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Im Parlament dafür und im Konsum dagegen

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Sozialdemokraten schütteln den Kopj. Genossen haben im Konsum Österreich all das genossen, was sonst nur die Mär von finstersten Kapitalistensitten zu erzählen weiß: Prügel, Kündigung. Und das alles nur, weil die rund 50köpfige Belegschaft des Heim werkerzentrums (HWZ) VOsendorf einen eigenen Betriebsrat gewählt hat. Die H WZ-Leute ließen sich nicht kleinkriegen. Jetzt wird den A ufmüpfigen durch die Blume mit der Sperre des Heimwerkerzentrums gedroht.

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Sozialdemokraten schütteln den Kopj. Genossen haben im Konsum Österreich all das genossen, was sonst nur die Mär von finstersten Kapitalistensitten zu erzählen weiß: Prügel, Kündigung. Und das alles nur, weil die rund 50köpfige Belegschaft des Heim werkerzentrums (HWZ) VOsendorf einen eigenen Betriebsrat gewählt hat. Die H WZ-Leute ließen sich nicht kleinkriegen. Jetzt wird den A ufmüpfigen durch die Blume mit der Sperre des Heimwerkerzentrums gedroht.

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Vom verzweifelten Kampf der HWZ-Belegschaft um eine eigene Arbeitnehmervertretung im Betrieb, so wie ihr dies das Arbeitsverfassungsgesetz zusichert, hat man auch in höchsten SPÖ-Etagen Kenntnis. Aber die an den SPÖ-Vorsitzenden Bruno Kreisky gerichtete Bitte, „diescheinbar unglaublichen Vorfälle zu überprüfen und wirksame Maßnahmen zur Wahrung unserer Arbeitsplätze zu treffen”, blieb unerhört.

Ebenso erfolglos stellten sich die Vorstöße der HWZ-Gewerkschafter bei ÖGB-Präsident Anton Benya heraus. Wobei Benya sogar ein doppeltes Machtwort sprechen könnte: Er ist gleichzeitig im Zentralkonsum Österreich Präsident des Aufsichtsrates.

Begonnen hat es damit, daß der ehemalige Betrieb „Fried! & Kuhnert” in Vösendorf vor rund zwei Jahren von der Konsumorganisation gekauft wurde. Seither firmiert der Betrieb als Heimwerkerzentrum Vösendorf.

Als der alte Betriebsrat zu Jahresbeginn darangehen wollte, die neuen Betriebsratswahlen vorzubereiten, erlebte die Belegschaft ihre Wunder.

Die ordnungsgemäß für 10. Jänner einberufene Betriebsversammlung, bei der auch der Wahlvorstand hätte gewählt werden sollen, wurde gesprengt: Alois Serini, Betriebsratsobmann der Arbeiter des Konsum Österreich Ost, hatte mit rund 30 Gefolgsleuten das Versammlungslokal besetzt.

Sein Ziel hatte er schon vorher ungeschminkt deponiert: die HWZ-Be-triebsratswahlen zu verhindern.

Betriebsratskaiser Serini fürchtete und fürchtet um seine Macht: Denn wenn das HWZ-Beispiel Schule macht, gäbe es im Konsum-Imperium mehr Betriebsräte, aber weniger allmächtige Männer.

Serini weiß etliche Gleichgesinnte, nicht aber unbedingt das Recht auf seiner Seite. Das Arbeitsverfassungsgesetz unterscheidet nämlich sehr genau zwischen Betriebsräten, die von der jeweiligen Belegschaft zu wählen sind, und Unternehmensräten, die aus dem Kreis der Betriebsräte als Zentralbetriebsrat gewählt werden.

Daher lautet die zentrale Streitfrage: Ist das Konsum-Imperium ein einziger Betrieb oder sind viele Einzelbetriebe in einem Unternehmen zusammengeschlossen?

Vorerst sollte die Frage handgreiflich gelöst werden: Zwischen den Serini-Leuten und der HWZ-Belegschaft kam es zu Tätlichkeiten, in deren Verlauf der knapp 160 Zentimeter große Heimwerker Karl Smolinsky, mit seinen 55 Kilogramm Körpergewicht nicht gerade ein Riese, nicht nur eine Platzwunde am Nasenrücken ahbekam, noch unangenehmer war für ihn, daß seine 12-Diop-trien-Brille dabei in Brüche ging. Der Schaden: 3800 Schilling.

Die verhinderte Betriebsversammlung endete mit Gendarmerieeinsatz und dem in einem gewerkschaftsinternen Aktenvermerk festgehaltenen Serini-Ausspruch, daß die „8000 Mitarbeiter der Konsumgenossenschaft so lange streiken werden, bis das HWZ verkauft wird”.

Doch die Heimwerker ließen sich nicht einschüchtern. Am 26. Februar holten sie nach, was am 10. Jänner vereitelt wurde - trotz neuerlicher Serini-Störaktionen.

