Sehnsucht nach dem Tiger

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Am 18. November feierte er seinen 75. Geburtstag. Dass er um seinen runden Geburtstag herum ein wenig aus der medialen Versenkung heraustrat, in die er seit seiner Emeritierung 1994 geraten war, tat der jüngsten Debatte um den ORF gut: Obwohl Gerd Bacher, der "Mister ORF" schlechthin, seit sechs Jahren nicht mehr im Geschäft ist, sind seine Zwischenrufe immer noch mehr von öffentlich-rechtlicher Sub-stanz geprägt als viele der Diskussionsbeiträge, die in den letzten Wochen zum Thema ORF in die dünne Luft der Innenpolitik losgelassen wurden.

"Vom Monopol zum Marktführer" lautete der Slogan der letzten Ära Bacher beim ORF. Ein richtiges Motto, zumal man sich bei Gerd Bacher sicher sein durfte, dass er wusste, was "öffentlich-rechtlich" bedeutet. Die Nachfolger verschrieben sich dem Diktat der Quote und setzten von Vera bis Taxi orange auf vieles, was anderswo den Kommerzsendern vorbehalten ist.

Auch Gerd Bacher ist der Boulevard keineswegs fremd: Mit seinem Print-Engagement in den fünfziger und sechziger Jahren - beim Bild-Telegraph und beim Express - zeugt davon. Dass er aber in seinen drei ORF-Ären (1967-74, 1978-86, 1990-94) aus der öffentlich-rechtlichen Anstalt nicht einen Vorläufer von RTL & Co machte, sondern ein Gespür für den gesellschaftlichen Auftrag bewahrte, kann nicht genug gewürdigt werden. Natürlich ist 2000 nicht 1968, als der ORF sich um die Regierungsräson wenig pfiff und den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die damalige CSSR publizistisch, radiophon und televisionär konterkarierte. Auch musste sich der spätere Gerd Bacher sehr wohl mit den politisch Mächtigen der Kreisky- und der Nach-Kreisky-Zeit arrangieren (der SPÖ-Kanzler hatte ihn 1974 zunächst ja ziemlich rüde, aber, wie die Geschichte zeigt, letztlich erfolglos aus dem ORF hinausexpediert).

Der ORF, den Gerd Bacher so lange geprägt hat, steht heute mehr denn je in einer lebensgefährlichen Auseinandersetzung. Wenn sich die gegenwärtige Regierung daran macht, die heimische Anstalt umzukrempeln, wäre Bachers Expertise mehr als notwendig - schon allein deshalb, damit die dumme Idee, den ORF an die politisch und wirtschaftlich begehrlichen Interessenten zu verteilen, endlich durch vernünftigere Vorschläge ersetzt wird.

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