6951182-1984_13_03.jpg
Digital In Arbeit

Zwischen Macht und Ohnmacht

19451960198020002020

Sie werden oft als Staat im Staate bezeichnet, ihr Einfluß auf die Unternehmen ist beträchtlich. Aber in der Krise führen die Betriebsräte zumeist einen Zwei-frontenkampf.

19451960198020002020

Sie werden oft als Staat im Staate bezeichnet, ihr Einfluß auf die Unternehmen ist beträchtlich. Aber in der Krise führen die Betriebsräte zumeist einen Zwei-frontenkampf.

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn der gelernte Werkzeugschmied und ehemalige Kranführer Franz Ruhaltinger mit Chauffeur und Dienstmercedes auf dem Wiener Ballhausplatz aufkreuzt, dann geht selbst Bundeskanzler Sinowatz in die Knie.

Dem scheinbar allmächtigen obersten Belegschaftsvertreter des verstaatlichten Voest-Alpine Konzerns (rund 75.000 Beschäftigte) gelang es am 19. März, den wei-

teren Abbau von freiwilligen Sozialleistungen des Unternehmens durch das Management des defizitären Stahl-Riesen unter Streikdrohung zu verhindern. Vorläufig.

In der Salzburger Druckerei Sochor (rund 250 Beschäftigte) wurde vor ein paar Wochen ein neuer Betriebsrat gewählt. Und der Betriebsratsobmann will sich nun — wie es das Gesetz vorsieht — für seine Tätigkeit als Belegschaftsvertreter vom Dienst freistellen lassen.

Der Druckereibe'sitzer kann sich weder mit der Person des gewählten Betriebsratsobmanns noch mit dessen Freistellung anfreunden. Er droht — sollte die Belegschaft „uneinsichtig bleiben"— mit Kündigungen.

Macht und Ohnmacht der Betriebsräte: innerhalb weniger Tage demonstriert an diesen beiden Beispielen. So muß denn bei der Beurteilung des Einflusses der Betriebsräte in den österreichischen Unternehmen differenziert werden.

Spricht man in Zusammenhang mit der verstaatlichten heimischen Industrie von den Belegschaftsvertretern nur ehrfürchtig von „Betriebskaisern", ohne deren Zustimmung nichts läuft, so führen ihre Kollegen in den kleineren und privaten Betrieben ein weitaus bescheideneres und kaum persönliche Vorteile bringendes Leben. Sie stehen fast pausenlos — und nicht nur in wirtschaftlichen Krisenzeiten — in einer Zwickmühle zwischen Unternehmer- und Belegschaftsinteressen.

Rund 50.000 gewählte Betriebsräte gibt es in Österreich. Ihre Rechte und Pflichten sind im Arbeitsverfassungsgesetz vom 14. Dezember 1973 detailliert geregelt. Sie reichen von der Kontrolle der Arbeitsbedingungen bis zur Mitentscheidung bei Personalaufnahmen oder bei Kündigungen. Sie organisieren Ausflüge und vermitteln billige Tennis-stunden.

Die Betriebsräte sind laut Gesetz nach außen hin unabhängig und nur der Belegschaft verantwortlich. Tatsächlich steht die innerbetriebliche Mitbestimmung auch unter dem starken Einfluß der überbetrieblichen Interessenorganisationen Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammern.

Nur etwa drei Prozent der Betriebsräte verfügen nicht über das Mitgliedsbuch einer der 15 Fachgewerkschaften des österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB). Fast zwei Drittel aller Betriebsräte sind Angehörige der Fraktion sozialistischer Gewerkschafter im ÖGB. Nur knapp zehn Prozent der betrieblichen Arbeitnehmervertreter machen keinen Hehl aus ihrer „schwarzen" Seele.

Vor allem für diese schwarzen Schafe in sozialistisch dominierten Belegschaftsvertretungen ist das Dasein als Betriebsrat kein Honiglecken. Ihre Funktion

bringt eher persönliche Nachteile denn Privilegien mit sich.

Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß unter umgekehrten politischen Mehrheitsverhältnissen ähnliches gilt. Nur stellen ÖVP-nahe Belegschaftsvertretungen eher die Ausnahme dar, und man findet sie in erster Linie bei den Landeselektrizitätsgesellschaften ÖVP-dominierter Bundesländer.

Allein dies kann als Indiz dafür gewertet werden, daß die Personalpolitik eines Unternehmens nicht nur in den Personalbüros entschieden wird, sondern vor al-

lern auch in den Büroräumen des Betriebsrates. Damit gerät der Arbeitnehmer von Anfang seiner Betriebskarriere an in die Abhängigkeit der Betriebsräte. Die Betriebsräte wiederum gewinnen durch dieses Abhängigkeitsverhältnis an Macht — über den einzelnen Arbeitnehmer und auch über das Unternehmen selbst.

Darüber hinaus kontrollieren in den Großunternehmen die Betriebsräte als Aufsichtsratsmitglieder auch die Direktoren und die Manager. Die Bestellung zum Vorstandsdirektor hängt meist vom Wohlwollen der Beleg-

Schaftsvertreter und auch vom Wohlverhalten der in Frage kommenden Personen gegenüber dem Betriebsrat ab.

Kein Wunder, wenn in staatlichen und halbstaatlichen Unternehmen ehemalige Betriebsräte heute auf Vorstandsposten sitzen. Voest-Generaldirektor Heribert Apfalter stand zum Beispiel einmal als Betriebsrat auf der anderen Seite. Und der ehemalige Zentralbetriebsratsobmann der Voest, Walter Brauneis, arbeitet heute als Vorstandsdirektor in der Holding-Gesellschaft der verstaatlichten Betriebe, der ÖIAG.

Vor allem im österreichischen Rundfunk (ORF) findet man ehemalige Betriebsräte auf etlichen Führungspositionen. Bekanntestes Beispiel: der Intendant des zweiten Fernsehkanals Ernst Wolfram Marboe verdiente sich seine ersten Sporen als Schriftführer des Betriebsrates und später als Zentralbetriebsrat.

Die Vertreter des ORF-Zentralbetriebsrates im Kuratorium sind bei Personalrochaden das Zünglein an der Waage. Daß ausgerechnet eine sozialistisch dominierte Bundesregierung durch die — geplante — Aufstockung des ORF-Kuratoriums den sozialistisch dominierten ORF-Zentralbetriebsrat bei künftigen Personalentscheidungen „entmachten" will, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie.

Die Unternehmensleitung großer Betriebe stattet folgerichtig den jeweiligen Betriebsrat großzügig mit Büroräumen und auch Dienstleistungen wie Dienstauto und Büropersonal aus und zeigt sich nicht nur den freigestellten Betriebsräten gegenüber auch sonst nicht kleinlich.

Knapp 100 Millionen Schilling sind der Voest zum Beispiel ihre 284 Betriebsräte wert, von denen 51 vom Dienst freigestellt sind. Nach Angaben des Vorstandes des staatlichen Stahlriesen beziehen die freigestellten Voest-Be-triebsräte zumeist Vorarbeiterlohn sowie Uberstundenabgeltung, obwohl ja keiner tatsächlich im Betrieb arbeitet.

Für diese Privilegien einmal entflammt, begeben sich auch die Belegschaftsvertreter in eine Abhängigkeit von der Unternehmensleitung. Und langjährige Tätigkeit als Betriebsrat macht es schwer, an den angestammten Arbeitsplatz zurückzukehren.

Für die Obfrau des Zentralbetriebsrates der Adeg-Gesellschaft (1400 Mitarbeiter), Ingrid Korosec, ist dies Grund genug, auf das Privileg der Dienstfreistellung freiwillig zu verzichten. Uberhaupt meint die Wiener Landtagsabgeordnete der Volkspartei und Bundesvorsitzende der Frauen im österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbund (ÖAAB), daß Betriebsräte in privaten Unternehmen kaum auf berufliche Karriere auf Grund ihrer Tätigkeit als Belegschaftsvertreter hoffen dürften. Und daß sie auch weniger Chancen für eine Zweitkarriere als politischer Mandatar hätten.

So findet man denn in National-und Bundesrat, in Landesregierungen und Landtagen in erster Linie die Betriebsräte aus der verstaatlichten Industrie (siehe Kasten „Betriebskaiser").

Kein Zweifel besteht auch darüber, daß die anhaltende wirtschaftliche Stagnation, der struktur- und konjunkturbedingt notwendige Personalabbau in zahlreichen Betrieben die Position der Betriebsräte nicht gerade festigt. Sie müssen im Interesse der Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen auch für die Belegschaft schmerzliche Maßnahmen mittragen und mitverantworten.

Und sie werden sich in Zukunft auch öfter die Frage gefallen lassen müssen, ob unter dem Eindruck von Lohneinbußen aller Beschäftigten der Dienstwagen des Betriebsrates ausgerechnet ein Mercedes sein muß.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung