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„Maronibrater” gegen Bacher

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In einem für Rundfumkangestellte nicht sonderlich guten Deutsch wollten sie gegen den Generalintendanten des österreichischen Rundfunks zu Felde ziehen: Vier Betriebsräte des Studios Wien, die mit einem Rundschreiben an die ORF-Ange- stellten eine Herbstkampagne einleiteten, beschuldigten ihren Chef Bacher der „Nichteinhaltung von Gesetzen und Verträgen” und des „eklatanten Vertragsbruches”. Der vorerst vorläufige Stand: Bacher reichte vor dem Einigungsamt gegen die vier Betriebsräte den Antrag auf Entlassung ein, weil — so Rundfunkanwalt DDr. Stern — „jedes Unternehmen der Ordnung als Grundlage seiner Existenz bedarf”.

Die „Ordnung vereitelt” haben die unruhigen Betriebsräte in Wien schon seit längerer Zeit.

Schon, als Gerd; Bacher mit. den Stimmen der ÖVP-Aufsichtsaräte sowie dar Vertreter von Kunst, Wissenschaft, Sport und Kirchen im ORF- Aufsichtsrat in die Angentinierstraße einzog, stellten sich vor allem die sozialistischen Betriebsräte gegen ihn. Man zitierte eifrig die Äußerungen, die der Journalist Bacher als Kolumnist der Illustrierten „Stern” früher über den Rundfunk, besonders aber über die sogenannte Freie Betriebsvereinbarung getan hatte. Bacher sprach damals von diesem „Spezialtarif” in sozialrechtlicher und gehaltsmäßiger Hinsicht recht abfällig; den Geist dieser Maximaltat an Sozialschutz mit einem geradezu archaichen Zulagen- und Zugabensystem für die Dienstnehmer belegte der Badiersche Stil mit dem Omans „Lainzer Fünfkampf Staffel” und „Unternehmergenie eines Maronibraters”.

Bacher versuchte als Generalintendant schon bald, die Auswüchse der sogenannten „FBV” au beschneiden und an die Stelle des leistungshemmenden Tarifwerks modernere Lei- stungsfoestimmungen zu setzen. Dabei folgten ihm die meisten Zentralbetriebsräte. Diese Zentralbetriebsräte stammten zum Großteil aus den Länderstudios und den verschiedenen örtlichen Betriebsstätten. Und in diesem obersten betriebsrätlichen Gremium ist der Majorz der Sozialisten nicht allzu deutlich ausgeprägt.

Nur in Wien blieb im Rundfunk die Stimmung frostig. Das starke Studio Wien unter einem sozialistischen Landesintendanten fühlt sich im Zentralbetriebsrat unterrepräsentiert und verschoß ab Frühjahr 1969 seine Pfeile nicht allein gegen Bacher, sondern gleichermaßen gegen die Zen- trallbetriebsräte — vor allem gegen die aus den Bundesländerstudios.

Eskalierung zur Ehrenbeleidigungsklage

Immer deutlicher aber forcierte sich der Betriebskonflikt auch zu einem politischen Streitfall. Bald war klar, daß der Widerstand gegen den gehaßten Bacher vor allem von der Fraktion sozialistischer Gewerkschafter ausging. Denn schon im März 1968 hatte der Generalintendant versucht, den sozialistischen Obmann Ing. Erich Dorn zu „heben”. Damals schaltete sich sogar Gewerk schaftspräsident Benya ein und rettete seinen Parteifreund im ORF. Doch ein Jahr später gelang der Schlag gegen Dorn. Der Fraktionsobmann machte den Fehler, Unterlagen des Rundfunks, die Ihm auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit zugänglich waren, zu photokopieren und an die Löwelstraße, das sozialistische Hauptquartier, zu schicken. Dom gab seine Handlungsweise zu, und die Entlassung war nur noch eine Frage von Stunden. Angesichts der Sachlage schwieg auch die gesamte SPÖ, die sich vorher bereits hinter ihren Obmann stellen wollte. Die Widerstandszelle gegen die ORF- Führung ist heute die Gewerkschaft Kunst und freie Berufe, deren Obmann Schweinzer Drahtzieher und Organisator der Betriebsratsaktionen sein soll.

Er soll auch den Plan ausgeheckt haben, gegen Bacher auf Grund von Äußerungen die Ehrenbeleidigungsklage einzutoringen. Denn Bacher soll Dienstnehmerinnen als „Trutschen” und „Pritschen” bezeichnet haben Juristen freilich geben diesen wiederum vom Studio Wien ausgehenden Aktionen vor dem Ehrenbeleidigungsrichter wenig Chancen. Zentralbetriebsräte — an der Spitze der Obmann Himer — attestieren Bacher, daß die Äußerungen nicht auf konkrete Dienstnehmerinnen gemünzt waren.

Gegen die noch immer renitenten Betriebsräte im Studio Wien soll nun die Entlassung via Einigungsamt eingeleitet werden.

Streitfall Arbeitsplatzbewertung?

Mittlerweile allerdings verschlechtert sich zusehends das Betriebsklima in den Wiener Betriebsstätten. Zwar erhält Bacher bei Betriebsversammlungen obligaten Applaus, doch hört man aus den ORF-Betriebsstätten üble Kunde. Ein Streik soll angesichts dieser Unruhe nicht außer Betracht stehen.

Die Problematik wird insofern verschärft, als die derzeitigen Betriebsratsaktionen nicht allein von den Sozialisten getragen werden. Der Wiener Betriebsratsabmann und von der Entlassung bedrohte Prof. Karl Müller versichert, daß parteifreie und auch ÖVP-Betriebsräte hinter ihm stehen. Denn auch eine vom Bannfluch der Entlassung bedrohte Betriebsrätin gehört zum ÖAAB.

Die ÖVP-Aufsichtsratsfraktion allerdings ist es, die Bacher unvermindert die Stange hält. Angesichts so heftiger Konflikte prophezeien Kenner der Situation einen heißen Weg bis zum 1. März auch im Rundfunk. Die Sozialisten sollen ernstlich entschlossen sein, Bacher zu einem „Fall” zu machen und ihn als Wahlkampf- öbjekt zu benützen.

Eine Entscheidung wird nämlich schon bald heranreifen, wenn die Beratungen über die Arbeitsplattbewertung für die Dienstnehmer abgeschlossen sind. Die Gegner Bachers hoffen, die Unzufriedenheit dann weiter zu eskalieren. Bei der erprobten „Maronibrater”-Mentalität rechnet man sogar mit einem baldigen Streik.

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