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Rauher Frühlingswind

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Die Wirtschaftsdebatte im Nationalrat ist vorbei, Wahlen stehen vor der Tür. Zunächst die Landtagswahlen in Niederösterreich am 9. Juni und dann, 14 Tage darauf, die Bundespräsidentenwahlen. In dieser Phase der Innenpolitik darf wohl die Frage gestellt werden: Ist der politische Wind eisiger geworden, hat sich das Klima zwischen den Parteien verschlechtert?

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Die Wirtschaftsdebatte im Nationalrat ist vorbei, Wahlen stehen vor der Tür. Zunächst die Landtagswahlen in Niederösterreich am 9. Juni und dann, 14 Tage darauf, die Bundespräsidentenwahlen. In dieser Phase der Innenpolitik darf wohl die Frage gestellt werden: Ist der politische Wind eisiger geworden, hat sich das Klima zwischen den Parteien verschlechtert?

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Für den politischen Chronisten in diesem Lande ist es eigentlich seit Jahren eine Erfahrungstatsache, daß gegen Ende der Frühjahrssession des Nationalrates die Hektik steigt. Das Parlament gerät regelmäßig in Zeitnot, es laufen die Vorverhandlungen über das Budget des kommenden Jahres. Hier scheint der Finanzminister heuer übrigens von den üblichen bohrenden Fragen verschont geblieben zu sein. Es wird ihn, der — wie verlautet — heuer vor besonderen Schwierigkeiten bei der Budgeterstellung steht, sicher sehr freuen, daß die Öffentlichkeit mit Wahlkämpfen ausgelastet ist. Was sich allerdings heuer vor dem Auge des vielzitierten „politischen Beobachters“ abspielt, ist mit der vorher erwähnten Hektik wirklich nicht zu vergleichen. Zugegeben: Noch vor wenigen Wochen waren die nunmehr bevorstehenden Wahlgänge nicht abzusehen, zumindestens war nicht von vornherein anzunehmen, daß sie noch vor dem Sommer stattfinden werden. Die Legislaturperiode des niederösterreichischen Landtages wäre eigentlich erst im Herbst ausgelaufen und das Ableben von Bundespräsident Jonas war auch nicht determinierbar.

Auch ohne die beiden Wahlgänge gibt es genug Anzeichen dafür, daß das innenpolitische Barometer auf Sturm steht. Wer die letzte Fernsehdiskussion der Parteichefs und ihrer Wirtschaftsexperten verfolgt hat, konnte sich von den „harten Bandagen“, überzeugen. Die Spitzenpolitiker der Oppositionsparteien hatten es in dieser Fernsehdiskussion, die übrigens auf ausdrücklichen Wunsch des Bundeskanzlers zustande gekommen war, offenbar nicht schwer. Denn die Inflationsdebatte, deretwe-gen Kreisky die ganze Diskussion abführen wollte, geriet vollends daneben. Kreisky und Androsch konnten den steinhart argumentierenden Oppositionspolitikern nur immer wieder die alte Geschichte von der „importierten Inflation“ erzählen, mußten sich daraufhin aber das in der Bevölkerung wahrscheinlich viel populärere Argument gefallen lassen, daß die Bundesrepublik Deutschland, also der Haupthandelspartner Österreichs, mit ihrer Inflationsquote immerhin unter dem Inlandsniveau liegt.

Keineswegs als Ruhmesblätter der Regierungspolitik erweisen sich neben der Wirtschaftspolitik zwei andere Initiativen von unterschiedlicher Tragweite: Verkehrsminister Lanc versucht derzeit geradezu krampfhaft und weitab von jeder politischen Eleganz, den ÖBB-Vorstand politisch umzukrempeln und ihm eine SPÖ-Dominanz zu geben. Das Ende dieses Polit-Theaters steht noch aus. Die SPÖ-Fraktion des Nationalrates drängt derzeit mit Vehemenz darauf, daß die Novelle zum Rundfunkgesetz noch vor dem Sommer vom Parlament verabschiedet wird. Wie unpolitisch diese „ORF-Reform“ ausgeht, kann bereits jetzt mühelos vorausgesehen werden: Der ORF soll von seiner derzeitigen Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in eine Anstalt öffentlichen Rechtes umgewandelt werden, deren maßgebliches Organ ein Kuratorium sein soll, das alle Leitungsposten im ORF besetzt und außerdem über die Höhe der Gebühren befindet. Es können heute bereits Wetten darüber abgeschlossen werden, in welcher Zusammensetzung die Parteien in diesem Kuratorium vertreten sein werden.

In diese Zeit fallen knapp hintereinander zwei Wahlgänge. Bundeskanzler Kreisky hat es seit dem für seine Partei nachteiligen Ergebnis der oberösterreichischen Landtagswahlen peinlich vermieden, regionalen Wahlgängen einen Testcharakter für die Bundespolitik zuzubilligen.

In Salzburg setzte sich dann ja auch der oberösterreichische Trend fort. Und in Niederösterreich, wo das von den Sozialisten als „Agrarbürokra-ten“ verteufelte Maurer-Team der SPÖ mit der Proklamation vorzeitiger Landtagswahlen von vornherein die Show gestohlen hat, zweifelt eigentlich niemand am neuerlichen Führungsanspruch der ÖVP. Auch Bruno Kreisky nicht

Auf vollen Touren läuft derzeit der Präsidentschaftswahlkampf, der schon die zweite Halbzeit erreichte. Die Wahlkampfmanager beider Kandidaten, Kirchschläger und Lugger, strahlen im Gespräch betonten Optimismus über ihre bisherigen Erfolge aus, doch gibt es im SPÖ-Haupt-quartier in der Wiener Löwelstraße auch eine Gruppe, die sich dem Zweckpessimismus verschrieben hat. Freilich sind alle Prognosen derzeit sehr vage und stützen sich auf äußere Anzeichen. Schenkt man jedoch den Berichten von den Wahlreisen der Kandidaten Glauben, so gelingt es Lugger wesentlich leichter, Kontakt zu den Menschen zu finden, seine Versammlungen sind vergleichsweise ausgezeichnet besucht. „In Linz hatten wir 3500 Teilnehmer bei einer Versammlung, trotz einer gleichzeitig laufenden Fußballübertragung im Fernsehen“, erzählt begeistert einer der Reisebegleiter Luggers.

Freilich haben beide Parteien auch Meinungsumfragen über die Chancen ihrer Kandidaten machen lassen. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden bedeutet einen starken Meinungsaufschwung für Lugger, weiß die ÖVP zu melden. Und die SPÖ sagt natürlich das Gegenteil: Kirchschläger liegt um Längen voraus. Die Antwort wird man erst am 23. Juni wissen.

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