Seit 138 Tagen sitzt ein Sozialist am Ballhausplatz, ein Sozialist regiert im Stadtpalais des Prinzen Eugen, im Finanzministerium. Tatsachen, die noch vor wenigen Monaten einem Teil der Österreicher — ja wahrscheinlich einer Mehrheit — unvorstellbar waren. Bundeskanzler und Finanzminister: das waren und sind beim kleinen Mann die Garanten der Sicherheit, der wirtschaftlichen Stabilität, das sicheren Schillings. Das waren Raab und Karnitz, das waren Klaus als Bundeskanzler und Koren als Wirtschaftsprofessor im Finanzressort: fast Symbole der Sicherheit für Sparkonto und Sparstrumpf,
Das Lächeln verschwand beim Hinausgehen: An einem sonnigen Freitag trennten sich die Sozialpartner nach ihrer Unterschrift unter den Generalkollektivvertrag, der den Österreichern die 40-Stunden-Woche bescheren soll, mit Groll. Denn zur gleichen Zeit war bereits ein Brief des ÖGB an den Bundeskanzler unterwegs. Tenor dieses Schreibens: Entweder Bacher wird im ORF zur Räson gebracht oder die Sozialpartnerschaft wankt. (Siehe auch unseren Spitzenquerschnitt auf Seite 2.)
Zwei Uniformierte schleppen einen Mann durch ein imaginäres rotes Feld: auf Niederösterreichs Plakatwänden wird der Olah- Zwischenfall plakativ „nachempfunden”. Im Landhaus in der Herrengasse soll dasselbe wie am nahen Rathausplatz nicht geschehen. Mit einem Wort: der Wahlkampf im größten Bundesland ist voll entbrannt.
In einem für Rundfumkangestellte nicht sonderlich guten Deutsch wollten sie gegen den Generalintendanten des österreichischen Rundfunks zu Felde ziehen: Vier Betriebsräte des Studios Wien, die mit einem Rundschreiben an die ORF-Ange- stellten eine Herbstkampagne einleiteten, beschuldigten ihren Chef Bacher der „Nichteinhaltung von Gesetzen und Verträgen” und des „eklatanten Vertragsbruches”. Der vorerst vorläufige Stand: Bacher reichte vor dem Einigungsamt gegen die vier Betriebsräte den Antrag auf Entlassung ein, weil — so Rundfunkanwalt DDr. Stern — „jedes Unternehmen der
10 Prozent haben schon einmal anders gewählt, 8 Prozent haben sich der Stimme enthalten oder ungültig gewählt: die Mitglieder einer ÖVP-Sektion in Neu-Kagran. In diesem einstigen Arbeitervorort im halb ländlichen Milieu stehen heute moderne Montagebau-Gemeindewohnblocks. Und dort erhoben einige junge Soziologen unter der Leitung von Dr. Gerhard Silberbauer in praktisch privater Initiative Struktur, Meinung und politisches Verhalten der dort ansässigen ÖVP-Parteimitglieder.
Österreichs ehrwürdiges Ministerium des Unterrichts hat einen neuen Chef: Dr. Alois Mock, mit 36 Jahren nicht nur der jüngste Minister dieser Regierung, sondern der jüngste Minister, den die Zweite Republik bisher erlebte.
Harold Wilson hat es noch einmal geschafft. Die Front in seiner alleinregierenden Labour Party ist in sich zusammengebrochen, die „Bebellen“ sind vorläufig bloßgestellt. Was aber Wilson am letzten Wochenende passierte und woran de Gaulle am vorletzten Wochenende scheiterte, waren Symptome der Abnützung. Abnützung von Regierungen und Spitzenpolitikern, die Alleinverantwortung tragen.Und was Wilson in seiner Partei widerfuhr und de Gaulle in einer Volksabstimmung erleiden mußte, war zum gleichen Zeitpunkt auch in Österreich der alleinregierenden ÖVP unter ihrem Kanzler Dr. Josef Klaus passiert. In Wien hatte die Regierungspartei Österreichs ihre bisher massivste Niederlage seit dem 6. März 1966 einstecken müssen. Ihr Index sank von 100 auf 82.
Das Parlament nähert sich der Endspurtkurve. Der Rahmen der größeren Sachvorhaben wurde von der Regierungspartei abgesteckt und ansonsten wird das Budget 1970 ordnungsgemäß im Herbst 1969 eingebracht und verabschiedet werden.
Der Vorschlag ist populär.Keine Frage, eine Flut steigender Wahlkampfwogen droht von Wähl zu Wahl den Staatsbürger zu ersticken. Die „Werbungskosten“ der Demokratie werden immer höher und finden wenig Verständnis in der Bevölkerung. Deshalb hat die Opposition den plausiblen Vorschlag gemacht, die Wahlkämpf kosten zu begrenzen. Die ÖVP hat unter Vorbehalt grundsätzlich Verhandlungen darüber begrüßt
„Es darf in Zukunft keine obrigkeitsstaatliche Gesinnung mehr geben.”„Beseitigung verlogener, gesetzlicher Postulate, wie sie sich in einzelnen Jugendschutzgesetzen finden.”„Wer das Entstehen einer doppelten Moral fördert, untergräbt das Vertrauen in den Staat und seine Einrichtungen.”„Der Beamte ist Mensch, aber nicht Übermensch.”Das sind Kernsätze eines Forde- rungskataloges der österreichischen Jugendbewegung, der Jungen Generation der Volkspartei, der sich weniger an die Allgemeinheit oder an d n politischen Gegner wendet, sondern für die eigenen Reihen geschrieben
Österreichs Fremdenverkehr geht einem fetten Sommer entgegen: waren im letzten Jahr angesichts der europäischen Wirtschaftsrezession etwa um 4,2 Prozent weniger Bundesdeutsche in das südliche Nachbarland Österreich gefahren, so zeigt sich nun der alte Trehd im Reiseverkehr. Österreich steht wieder an der Spitze der europäischen Urlaubserwartungen. Zwei Momente spielen eine gewisse Rolle.Die Ereignisse in Frankreich haben vor allem beim amerikanischen Publikum zu Umbuchungen geführt. Ein großer Teil dieser Umbuchungen geht zugunsten Italiens, Österreichs und der Schweiz.In Deutschland