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Programm pflegen!

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„Das tägliche ,Spektakel' sollen gute Programme sein, alles andere - das sollte man dem Generalintendanten für die neue Funktionsperiode ins Stammbuch schreiben - ist ungesund.“ Mit diesen Worten schloß Helmut Lenhardt seinen Beitrag auf dieser Seite. Wie müßten „gute Programme“ aussehen? Wir erteilen dem ehemaligen FURCHE-Chefredakteur Hans Magenschab, Autor eines sachkundigen Buches und vieler Artikel über den ORF, dazu das Wort.

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„Das tägliche ,Spektakel' sollen gute Programme sein, alles andere - das sollte man dem Generalintendanten für die neue Funktionsperiode ins Stammbuch schreiben - ist ungesund.“ Mit diesen Worten schloß Helmut Lenhardt seinen Beitrag auf dieser Seite. Wie müßten „gute Programme“ aussehen? Wir erteilen dem ehemaligen FURCHE-Chefredakteur Hans Magenschab, Autor eines sachkundigen Buches und vieler Artikel über den ORF, dazu das Wort.

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Jeder redet von Personen - niemand redet vom Programm. Die Generalintendantenbestellung ist ein österreichisches Gesellschaftsspiel geworden. Dabei müßte man auch in der Öffentlichkeit Interesse daran haben, zu erfahren, welche Programmphilosophie der künftige Generalintendant verfolgt - weil er immerhin die Richtlinienkompetenz hat.

Der ORF hat seit seiner ersten Reform 1966/67 deutlich zwei Tendenzen entwickelt - wohin führt ihn sozusagen die dritte Phase?

Als Gerd Bacher 1967 bestellt wurde und einen Koalitionsfunk übernahm, stellte er sich zur Aufgabe, den demokratischen „Nachholprozeß“ über die Medien zu bewirken. Immerhin war die große Koalition erst zu Ende gegangen, in der nicht Konfrontation der Standpunkte, sondern „Packelei“ und Proporz das Klima bestimmten. Über die Medien sollten die politischen Gegensätze deutlich sichtbar werden; der Staatsbürger sollte in die Lage versetzt werden, sich durch die Offenlegung der Stärken und Schwächen der Parteien ein Urteil zu bilden; die angelsächsische Demokratievorstellung sollte sozusagen über den ORF in Österreich verfestigt werden.

Das schien Bacher die wichtigste Aufgabe des ORF. Er bildete einen

Schwerpunkt in der Informationspolitik. Die ORF-Reporter wurden ausgeschickt, Licht in die Parteisekretariate zu bringen: Man stellte unangenehme Fragen, sekkierte die Politiker mit Fragespielchen, redete die Politik in unendhch vielen pohtischen Diskussionen fast zu Tode - und machte jene Pohtiker zu Stars, die das Medium Fernsehen optimal beherrschten. Am Ende konnte man sich rühmen, daß man Bewegung und frischen Wind in die politische Landschaft Österreichs getragen hatte! Die Zahl der Wechselwähler wuchs schlagartig an.

Als Otto Oberhammer Generalintendant wurde, stand kurz vorher ein Wunsch des Kanzlers im Vordergrund: Fernsehen habe primär der Unterhaltung zu dienen, es habe als Mittelpunkt des österreichischen Abends Spaß und Frohsinn in die Herzen der Österreicher zu pflanzen. Also machte man das „Schienenprinzip“ zum wichtigsten Programmauftrag; die beiden Fernsehprogramme kontrastierten einander und boten die Möglichkeit, fast immer ein Stückchen Unterhaltung allen anderen Programmsparten vorzuziehen.

Heimlich, still und leise vollzog sich allerdings in den letzten Jahren ein Umstellungsprozeß. Und in gewissem Sinn war es die Schwäche des Generalintendanten Oberhammer und die Stärke der programmproduzierenden Bereiche des ORF, daß etwa Bildungsund Kulturfragen stärker in den Mittelpunkt rückten. Opern- und große Theaterübertragungen hatte es früher ja fast nie gegeben. Und obwohl natürlich auch Quizspiele, Shows und Unterhaltungsserien nach wie vor im Programm sind, ist der Anteil von heimischen, österreichischen Produktionen ständig im Wachsen begriffen.

Und hier müßte wohl die Entwicklung weitergehen - ja, man müßte geradezu verhindern, daß jetzt wieder eine neue Phase mit neuen Programmphilosophien Gewachsenes unterbricht. Was eine „dritte Stufe“ des ORF erreichen müßte, wäre die Vertiefung von Bildungs- und Kulturvermittlung; Geschmacks- und Niveau-anhebung. Man hat zunehmend Kultur „auf Samtpfoten“ ins Programm geschwindelt. Heute haben einige Kultursendungen geradezu sensationelle Einschaltziffern, was freilich nicht als besonders spektakuläres Ergebnis gilt.

Eigentlich kann es aber kaum Aufgabe einer Rundfunkanstalt sein, immer nur aufregend zu sein - oder auch nur unterhaltend. Das wichtigste Medium hat eine „nationale“ Pflicht, und der ORF muß sich auch nicht aus Konkurrenzgründen wie manche Boulevardzeitung am unteren Rand des guten Geschmacks bewegen. Er ist weder Pohtikersatz noch Amüsiermaschinerie.

Und für eine alte/neue Programmphilosophie sind die Weichen eigentlich schon gestellt. Es gilt, das im Ansatz richtig Erkannte fortzusetzen.

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