6821407-1973_39_01.jpg
Digital In Arbeit

Kreisky ist nicht Bachers Chef!

Werbung
Werbung
Werbung

Ein Wort, ein einziges Wort, nämlich das Wort „Psychoterror“ aus dem Mund des Generalintendanten hat den Konflikt zwischen Bruno Kreisky und Gerd Bacher so verschärft, daß der Regierungschef mit dem ORF-Chef nicht mehr sprechen will, denn, so Kreisky: „Wo käme man denn in diesem Staat hin, wenn jeder Chef eines Staatsbetriebes so mit mir redet?“ •

Damit ist nun von Seiten des Regierungschefs ein Wort gefallen, das dem OFR-Konflikt eine völlig neue Dimension gibt. Denn damit hat Bundeskanzler Kreisky genau jene Lage vorweggenommen, die er erst herstellen möchte (oder nach dem Willen seiner Parteifreunde herstellen soll). Wie immer man über Gerd Bacher denken mag, eines ist er bestimmt nicht: Chef eines Staatsbetriebes. Ein Staatsbetrieb war der österreichische Rundfunk vor dem Volksbegehren, und eben deshalb, weil er wie ein Staatsbetrieb geführt wurde, ist das Volksbegehren notwendig geworden.

Die FURCHE war maßgeblich an der Vorbereitung dieses Volksbegehrens beteiligt, dessen Zielsetzung es war, das Proporzmonopol der Parteien im ORF zu brechen und dem wichtigsten ; Massenmedium des zwanzigsten Jahrhunderts Unabhängigkeit von den Parteien zu sichern — Unabhängigkeit von einer allein regierenden Partei genauso wie Unabhängigkeit von zwei einander im Proporzclinch pattsetzenden Parteien. Das aus dem Volksbegehren hervorgegangene Rundfunkgesetz hat Schwächen, aber seine Kernsubstanz ist so aktuell wie seinerzeit; es sichert dem Rundfunk und seinem Chef Unabhängigkeit — und das heißt, ob es der Bundeskanzler wahrhaben will oder nicht, das Recht, mit ihm auf einer Ebene zu sprechen und eben nicht wie ein Untergebener aus einem Staatsbetrieb mit seinem Chef.

Das Volksbegehren gab den Anschuß für eine neue Phase der österreichischen Demokratie, es war eine, wenn nicht die Voraussetzung für die Bildung von Alleinregierungen, zunächst der ÖVP und dann der SPÖ. Vor allem die ORF-Reform hat ja die mobile Demokratie in Österreich ausgelöst — mit allen damit verbundenen Risken für die Parteien und deren Politiker. Wer heute Gerd Bacher einer Schlagseite nach rechts anklagt, sollte sich an die aggressiven Fernsehinterviews mit dem damaligen Bundeskanzler Klaus erinnern („Werden Sie zurücktreten? Wann werden Sie zurücktreten?“).

Die politischen Parteien, und vor allem alleinregierende Parteien, haben aus begreiflichen Gründen ein spannungsreiches Verhältnis zu unabhängigen Medien, und sie haben ein begreifliches Interesse, diese Medien, unabhängige Zeitungen, eine unabhängige Rundfunk- und Fernsehanstalt, und nicht zuletzt die bei diesen Medien arbeitenden Journalisten, in ihren Einfluß zu bekommen. Doch mit mindestens demselben Recht wehren sich Medien und Journalisten gegen jeden parteipolitischen Zugriff.

Ein Pressegesetz gegen die österreichische Presse wäre in Österreich (noch?) undenkbar. Ebenso undenkbar hätte eine ORF-Reform zu sein, deren Proponenten meinen, der Rundfunk dürfe sich in eigener Sache und über seine eigenen Medien nicht äußern, weil er im Staatsbesitz steht. Volksbegehren und Rundfunkgesetz haben eben jenes „Hausherrenprinzip“ abgeschafft. Und solange dieses Gesetz nicht geändert ist, hat der ORF, hat Gerd Bacher das Recht, sich zu wehren. Wenn er sich dabei im Ton oder in den Mitteln vergreift, dann wird sich die österreichische Öffentlichkeit selbst darüber ein Urteil bilden.

Der Kanzler aber kann dem Generalintendanten wie der ORF-Berichterstattung genauso wenig den Mund verbieten wie einem oppositionellen Abgeordneten im Parlament. Vorher muß Kreisky das Rundfunkgesetz ändern.

Vieles deutet darauf hin, daß er das aber deshalb nicht tut, weil er nicht die Fehler und damit die Niederlage seines Vorgängers wiederholen möchte, wie ja überhaupt der Kampf Bacher gegen Kreisky starke Züge eines Schattenboxens aufweist. Denn dieser Rundfunkkrieg erreichte, daß der ORF die heutige Regierungspartei wesentlich milder anfaßt, als er seinerzeit, unter demselben Generalintendanten, Josef Klaus und die ÖVP angefaßt hat. Die Gesetze des Metiers führen unabhängige Journalisten stets zwangsläufig zu einer kritischen, sprich oppositionellen Berichterstattung. Ein gedämpfter, gebremster, verunsicherter Rundfunk, der die SPÖ in der Vorwahlzeit nicht mehr hart anzufassen wagt — ist es nicht vielleicht genau das, was Kreisky, der Zauberer der Taktik, wirklich will?

Reden wir nicht vom neuen Rundfunkgesetz — reden wir von der ORF-Berichterstattung im bevorstehenden Wahlkampf. Wenn Doktor Kreiskys taktisches Konzept gelingt, könnte sie für die SPÖ mit Bacher genau so ungefährlich ausfallen wie ohne Bacher. Genau dies will Österreichs unabhängige Presse, weitgehend identisch mit der „Volksbegehrenspresse“, nicht.

Möglicherweise ist für die Zeitungen des Volksbegehrens daher die Zeit gekommen, sich neu zu formieren. Wenn auch (noch) nicht für eine neue Initiative, dann wenigstens doch für einen neuen Prozeß gemeinsamer Meinungsbildung über die Frage, was aus Volksbegehren und OFR-Reform geworden ist oder demnächst zu werden droht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung