6898336-1980_19_05.jpg
Digital In Arbeit

Blaue Briefe als Gruß vom Konsum

Werbung
Werbung
Werbung

Montag, 5. Mai, 9 Uhr: Die Belegschaft des Heimwerkerzentrums Vö-sendorf (HWZ), einem Betrieb im Konsum-Unternehmen, wartet gespannt auf eine Reaktion der Unternehmensleitung: Darf Roman Rint wieder arbeiten?

Rint wurde am 28. April gekündigt. Es war bereits der zweite blaue Brief innerhalb Monatsfrist.

Die erste Kündigung hat Rint nie erreicht. Da war er auf Auslandsurlaub. Nach seiner Rückkehr wurde die Kündigung in einer Aussprache zwischen Gewerkschaftsvertretern und Konsum-Direktor Walter Eiseisbrecher am 15. April zurückgenommen.

Nicht genug, daß die Entlassung nicht ordnungsgemäß war, klang auch der KUndigungsgrund fadenscheinig: Rint sei zu Kunden frech gewesen, wofür allerdings keinerlei konkrete Beschwerden vorgelegt werden konnten.

Diesmal wurde Rint ohne Angabe von Gründen in die Arbeitslosigkeit geschickt. Was nicht heißen soll, daß es keine Gründe gibt.

Immerhin hat er sich für die Wahl eines Betriebsrates im Heimwerkerzentrum engagiert. Noch dazu ist er einer der Hauptzeugen für die Schlägereien, mit denen Alois Serini, Betriebsratsobmann der Arbeiter des Konsum Österreich-Ost, die Wahlen verhindern wollte (FURCHE 17/1980).

Auf diese Weise hat Serini sein Ziel nicht erreicht: Da gegen die am 14. März 1980 durchgeführte Wahl im Heimwerkerzentrum kein Einspruch beim Einigungsamt erfolgt ist, gilt der Betriebsrat als offiziell.

Jetzt wird versucht, der widerspenstigen Liste „Sozialistischer Gewerkschafter” über Umwege beizukommen: die Belegschaft, die dieser Betriebsrat zu vertreten hat, wird dezimiert. Mann um Mann.

Die Heimwerker ahnen das und wehren sich. Daher wurde auch diesmal eine Rücknahme der Rint-Entlassung gefordert. Als sich aber das Unternehmen Konsum bis 9.45 Uhr am 5. Mai nicht gesprächsbereit zeigte, beschlossen die Heimwerker in geheimer Abstimmung im Rahmen einer Betriebsversammlung, das Heimwerkerzentrum Vösendorf sofort zuzusperren.

Der Kampf des sozialistischen Unternehmens gegen seine.sozialistischen Betriebsräte schien sich ganz unfreundschaftlich zuzuspitzen. Sogar eine Aussperrung mußten die Heimwerker befürchten.

Die HWZ-Belegschaft unter ihrem Betriebsratsobmann Theo Lehner riskierte viel - und gewann wieder eine Runde gegen den Konsum-Giganten: Vier Stunden nach der Sperre öffneten sich wieder die Türen des Konsum-Ladens.

Die Unternehmensleitung bequemte sich doch, Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. Am 6. Mai wurde über das weitere Rint-Schicksal verhandelt, das Ergebnis steht bei Redaktionsschluß noch aus.

Durch ihre Solidarität hatten die Heimwerker zuvor schon HWZ-Marktleiter Franz Galda vor einer Kündigung oder Versetzung bewahrt.

Weniger erfolgreich war sie bisher im

Fall des HWZ-Mannes Karl Smolins-ky (FURCHE 17/1980), dem das Verschenken eines 60x40 Zentimeter großen Holz-Plattenrestes als Diebstahl angelastet wurde. Um sein Schicksal wird vor dem Arbeitsgericht verhandelt.

Wie Rint, Galda und Smolinsky war auch die Angestellte Sallegger Augenzeugin schlagkräftiger Serini-Aktionen gegen die Betriebsratswahl in Vösendorf. Mehr noch: sie versuchte, als Serini und Genossen die Wahl an Ort und Stelle am 14. März noch verhindern wollten, telefonisch die Gendarmerie zu alarmieren.

Damals wurde ihr der Telefonhörer unsanft aus der Hand und das Telefonkabel aus der Wand gerissen. Nun soll sie auch noch aus ihrem Berufsleben gerissen werden. Am 5. Mai erhielt sie vom Konsum den blauen Brief, wonach sie per 30. Juni gekündigt ist.

Der Schönheitsfehler dieser Kündigungsaktion: die Kündigung erfolgte ohne Verständigung des zuständigen und gewählten Betriebsrates.

Der verzweifelte Kampf der Heimwerker-Belegschaft um ihr Uberleben findet auch Unterstützung: Vorerst nicht in den Chefetagen von Partei und Gewerkschaft, wohl aber dort, wo aktive Betriebsräte stehen. Verschiedene niederösterreichische Betriebsräte sandten Solidaritätstelegramme mit Unterstützungserklärungen und Durchhalteappellen nach Vösendorf.

Und die Gewerkschafter beschlossen Resolutionen, die an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig lassen.

So hat etwa der Bundesparteivor-stand der SPÖ mitsamt Parteivorsitzendem Bruno Kreisky über eine von der sozialistischen Fraktion der nieder-österreichischen Privatangestelltengewerkschaft am 25. April beschlossene Resolution „gegen den Terror im Konsum österreich-HWZ Vösendorf nachzudenken.

Darin fordern die SP-Gewerkschaf-ter von der Partei Konsequenzen gegen die „parteischädigende Tätigkeit” der Wahl-Störenfriede. Außerdem soll die Partei von der Konsum-Geschäftsführung unverzüglich die Zurücknahme der nach den Wahlen ausgesprochenen Kündigungen verlangen.

Ob's etwas hilft? Vorerst mußten die Heimwerker zur Selbsthilfe greifen, der angerufene Parteivorstand blieb stumm.

Eine ähnliche Resolution kursiert auch in der Zentrale des österreichischen Gewerkschaftsbundes. An dessen Präsidium richtete die 29. Landeskonferenz der niederösterreichischen Privatangestelltengewerkschafter am 25. April von Wiener Neustadt aus die Forderung, eine Untersuchungskommission für den Fall Vösendorf einzusetzen. Die Anwendung von Terrormethoden dürfe einfach nicht geduldet werden.

ÖG B-Präsident Anton Benya, der da ein Machtwort sprechen sollte, ist in einer unangenehmen Situation: denn gleichzeitig ist er Präsident des Konsum-Aufsichtsrates. Das könnte aber auch ein Vorteil sein: In dieser Eigenschaft könnte er schlagartig dem Treiben ein Ende setzen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung