Der mit der Gewerkschaft kämpft

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Noch vor ein, zwei Jahrzehnten hätte Stronach im Konflikt gegen den ÖGB nicht gewonnen.

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Noch vor ein, zwei Jahrzehnten hätte Stronach im Konflikt gegen den ÖGB nicht gewonnen.

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Die Belegschaften der Magna-Betriebe haben sich gegen Betriebsräte und für das Modell von Fairneß-Komitees entschieden. Dabei wird unklar bleiben, ob das eine Geste des Dankes für die neu geschaffenen Arbeitsplätze ist, oder ob die Sorge um gerade diese Arbeitsplätze mit ausschlaggebend war. Jedenfalls kann Frank Stronach das Votum als Bestätigung für seine Unternehmensphilosophie werten.

Zwar meint die Konzernleitung nun, daß die Fairneß-Komitees zum Vorzeigemodell für andere Unternehmen werden, und das eine oder andere Unternehmen folgt wohl auch dem Beispiel, doch zum Vorbild wird es sicher nicht. Eine starke Neigung, gegen das Arbeitsverfassungsgesetz anzukämpfen, gibt es in Österreich nicht. Die Praxis gerade in großen Unternehmen zeigt, daß das Verhältnis zwischen Management und Betriebsrat alles andere als feindselig ist. In der Regel spielt der Betriebsrat eine zentrale Rolle bei Konfliktschlichtungen, ganz im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes, das ihm "die Herbeiführung eines Interessenausgleichs zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebes" zuweist.

Für die Gewerkschaft, die sich um die Einrichtung des Betriebsrats bemüht hat und gescheitert ist, sind die Abstimmungsergebnisse bei Magna ein schwerer Schlag. Allerdings muß unterschieden werden, daß der Einrichtung eines Betriebsrats die Absage erteilt wurde und nicht der Gewerkschaft. An den Stellungnahmen Stronachs aber fällt auf, daß er, bewußt oder unbewußt, Betriebsrat und Gewerkschaft als identisch betrachtet. Formal hat die gesetzlich vorgesehene Vertretung Betriebsrat mit dem Verein ÖGB nichts zu tun. Und daß Betriebsräte bei der Gewerkschaft sind, kann keine Besonderheit sein, da eine gewerkschaftliche Betätigung, so möchte man meinen, auch Magnas Vertrauensleuten nicht untersagt ist.

Genau darum scheint es sich letztlich zu handeln: um eine weiche Form des "union busting", also gezielter Maßnahmen, um die Gewerkschaft vom Betrieb fernzuhalten. Das geht an den Kern der gewerkschaftlichen Legitimation und deswegen ist der Konflikt noch lange nicht ausgestanden.

Ein weiteres Ziel von Magna ist, Lohnverhandlungen nur auf Betriebsebene zu führen. Auch für dieses Ansinnen wird es Sympathien geben, aber kaum aktive Unterstützung. Gerade der kürzlich abgeschlossene - von Arbeitgeberseite als moderat begrüßte - Kollektivvertrag in der Metallindustrie hat das Vertrauen in die Sozialpartnerschaft gefestigt.

Ist Magna ein Sonderfall, oder wurde ein Prozeß eingeleitet, an dessen Ende die Abkehr von der gesetzlich geregelten Mitbestimmung steht? Für ersteres spricht, daß offenkundig an einem anderen Ort gemachte Erfahrungen nicht ohne Ressentiment auf eine neue Umgebung übertragen werden, ohne sich auf deren Besonderheiten einzustellen. Dabei wäre die "Magna Charta" in zentralen Punkten problemlos mit dem Österreichischen Arbeitsverfassungsgesetz vereinbar, nur wurde sie in einem Land kreiert, in dem es die Institution Betriebsrat nicht gibt. Mit seiner Nichtbereitschaft zur Anpassung ist Magna ein Sonderfall, und vor allem nicht repräsentativ für transnationale Konzerne, die in der Regel bestrebt sind, in fremder Umgebung "good citizens" zu sein.

Andererseits: vor ein oder zwei Jahrzehnten hätte Magna diesen Konflikt gegen die Gewerkschaft nicht gewonnen. Die Gewerkschaft hätte die Belegschaft mobilisiert und erfolgreich bei Land und Bund interveniert. Der Erfolg Magnas zeigt, daß aus der sozialpartnerschaftlichen Konfliktkultur ausscherende Unternehmen nicht mehr diszipliniert werden können. Mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel haben sich die gewerkschaftlichen Organisationsbedingungen empfindlich verschlechtert, nicht nur in Österreich. Fälle wie Magna werden dadurch nicht zur Regel, aber sie könnten sich häufen.

Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck und veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zu Gewerkschaft und Sozialpartnerschaft.

Zum Thema Geht's auch ohne Betriebsrat?

Bei den Urabstimmungen in drei Werken des Magna-Konzerns stimmten die Beschäftigten mit teilweise über 90 Prozent gegen die Einführung eines Betriebsrats. Statt dessen gibt es in Frank Stronachs Unternehmen sogenannte Fairneß-Komitees mit gewählten Vertrauensleuten. Diese haben ähnliche Aufgaben wie Betriebsräte, genießen aber nicht denselben gesetzlichen Schutz. Zwar gewährt Magna den Vertrauensleuten für ihre Funktionsdauer Kündigungsschutz, was diese Zusagen wert sind, wird sich aber erst zeigen.

Gerade an der Frage des Kündigungsschutzes hat sich ja der Streit zwischen Magna und ÖGB entzündet. Eine steirische Magna-Mitarbeiterin wurde gekündigt, als sie einen Betriebsrat gründen wollte. Der Konflikt schaukelte sich auf und gipfelte im "Mafia"-Vorwurf Frank Stronachs an die Gewerkschaft. In der Zwischenzeit sind die gröbsten Wellen geglättet, doch der ÖGB gibt sich noch nicht geschlagen.

Der Politikwissenschaftler und Gewerkschaftsfachmann Ferdinand Karlhofer betont in dieser Furche-Debatte, daß es im Streit zwischen Stronach und ÖGB um den Kern gewerkschaftlicher Legitimation geht. Der Konflikt ist deswegen, seiner Meinung nach, noch lange nicht ausgestanden. Der Wirtschaftsjournalist Jens Tschebull begrüßt das Magna-Modell und sieht darin einen Ansporn für den ÖGB. WM

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