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Jeder Wahlkampf hat seinen Preis

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Der Vorschlag ist populär.Keine Frage, eine Flut steigender Wahlkampfwogen droht von Wähl zu Wahl den Staatsbürger zu ersticken. Die „Werbungskosten“ der Demokratie werden immer höher und finden wenig Verständnis in der Bevölkerung. Deshalb hat die Opposition den plausiblen Vorschlag gemacht, die Wahlkämpf kosten zu begrenzen. Die ÖVP hat unter Vorbehalt grundsätzlich Verhandlungen darüber begrüßt

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Der Vorschlag ist populär.Keine Frage, eine Flut steigender Wahlkampfwogen droht von Wähl zu Wahl den Staatsbürger zu ersticken. Die „Werbungskosten“ der Demokratie werden immer höher und finden wenig Verständnis in der Bevölkerung. Deshalb hat die Opposition den plausiblen Vorschlag gemacht, die Wahlkämpf kosten zu begrenzen. Die ÖVP hat unter Vorbehalt grundsätzlich Verhandlungen darüber begrüßt

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Die erste Grundfrage scheint allerdings, ob ein solches Abkommen freiwilligen Charakter haben soll, ihm auch die kleinen Parteien (die etwa gar nicht in einer gesetzgebenden Körperschaft vertreten sind) beitreten oder ob eine gesetzliche Regelung vorzuziehen sei. Im Ausland kennt man sowohl freiwillige Abkommen wie gesetzliche Regelungen, die ia Österreich bis dato fehlen, sieht man vom Wahlschutzgesetz und von den einschlägigen Regelungen des Straf- und Pressegesetzes ab.

Jede Regelung wird aber nicht umhin können, festzustellen, wer durch die Regelung betroffen wird: etwa die Parteien oder aluch politische Vereine, sogenannte „Vorfeldverbände“ oder Deckorganisationen? Denn nur allzu leicht könnten die Parteden ihre Wahlwerburag ungestört über quasi Außenstehende abwickeln (oder sich über diese finanzieren lassen).

Schließlich: wie immer man die wahlwerbenden Parteien hinsichtlich ihres erlaubten Werbeaufwandes einstuft, wird man Ungerechtigkeiten nicht vermeiden können: geht man nach Mandatsstand vor oder baut man den „Kleinen“ eine bessere Startrampe? Immerhin: den Eindruck der Proporzierung wird man überhaupt nicht vermeiden können, weil die Medien eben nur nach Proporz aufgeteilt werden würden.

• Welche Begrenzungsmöglichkeiten existieren überhaupt? Der Plakatauifwand steigt von Wahl zu Wahl. Neben dem usuellen Anschlag auf konzessionierten Werbeflächen und -tafeln hat sich die Wildplaka-tierung durchgesetzt, die bei Nacht und Nebel von Trupps der Parteien durchgeführt wird. Da sich Plaka-tierungsfirmen immer mehr Flächen arrondieren, scheint gerade hier eine Begrenzung wünschenswert. Aber wie? Eine Möglichkeit, die in Frankreich praktiziert wird, besteht in der Zuweisung der möglichen Flächen an die Parteien und einem Anschlag-verbot auf alle übrigen Objekte. Aber wo steht der Polizist, wenn im Morgengrauen Bäume und Hausfassaden angeschmiert werden? Einen Vorschlag machte das Wiener Institut für Höhere Studien: demzufolge sollten zumindest gemeindeeigene Pdakatflächen entweder „po-litikfred“ bleiben oder nur ein reduziertes Quantum annehmen.

• Eine konkrete Beschränkungsmöglichkeit — die den Vorteil einfacher Konitrolle hätte — wäre die Begrenzung der Kinowerbung. Entweder wird gar kein oder nur jeweils ein Kurzfilm der Parteien in den Kinos igezeigt.

• Die Inserate verschlingen von Jahr zu Jahr mehr Geld der Parteien, Aber anderseits ist das Zeitungs-dnserat das klassische Medium, in dem Information geboten werden könnte, ohne Propaganda zu sein. Hier begrenzen wäre ein Kastrieren das sinnvollsten Stilmittels.

• Gemäß 4 Abs. 1 des Rundfuok-gesetzes isit Wahrwierbung in den Medien Hörfunk und Fernsehen möglich. Der Generalintendant hat dazu auch bereits Richtlinien erlassen: Die Parteien wardien bei Natio-nalraitswahlen gemäß ihrer Stärke-verhälitnisse im Parlament 125 Fem-sieh- und 240 Hörfunkminuiten erhalten. Die letzte Woche vor der Wahl soll aber überhaupt von Belangsendungen frei bleiben.

Freilich, Hörfunk- und auch Fernsehsendungen kosten nicht allzuviel und belasten kaum die Propagandabudgets.

• Wo also könnte man noch sparen? Etwa durch ein Verbot der Flugzeugwerbung, etwa durch ein Verbat des Einsatzes von Lautsprecherwagen, wie es in einigen deutschen Bundesländern erfolgt? Sicherlich trifft dies nicht den Kern der Begrenzung. Und auch die relativ teuren „sonstigen Werbemittel“, wie Zünder, Eiskratzer, Schlüsselketten und andere, sind hinsichtliah ihrer Ausgabe von Haus aus nicht kontrollierbar.

Bleibt als weiteres Problem, wieweit die Parteizentralen in einem heißen Wahlkampf tatsächlich ihre Lokalorganisaitdonen „in der Hand haben“. Denn die bisherigen Wahlübereinkommen (und fast vor jeder Wahl hat es solche gegeben) wurden noch jedesmal gebrochen und umgangen, weil die Zentralen nicht bis zum letzten Helfer gleichschalten konnten. So behält der Wahlkampf seinen hohen Preis. Allerdings: das Grundübel, das sich einem Begrenzungsabkommen entgegenstellt, liegt im Grundsätzlichen. Man nimmt in den Parteisekrataria-ten erat gar nicht an, daß der Gegner ehrlich sein könnte; und daß jeder Vorschlag, der am Tisch liegft nur dem „Hineinlegen“ dient und im Grunde eine „Augemauswische-rei“ sei.

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