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Kurt Diemans Austro-Scop

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Hinten, auf dem „Mäuerl“ I I des silbergrauen Merce-■ des-Benz, Kennzeichen W 63, liegt seit 11. Oktober ein leicht abgetragenes Salzburger Hüterl: die Kopfbedeckung des Alpenländers und derzeitigen provisorischen Generalintendanten des ORF, Gerd Bacher.

Das Hüterl ist eine Augenweide - auch für Leute, die nicht für Trachten schwärmen, aber für Demokratie: Es ist ein umgekehrter Geßlerhut, der daran erinnert, daß wir in Österreich trotz Mehrheitsparteiherrschaft und Sonnenkönigtum doch in keiner

Landvogtei leben, wo alle gezwungen sind, einem anderen Hut die Reverenz zu erweisen: dem Kappel mit den drei Pfeilen über dem Schirm.

Das ist gut: gut für Österreich und für die Sozialisten. Das Bacherhüterl bestätigt es.

Weil es aber doch auch Leute gibt, denen dieses Hüterl ein Dorn im Auge ist, veröffentlichen jetzt die Sozialistische Jugend und ein „Nachrichtenmagazin mit objektiver Berichterstattung“, genannt „Weste“, wie auf ein Kommando ganze Sammlungen von Bacher-Zitaten und Zitaten über Bacher, die meist alte Hüte sind.

Denen, die diese Modeschau veranstalten, dürfte der Geßlerhut doch irgendwie am roten Herzen liegen: Es stört sie, daß es in einem Gremium (dem ORF-Kuratorium), das durch das Rundfunkgesetz unter ihren Mehrheitshut gebracht wurde, doch drei Mitglieder gab, die diesen Hut wenigstens einmal lüfteten, um den Mief der Geßlerei herauszulassen.

Damit.sich das am 19. Dezember nicht wiederhole, wurden die alten Bacherhüte ausgegraben und in die publizistische Auslage gestellt: Inwieweit das der „res publica“, der Sache des Volkes, dient, die sich von der Sache der Parteien oft himmelweit unterscheidet, ist eine Frage des demokratischen Gewissens, die jeder für sich zu beantworten hat: die Jungsozialisten im Lichte ihrer jüngsten sozialen Entwicklung zu Hausherrn und Frau Ingrid Reder, journalistische „Westen-Strickerin, im Dunke] einer Parteistrategie, die von der ersten bis zur letzten Zeile leicht zu durchschauen ist.

Wenn man schon alte Hüte ausstellt, sollte man auch den Gegnern des Gerd Bacher im Sinne demokratischer Fairneß die Chance einräumen, mit ihren Kopfbedeckungen aus der Vergangenheit aufzutauchen und zu zeigen, wie ein Hut oft das Hirn verrät, das sich unter ihm verbirgt.

Was sagte da nicht etwa der Abgeordnete Kratky in der Debatte über das Rundfunkvolksbegehren im Parlament? „Für uns sind Rundfunk und Fernsehen Machtfragen.“ Und der Abgeordnete Miksch in einer Budgetdebatte? „Ich sehe in der Erweiterung der mittelbaren Demokratie zum Plebiszit die Todesgefahr für jede Freiheit und Demokratie.“

Angesichts solch „demokratischer“ Offenheit kann jedem Demokraten - Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberaldemokraten (und vielleicht auch Kreis-ky-Demokraten) - nur der Hut hochgehen!

Und da gibt's noch eine ganze Reihe solcher Hüte aus der Rundfunkgeschichte, die gerade jetzt verdienten, wiederum hervorgeholt zu werden.

Den schönsten Hut fabrizierte wohl der Abgeordnete Zelenka in den zwanziger Jahren, als er gegen Orgelmusik im Radio mit der „Begründung“ protestierte: „Die Orgel ist ein christlich-soziales Instrument.“

Schön ist auch der Blecha-Hut, kreiert unmittelbar vor der Generalintendantenwahl im Herbst 1974: „Der Oberhammer ist durch, da geht gar nix mehr.“

Ein besonders fesches Modell stammt von Wolf In der Maur: „Mich stört nichts an der öffentlichen Meinung, weil ich nichts gegen sie habe und sie mir an und für sich wurscht ist.“

Die. Hutparade könnte beliebig fortgesetzt werden. Alle möglichen Fabrikate kämen zum Vorschein: Meisterwerke von Anton Benya und Bruno Kreisky. Aber auch kleinere Hutmacher haben sich allerhand geleistet.

Ist es da nicht höchste Zeit, den Rundfunk neu zu behüten und ihn auch auf neue Füße zu stellen? Das Bacherhüterl allein tut's nicht, auch wenn es über den 19. Dezember hinaus auf dem „Mäuerl“ des silbergrauen Mercedes-Benz, Kennzeichen W 63, liegen bleibt.

Das „Austroscop“ ist eine politische Kolumne, die durch Provokation zum Denken anregen soll. Die einzelnen Formulierungen des Autors müssen sich nicht mit den Auffassungen der Redaktion decken.

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