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„Schwarze Wurstln” mit Ideen

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„Es darf in Zukunft keine obrigkeitsstaatliche Gesinnung mehr geben.”

„Beseitigung verlogener, gesetzlicher Postulate, wie sie sich in einzelnen Jugendschutzgesetzen finden.”

„Wer das Entstehen einer doppelten Moral fördert, untergräbt das Vertrauen in den Staat und seine Einrichtungen.”

„Der Beamte ist Mensch, aber nicht Übermensch.”

Das sind Kernsätze eines Forde- rungskataloges der österreichischen Jugendbewegung, der Jungen Generation der Volkspartei, der sich weniger an die Allgemeinheit oder an d n politischen Gegner wendet, sondern für die eigenen Reihen geschrieben ist’

Die ÖJB muckt auf. Der brave schwarze „Pik-Bub” will es den schon längst radikalen roten Buben gleichmachen.

Denn die Jugendbewegung wehrt sich zunehmend „gegen jene, die von Politik für die Jugend sprechen, ihr aber das politische Mitspracherecht verweigern” — und die sitzen unzweifelhaft in den Reihen der hündischen Volkspartei.

Lange Zeit war die Jugendbewegung der Regierungspartei nichts anderes als ein Feigenblatt bei Parteitagen, bei denen man der Optik wegen auch den Vertretern der Jungen Generation einen Präsidiumsplatz anbot. Man ließ die Jugend auch Jugend- und Wählerparlamente veranstalten und da und dort mit Fahnen attraktiv aufmarschieren.

Einfluß erhielt sie keinen, ein vierter Bund (neben Wirtschafts-, Bauern- oder Arbeiterangestelltenbund) wurde die ÖJB nie.

„Berufsjugendliche”

Aber die ÖJB wurde auch nie zur eigentlichen Nachwuchsorganisation der ÖVP, aus der die Politiker zu Mandaten und Funktionen gelangten. Vielmehr wurde der Parteijugend überhaupt das Recht abgesprochen, Exklusivnachwuchs für den politischen Apparat zu stellen. Denn aus den katholischen Verbänden, aus dem CV und MKV kamen erheblich mehr jüngere Funktionäre der Volkspartei als aus der Jugendbewegung. So kapselte sich die ÖJB immer mehr ab und war schließlich sogar ängstlich darauf bedacht, möglichst wenige Mitglieder an die Sektionen, Bezirke und hündischen Gliederungen abzugeben. Als die ÖJB sich außerdem über die Mittel aus dem Bundesjugendplan selbst finanzierte, wurde sie vollends ein Staat im Staat, an dessen Spitze längst zum „Establishment” gewordene „Berufsjugendliche” standen, die sich dem 40. Lebensjahr näherten.

Trotz der eigenartigen Entwicklung war es bisher erstaunlich, daß die Jugendbewegung die Hintansetzungen durch die Parteispitze in den Ländern und Im Bund in Disziplin hinnahm. Der Bundesobmann konnte auch kaum ein einziges Mal die Bundesparteileitung für Forderungen der Parteijugend erwärmen. Auf dem Wiener Landesparteitag stimmten die Delegierten praktisch alle Anträge der Jugendbewegung nieder. Und bei den letzten Nationalratswahlen zogen die ÖJB-Funk-tionäre von Wahlkreis zu Wahlkreis, um ihren Obmann DDr. Fritz König nur irgendwo auf einer Liste unterzubringen. Nicht einmal eine Reihung an letzter Stelle war möglich. Einziger Zwischengewinn: Vor wenigen Wochen wurde Bundessekretär Senekovic als Repräsentant der Volkspartei Geschäftsführer der quantitativ ausreicht, um ein Grundmandat zu ergattern

Fort mit „Hinterbänklern”

So ist es nicht verwunderlich, daß irgendwann die Flucht nach vorne ergriffen wurde. Denn in der Volkspartei redet man seit geraumer Zeit von der „Verjüngung”, ohne jedoch konkret anzuzeigen, ob und wie die Parteijugend zum Zuge kommen könnte.

Nun versuchen sich die jungen Bataillone zu formieren. Sie fordern eine Wahlrechtsreform, die für die Hälfte der Abgeordneten Wahl in Einer-Wahlkreisen nach dem Per- sönlichkeitswahlrecht versehen würde. Für Regierungsmitglieder sollen ebenso wie für Mandatare, die länger krank sind, Ersatzabgeord- nete bestellt werden. Die Staatssekretäre sollen nicht mehr vom persönlichen Wohlwollen ihres Ministers abhängen, die Nationalratsabgeordnetenfraktion soll von den „Hinterbänklern” gesäubert werden.

So spitzen sich die Reformvorschläge der „jungen Schwarzen” auf Personalreformen zu — und auf einen Gesinnungswandel in der ÖVP: „Denn wer neue Ideen vertritt, muß noch lange kein Wurstel sein…”

Vizekanzler Withalm hat aber neuerdings abgeblockt: eine Wahlrechtsreform kommt in dieser Legislaturperiode sicher nicht mehr in Frage…

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