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Keine Spur von „Freundschaft!“

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Mehr Mitbestimmung für die Arbeitnehmer ins Gesetz! Diese Forderung wird auch und besonders von Sozialisten erhoben. Die sozialistischen Betriebsräte im Konsum- Heimwerkerzentrum (H WZ) Wien-Vösendorf bezweifeln freilich seit Jahresfrist, ob dies das Papier wert ist, auf denen die schöne Theorie gedruckt steht. Im lupenrein sozialistischen Konsum gelten in der Praxis offensichtlich ganz andere Gesetze.

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Mehr Mitbestimmung für die Arbeitnehmer ins Gesetz! Diese Forderung wird auch und besonders von Sozialisten erhoben. Die sozialistischen Betriebsräte im Konsum- Heimwerkerzentrum (H WZ) Wien-Vösendorf bezweifeln freilich seit Jahresfrist, ob dies das Papier wert ist, auf denen die schöne Theorie gedruckt steht. Im lupenrein sozialistischen Konsum gelten in der Praxis offensichtlich ganz andere Gesetze.

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FURCHE-Lesern ist die Vorgeschichte bekannt: Weil sich die Arbeitnehmer im Vösendorfer Heimwerkerzentrum nicht dem bis dahin allmächtigen Arbeiter-„Betriebsratskaiser“ im Konsum, Alois Serini, unterwerfen wollten, sondern im Einklang mit dem geltenden Arbeitsverfassungsgesetz im Frühjahr 1980 einen eigenen Betriebsrat gewählt haben, erfuhren sie, wie leicht sich der Parteigruß „Freundschaft!“ ins Gegenteil verkehrt.

Nach einem Gewaltakt, die HWZ- Wahl mit Drohungen und Schlägen zu verhindern, versuchte man die Heimwerker durch willkürliche Kündigungen in die Knie zu zwingen und von ihrem Betriebsrat abzubringen.

Nicht zuletzt durch die FURCHE, die die Vorfälle und dieses Unrecht aufgegriffen hat, konnte vorerst das Schlimmste verhindert werden. Der Fall beschäftigte sogar das Parlament, eine Flut von Anzeigen die Staatsanwaltschaft.

Da freilich alle Hilferufe der HWZ- Vertreter an SPÖ-Parteichef Bruno Kreisky und ÖGB-Präsident Anton Benya, gleichzeitig auch Präsident des Konsum-Aufsichtsrates, ungehört verhallten, hofften die Heimwerker zuletzt noch auf die Broda-Justiz: ein Hoffen in Ungeduld.

Im März 1981 rißdannöAAB-Gene- ralsekretär Walter Heinzinger die Geduld und er fragte bei Justizminister Christian Broda an, wie denn die strafbaren Handlungen, mit denen die Vösendorfer Wahlen zu verhindern versucht wurden, geahndet worden wären. Denn in Konsum-Kreisen machte bereits das Gerücht die Runde, daß die ungute Angelegenheit einschlafen werde.

Die Heinzinger-Anfrage bewirkte da scheinbar ein kleines Wunder: Broda ließ am 18. Mai nunmehr den oppositionellen Abgeordneten wissen, daß die Staatsanwaltschaft Wien beim Landesgericht für Strafsachen Wien am (siehe ’da!) 16. April den Strafantrag „gegen Alois Serini und 14 weitere Betriebsräte des Konsum Österreich wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15 (Strafbarkeit des Versuchs), 105 Abs. 1 Strafgesetzbuch (Nötigung), gegen einen Beschuldigten auch des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 285 Z. 2 Strafgesetzbuch sowie gegen Alois Serini und einen weiteren Beschuldigten auch wegen der Verhinderung oder Störung einer Versammlung nach § 285 Z. 2 Strafgesetzbuch eingebracht“ hat.

Just zu dem Zeitpunkt aber, zu dem Heinzinger vom Justizminister Auskunft verlangte, begann sich auch Konsum-intern etwas zu rühren. HWZ-Be- triebsratsobmann Theo Lehner wurde von Konsum-Direktor Walter Eiseisbrecher mit'der schier unglaublichen Nachricht konfrontiert, daß das HWZ- Jahr 1980 bei einem Umsatz von rund 78 Millionen Schilling mit einem Fehlbetrag von rund 14 Millionen abgeschlossen haben soll. Und dies in einem Jahr, in dem überall das Heimwerkergeschäft wie nie zuvor blühte.

Verwunderlich nicht nur, daß dieser enorme Fehlbetrag den verantwortlichen Konsum-Managern nicht schon früher aufgefallen wäre, verwunderlich erst recht, wie Waren in diesem Wert so unbemerkt verschwinden konnten: da hätten mehrere Lastwagenzüge in Vö- sendorf an- und abfahren müssen.

14 Millionen Schilling: das wäre das Material für 30 bis 40 Rohbauten.

Am letzten Maiwochenende versuchte man nun mit einer außerordentlichen Inventur im Heimwerkerzentrum dem Unerklärlichen auf die Spur zu kommen. HWZ-Betriebsratsob- mann Lehner fürchtete nicht die Inventur, sondern befürchtete nur, „daß das die letzte Inventur sein könnte“.

Denn daß der Vösendorfer Bastlerladen im Gegensatz zu allen anderen derartigen Goldgruben und trotz einer Umsatzsteigerung von zehn Prozent im Vorjahr gefährdet sein soll, hat Konsum-Direktor Thomas Lachs im Rahmen des Betriebsratskriegesschon 1980 als Rute ins Fenster gestellt. Hellseherisch schrieb er damals Gewerkschaftern (FURCHE 17/1980), daß man zwar auf eine Wendung zum Besseren hoffe, doch „sollten unsere Hoffnungen enttäuscht werden, müßten wir allerdings die Räume anderweitig verwenden“.

Und so das Heimwerkerzentrum geschlossen würde, würde auch dem unliebsamen Betriebsrat und der Belegschaft, die ihm vertraut, endgültig der Boden entzogen.

Ihn auszuhungern hat man ohnehin schon versucht: Mit Jahresbeginn wurde die vom Konsum einbehaltene Betriebsratsumlage der HWZ-Arbeiter nicht mehr an den Betriebsrat abgeführt.

Der Grund: Alois Serini erhob einfach Anspruch auf die Heimwerker- Schillinge.

Erst als die HWZ-Mannen wiederum den Rechtsweg einschlugen, funktioniert der Geldfluß seit April wieder. Die Beiträge für das erste Quartal 1981 hat allerdings mit 15. Mai vorerst das, Bezirksgericht Wien-Fünfhaus in Verwahrung genommen.

Was aber nichts daran ändert: Serini und die Konsum-Geschäftsleitung ließen auch das nicht unversucht, um den unliebsamen Genossen das Wasser abzugraben.

Fragt sich nur, wie wohl den Konsum-Delegierten in ihrer Haut gewesen sein muß, als sie beim letzten SPÖ-Par- teigab in Graz mit großer Begeisterung für mehr Mitbestimmung der Arbeitnehmer votiert haben. Denn die schärferen Sanktionen bei Nichteinhaltung der Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes würden jedenfalls im konkreten Fall gegen den Konsum Anwendung finden.

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