebürgermeister entsendet sie den Exlandesparteisekretär und ÖAAB-Exponenten Walter Flucher,

und als Stadtrat den in der Kandidatenliste an 14. Stelle aufscheinenden Bauernbündler und Gastwirt Walter Dermuth, der nicht in den Gemeinderat gewählt wurde. Weißmann bleibt also im Land, und Landwirtschaftsminister Schleinzer kann sich weiterhin alle Türen für eine Rückkehr nach Kärnten offenhalten. Denn sein Adlatus, der geschäftsführende Parteiobmann Bacher, ist Landesrat und könnte jederzeit an die Stelle des alten Bauernbündlers Sodat als Präsident der Landwirtschaftskammer treten. Die ÖVP könnte in vielen Dingen

mit der SPÖ gleichziehen, ist aber zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Als in Klagenfurt kürzlich eine Hochwassertagung stattfand, glänzten die Politiker durch Abwesenheit, nur der kommunistische Landtagsabgeordnete war interessierter Zuhörer der Expertenreferate. Und als ein Vertreter des Europarates über Hochschulfragen einen Vortrag hielt, war nur die sozialistische Prominenz vertreten. So gesehen, gehen manche Beobachter vielleicht nicht fehd, die meinen, daß die SPÖ bei den nächsten Gemeinderatswahlen statt 20 an die 25 Mandate erreichen könnte.

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