7223801-1993_39_01.jpg
Digital In Arbeit

Klestil fordert Rückzug der Parteien

19451960198020002020

Der ORF im Würgegriff der Parteien. Bundespräsident Klestil kritisiert: Interventionen sind an der Tagesordnung.

19451960198020002020

Der ORF im Würgegriff der Parteien. Bundespräsident Klestil kritisiert: Interventionen sind an der Tagesordnung.

Werbung
Werbung
Werbung

Seit dem Sturz von Ernst-Wolfram Marboe als ORF-Programmintendant ist die Debatte über „die größte Medienorgel des Landes" nicht mehr abgerissen. Hinter den Kulissen feilschen die Parteien um die Erhaltung von Macht und Einfluß für die Ära nach Generalintendant Gerd Bacher.

Bundespräsident Thomas Klestil fordert nun im FüR-CHE-Gespräch vehement eine Zurückdrängung des Parteieneinflusses: „Jeder Insider wird ihnen unter vier Augen bestätigen, daß Parteien versuchen, in den ORF hinein-zuregieren, besonders in die politische Berichterstattung. Da wird laufend interveniert — und da gibt es Standhafte, die das abwehren, aber auch andere, die nachgeben."

Unzufrieden ist das Staatsoberhaupt vor allem mit der Zusammensetzung des ORF-Kuratoriums: „Wenn in einem Gremium, das die entscheidenden Beschlüsse zu fassen hat, vor allem die Par-

teien das Sagen haben, dann kommt es eben auch dazu, daß gezählt wird, wer wieviel Sendezeit bekommt."

Es sei nicht seine Aufgabe, konkrete Reformvorschläge zu erarbeiten, betont Klestil,

wohl aber darauf hinzuweisen, wenn „Parteien einen zu großen Einfluß in den so sensiblen Bereichen der objektiven Information und der Meinungsvielfalt haben". Es gehe ihm nicht darum, alle Parteimitglieder aus dem ORF zu verbannen, „weil es unter ihnen auch hervorragende Fachleute gibt". Letztlich habe aber das Rundfunkgesetz von 1970 einen Rückschritt gebracht: „Die Reform 1967 war das Ende des Parteien-Rundfunks. 1970 sind die Parteien wieder in den ORF eingezogen."

Gegen eine „Verurteilung" des ORF-Kuratoriums als Spielwiese der Parteisekretä-riate wendet sich Kanzler Franz Vranitzky. „Nur weil jemand Mitarbeiter eines Ministers ist, heißt das noch lange nicht, daß man deswegen nicht qualifiziert ist."' Wenn man einen öffentlichrechtlichen Rundfunk wolle, müsse man einen gewissen Parteien-Einfluß akzeptieren: „Wenn wir einmal eine politikfreie Politik und ein parteifreies Parlament haben, können wir weiterreden." ■ Interviews auf den Seiten 2 und 3

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung