Der mit der Gewerkschaft kämpft

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Frank Stronach bietet ein Modell, das nicht von unten klassenkämpferisch ertrotzt, sondern von oben gewährt wird.

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Frank Stronach bietet ein Modell, das nicht von unten klassenkämpferisch ertrotzt, sondern von oben gewährt wird.

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Fürchterliches ist geschehen: Ein älterer Herr, der sich die geistige Freiheit erworben und die finanzielle Freiheit erarbeitet hat, zu tun und zu sagen was er für richtig hält, rüttelt unbefangen an österreichischen Tabus, ohne seine Aktionen vorher mit Parteisekretären zu akkordieren und die Sozialpartner um Erlaubnis zu fragen, wenn er etwa den Österreichischen Gewerkschaftsbund als antiquierten Verein betrachtet.

Das verursacht Aufregung, ja Entsetzen. Dabei ist die Sache so einfach: Frank Stronach bietet den Mitarbeitern seiner Unternehmen ein System von betrieblicher Information, Mitbestimmung, Mitverantwortung und Gewinnbeteiligung an, das nicht durch Revolutionen von unten klassenkämpferisch ertrotzt und per Gesetz geregelt ist, sondern von oben gewährt wird und durch freiwillige Selbstbindung dennoch praktisch irreversibel bleibt.

Zu diesem System gehören gewählte Vertrauensleute und im voraus fixierte Prozentanteile des Gewinnes, die an Aktionäre, Management und Mitarbeiter (zusätzlich zu den gesetzlichen oder vereinbarten Grundlöhnen) zu verteilen sind.

Das ist ein vernünftig klingender, in Kanada und anderen Ländern funktionierender Versuch, den Klassen- und Verteilungskampf innerhalb der Unternehmen zu überwinden. Da die Gewinnverteilung im voraus festgelegt ist, geht es nicht mehr um die Prozentanteile am Kuchen, sondern nur noch um die Größe des Kuchens. Dadurch sollen alle Beteiligten - Stakeholder, Kapital, Mitarbeiter und Management - zu einer gewinnorientierten Wertschöpfungsgemeinschaft verschmelzen.

Das Arbeitsverfassungsgesetz hingegen ist noch vom Geist eines immerwährenden "natürlichen Interessengegensatzes" zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern geprägt.

In Österreich stünde einer mit Stronachs "Fair Enterprise System" unzufriedenen Belegschaft der Fluchtweg offen, (wieder) auf ein klassisches Betriebsrätesystem nach dem Arbeitsverfassungsgesetz umzusteigen. Umgekehrt ist aber keine Belegschaft verpflichtet, sich Betriebsräte zu wählen und damit in weiterer Folge gewerkschaftlichen Einfluß nach dem Arbeitsverfassungsgesetz ins Haus zu holen.

Im Arbeitsverfassungsgesetz, das übrigens kein Verfassungsgesetz ist, sondern nur großspurig irreführend so heißt, steht zwar in § 40 suggestiv, Betriebsräte und so weiter "sind zu bilden", doch handelt es sich um keinen Gesetzesbefehl, sondern lediglich um ein Recht der Beschäftigten, sich in bestimmter, vom Gesetz vorgegebenen Weise, Betriebsräte zu wählen. Wenn die Mitarbeiter nicht wollen, "nutzt des gor nix", zumal die Nichtwahl von Betriebsräten auch nicht unter Strafsanktion steht.

Die Existenz von Unternehmen ohne klassische Betriebsräte wie Magna-Fabriken und tausende andere Betriebe, ist keine Bedrohung für die Gewerkschaft, die mit Hilfe des Arbeitsverfassungsgesetzes von Belegschaften, die dies wollen, via Betriebsrat jederzeit zu Hilfe geholt werden kann. Hingegen ist der Versuch, neue, vielleicht bessere und weniger klassenkämpferische Modelle von Mitbestimmung und Arbeitnehmerbeteiligung auszuprobieren, ein wertvolles Wettbewerbselement, das sowohl Stronachs Human-Relations-Manager, als auch Gewerkschaftsfunktionäre anspornt, zu zeigen, wie gut und nützlich sie sind.

Der Autor ist Wirtschaftsjournalist.

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