Und am 14. März wurde gewählt. Da man weitere Serini-Aktionen erwartete, hatte der Wahlvorstand eine Wahl mittels Wahlkarten organisiert; die Auszählung der Stimmen sollte dort erfolgen, wohin auch die Briefwahlstimmen geschickt wurden: in der Mödlin-ger Arbeiterkammer. Lediglich der Wahlvorstand wollte um 9 Uhr im

HWZ wählen und dann in die Arbeiterkammer fahren.

Wenige Minuten vor 9 Uhr war Serini mit seinem Trupp zur Stelle und wollte gewaltsam das wahrmachen, was er angedroht hatte: unter allen Umständen die Wahl verhindern.

Ein HWZ-Mann wurde dabei krankenstandsreif geprügelt und Marktleiter Franz Galda rettete den ebenfalls anwesenden Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten (Nö), Gerhard Loibl, nur dadurch vor Schlimmerem, indem er den Serini-Leuten, die Loibl auf die Straße zerren wollten, Weg und Tür versperrte.

Die telefonisch herbeigerufene Gendarmerie machte dem Spuk ein Ende: Mit vier Streifenwagen eskortierte sie den Wahlvorstand zur Stimmenauszählung in die Mödlinger Arbeiterkammer. Das Ergebnis: 45 der 48 abgegebenen Stimmen entfielen auf die Liste „Sozialistische Gewerkschafter” unter HWZ-Betriebsratsobmann Theo Lehner.

So weit, so nicht gut. Doch damit war noch lange nicht alles ausgestanden.

Immer hartnäckiger hielt sich das Gerücht, daß Marktleiter Galda, was ihm schon am Wahltag angedroht wurde, entlassen oder versetzt werden sollte.

Doch die Belegschaft solidarisierte sich mit ihm und kündigte ihrerseits an, den Betrieb am 25. März nicht aufzusperren. Die Solidarität zeigte Wirkung: Wenige Minuten vor 9 Uhr kam von Direktor Walter Eiseisbrecher die Mitteilung, daß gegen Galda nichts unternommen wird.

Ein anderer HWZ-Mann, Roman Rint, zugleich Hauptzeuge der diversen Schlägereien, meldete sich am 14. April nach einem neuntägigen Urlaub, den er im Ausland verbrachte, arbeitsbereit im Heimwerkerzentrum

Er wurde von Karl Rammet, ebenfalls Konsum-Marktleiter, nach Hause geschickt. Grund: Rint sei zwischenzeitlich gekündigt worden. Weil er aber auf Urlaub war, konnte ihm das Kündigungsschreiben nicht zugestellt werden.

In einer Aussprache von Gewerkschaftsvertretern mit Direktor Eiseisbrecher am 15. April, wurde diese Kündigung zurückgenommen. Vielleicht auch deswegen, weil der Kündigungsgrund recht fadenscheinig geklungen hat. Angeblich sei Rint zu Kunden frech gewesen, wofür bislang allerdings keine konkreten Beschwerden vorgelegt werden konnten.

Freilich traut die Belegschaft dem Frieden nicht: man fürchtet in diesen Tagen neue Maßnahmen gegen Rint. . Besonders skurril ist aber der dritte Fall: die fristlose Entlassung von Karl Smolinsky per 11. März.

Smolinsky wird Diebstahl vorgeworfen: Er hatte eine Holzplatte in der Größe von 60 mal 40 Zentimeter im Wert von rund 50 Schilling an einen Kunden verschenkt.

Am 16. April, also am Mittwoch der Vorwoche, fand in diesem Fall die erste Tagsatzung vor dem Arbeitsgericht statt. Wie es weitergehen wird, weiß niemand. Auch Smolinsky nicht.

Er weiß nicht einmal, wie er einstweilen seinen Lebensunterhalt bestreiten kann: Der dreifache Familienvater, dessen Frau noch dazu im Karenzurlaub ist, zehrt von Ersparnissen und Zuwendungen seiner Kollegen. Arbeitslosengeld steht ihm erst nach 28 Tagen zu.

Was für den Konsum Diebstahl ist, ist für viele andere Heimwerkerbetriebe Kundenservice: Kleinigkeiten und Abfälle werden durchaus verschenkt, auch im HWZ war das in der Vergangenheit üblich. Doch nun herrscht ein neuer Ton.

Ein Ton übrigens, der Schlimmes befürchten läßt: Während alle anderen Heimwerkerbetriebe wahre Goldgruben sind, soll, so Konsum-Direktor Thomas Lachs, das HWZ in den roten Zahlen sein.

Zwar hoffe das Konsum-Management auf eine Wendung zum Besseren, doch „sollten unsere Hoffnungen enttäuscht werden, müßten wir allerdings die Räume anderweitig verwenden”, schreibt Lachs stellvertretend für Benya an besorgte Gewerkschafter.

Dann würden sich die Konsum-Probleme mit den Aufmüpfigen von selbst lösen. Vielleicht glaubt jemand sogar, daß dies die eleganteste Lösung wäre.

Die H WZ-Leute machen sich auf einiges gefaßt. Aber sie verstehen nicht, warum jene, die im Parlament für Betriebsräte auftreten, im Konsum dagegen sind.

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