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Fehlgebremste Konjunktur

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Mit einem Rückzieher des Bautenministeriums endete kürzlich ein problematischer Versuch der Bundesregierung, die Dezembereingänge aus der Bundesmineralölsteuer nicht termingerecht auszugeben, sondern auf das Jahr 1971 zu übertragen.

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Mit einem Rückzieher des Bautenministeriums endete kürzlich ein problematischer Versuch der Bundesregierung, die Dezembereingänge aus der Bundesmineralölsteuer nicht termingerecht auszugeben, sondern auf das Jahr 1971 zu übertragen.

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Hätte man diesen Plan tatsächlich realisiert, wäre der Bauwirtschaft für längst erbrachte Leistungen im Straßenbau ein Betrag von beachtlichen 450 Millionen Schilling zunächst vorenthalten worden. Völlig unverschuldet wären die betroffenen Baufirmen dadurch in größte Zahlungsschwierigkeiten geraten und dies hätte zwingend eine Kettenreaktion ausgelöst, die vor allem die Baustofflieferanten und das Transportgewerbe mit aller Härte zu spüren bekommen hätten.

Das Verhängnis schien bereits unaufhaltsam seinen Lauf zu nehmen, als den Budgetisten des Bautenministeriums bei der monatlich stattfindenden Routinesitzung über die Geldzuweisung für das jeweilige Folgemonat mitgeteilt worden war, daß die Dezemberquote 1970 nicht zur Verfügung gestellt, sondern auf das Jahr 1971 übertragen werde. Diese vorweihnachtliche „Freudenbotschaft“ teilten die zuständigen Beamten des Bautenministeriums prompt ihren Kollegen draußen in den Bundesländern mit, wo diese Nachricht auch sofort hohe Wellen schlug. Ausgeblieben ist indessen die sonst in allen wichtigen Fällen übliche schriftliche Mitteilung im Erlaßweg, weil das Bautenministe- rium offenbar zunächst die Reaktionen abwarten wollte. Diese blieben natürlich nicht aus. Ein alarmierter Landeshauptmann Maurer unterrichtete unverzüglich den niederösterreichischen Landtag, daß dem Land zur Abdeckung fälliger Verpflichtungen aus Straßenbauaufträgen ein Betrag von 77 Millionen Schilling vorenthalten wenden solle und begehrte in einem Protesttele gramm an Bautenminister Moser die sofortige Zurücknahme dieser Maßnahme.

Wenig später war die seltsame Aktion daher auch schon wieder abgeblasen. Nach den ersten geharnischten Stellungnahmen dürfte die Regierung im letzten Moment doch der Mut verlassen haben, diesen verhängnisvollen Plan zu exekutieren.

Am 28. Juli…

Die Vorgeschichte zu diesem Geschehen reicht bis ins Frühjahr 1970 zurück. Einhellig warfen damals die Wirtschaftsexperten dem taufrischen Minderheitskabinett Kreisky Untätigkeit auf konjunkturpolitischem Sektor vor und rieten angesichts des beängstigenden Preisauftriebes zu unverzüglichen konjunkturdämpfenden Maßnahmen. Damals wischte Dr. Kreisky solche Mahnungen mit dem Argument vom Tisch, es sei dafür schon zu spät, weil die Staatsaufträge längst vergeben wären.

Wenig später hatte der Bundeskanzler dies allerdings wieder vergessen. Am Höhepunkt der Preisdiskussion verkündigte er in einer Pressekonferenz am 28. Juli den staunenden Journalisten Konjunkturdämpfungspläne der Regierung im Gesamtumfang von einer Milliarde Schilling. Ausdrücklich erwähnt war bereits damals, daß auch das Dezem- berzwölftel der Einnahmen aus der Bundesmineralölsteuer diesem Zweck zugeführt werden sollte. Eben jene 450 Millionen Schilling, deret- wegen es zur jüngsten Aufregung kam.

Wenn es damals nicht schon zu einem Proteststurm kam, so vor allem deshalb, weil in Fachkreisen niemand ernstlich daran dachte, die Bundesregierung werde tatsächlich den Fehler begehen, die zweckgebundenen Straßenbaumittel anzutasten. Für diese Annahme der Fachleute sprachen’mehrere Gründe. Das Zurückhalten des Dezemberzwölftels der Bundesmineralölsteuer wäre nämlich konjunkturpolitisch wirkungslos und wirtschaftspolitisch verfehlt, weil diese Mittel ausschließlich zur Bezahlung bereits erbrachter Bauleistungen bestimmt sind. Eine sinnvolle Konjunktursteuerung kann sich hingegen nur auf solche Bereiche erstrecken, wo es um die Durchführung erst zu erbringender Leistungen geht. Konjunkturdämpfung zur Vermeidung von Uberhitzungserscheinungen und zur Eindämmung unerwünschter Preisauftriebstendenzen bedeutet daher das Unterlassen oder das Verschieben von Aufträgen, nicht aber das Verzögern der Begleichung fälliger Rechnungen.

Dies alles waren Gründe genug für die Fachleute, Kreiskys Ankündigung vom 28. Juli, die Regierung wolle Straßenbaumittel zwecks Kon- junkturdämpfiung einbehalten, für ein reines Beschwichtigungsmanöver ohne realen Hintergrund zu halten. Diese Annahme schien sich zunächst zu bestätigen, denn den Worten folgten keine Taten, bis dann Finanzminister Dr. Androsch am ö. September dem Ministerrat einen mündlichen Bericht (BM f. Fin. ZI. 112.308- 1/70) vorlegte, der konjunkturdämpfende Maßnahmen in Höhe von einer Milliarde Schilling zum Gegenstand hatte. Darin war zum ersten- mal schriftlich festgehalten daß das Dezemberzwölftel von 450 Millionen Schilling Bundesmineralölsteuer auf das Jahr 1971 übertragen werden sollte. Doch dieser Ministerratsbericht hatte einen entscheidenden Schönheitsfehler. Es fehlte die übliche Floskel über die Genehmi gung durch den Ministerrat. Auch später von oppositioneller Seite an den Finanzminister mehrfach gerichtete Anfragen, ob dieser Plan auch vom Ministerrat gebilligt worden sei, brachten nur ausweichende Antworten und damit keine Klarheit.

Erst die später auf Beamtenebene erfolgte Mitteilung über die tatsächlichen Vollzugsabsichten der Regierung, die widerrufen worden ist, zeigte den Ernst der Lage auf.

Die Bauwirtschaft war also tatsächlich wenige Wochen vor Weihnachten von einer sehr ernsten Krise bedroht. Die Pseudokonjunkturbremse hätte bewirkt, daß die Bauwirtschaft ohne Anlaß um ihr hart genug verdientes Geld hätte zittern müssen, daß sie hätte Schulden machen und ihre Subunternehmer ebenfalls hätte vertrösten müssen. Die Branche war in Gefahr, daß dabei vielleicht der eine oder andere Betrieb auf der Strecke hätte bleiben können.

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