6878276-1978_51_04.jpg
Digital In Arbeit

Keine Gefahr für die Privatwirtschaft

Werbung
Werbung
Werbung

Die päpstlichen Sozialenzykliken sprachen schon sehr früh von der Notwendigkeit, Arbeitern und Angestellten im Betrieb und in der Gesellschaft Mitentscheidungsmöglichkeiten einzuräumen. Diese Forderung ergibt sich aus der persönlichen Würde des einzelnen und gilt selbstverständlich auch für die Unselbständigen als Gesamtheit.

Die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) hat daher gleich nach dem Zweiten Weltkrieg konkrete Vorstellungen zur Mitbestimmung entwickelt, die Ende der fünfziger Jahre dazu geführt haben, daß sich auch der ÖGB intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen begann.

„Mitbestimmung war... nicht davon abhängig, ob alle Arbeitnehmer den Wunsch nach erhöhter Verantwortung empfinden“

In der Folge kam es 1973 zur Beschlußfassung über das Arbeitsverfassungsgesetz.

Mitbestimmung war für die FCG stets eine grundsätzliche Forderung, die nicht davon abhängig ist, ob bereits alle Arbeitnehmer den Wunsch nach erhöhter Verantwortung empfinden. Aufgabe der Gewerkschaften kann es nicht sein, nur jene Forderungen zu vertreten, die sich aus den gerade aktuellen Bedürfnissen der Unselbständigen ergeben.

Die FCG hat die Diskussion deshalb angefacht, weil sie von der grundsätzlichen Notwendigkeit der Mitbestimmung überzeugt ist - wobei uns bewußt ist, daß sich die Arbeitnehmer erst nach und nach mit dieser Frage identifizieren können. Es werden noch viele Diskussionen mit den Arbeitern und Angestellten notwendig sein, um deren Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung zu wecken und die für die Mitbestimmung notwendigen Fähigkeiten zu entwickeln.

Der Schwerpunkt des Arbeitsverfassungsgesetzes liegt ausschließlich auf betrieblicher Ebene. Die Entwicklung seit Inkrafttreten des Arbeitsverfassungsgesetzes ist eine sehr positive, vor allem, wenn man das Bildungsniveau berücksichtigt, das die Betriebsräte seither erreicht haben.

Insgesamt hat das Arbeitsverfassungsgesetz zweifellos auch für die Betriebe große Vorteile gebracht. Die Betriebsräte sind zunehmend in betriebliche Verantwortung hineingewachsen und setzen sich heute intensiver mit dem wirtschaftlichen Ge-

schehen auseinander. Sie sind in den meisten Fällen zu anerkannten Partnern der Betriebsleitung geworden, soweit dies durch die natürlichen In-teressensunterschiede überhaupt möglich ist.

In keinem Fall hat das stärkere In-formations- und Mitwirkungsrecht der Betriebsräte zu einer Beschränkung der Betriebsleitung geführt. Die Erfahrung hat vielmehr gezeigt, daß die Betriebsleitung sehr oft dankbar auf die verantwortliche Tätigkeit der Betriebsräte zurückgreift.

Überall dort, wo ein Betriebsrat als Instrument der Mitbestimmung besteht, hat es sich bewährt und wird auch von der Unternehmensleitung anerkannt.

Allerdings darf nicht übersehen werden, daß es bisher nur relativ wenige Möglichkeiten der Mitbestimmung gibt - ein Zustand, der einen Gewerkschafter nicht befriedigen kann. Obwohl der Wunsch nach mehr Mitbestimmung geeignet ist, Emotionen und unsachliche Polemik zu wecken, muß doch darauf verwiesen werden, daß die Drittelvertretung im Aufsichtsrat bestenfalls eine beschränkte Mitwirkung in einem Kontrollorgan eröffnet.

Der Hinweis auf angeblich drohenden Machtzuwachs für die Gewerkschaften geht ins Leere. Überall dort, wo außerbetriebliche Einflüsse wirksam geworden sind, hat es sich zumeist um rein parteipolitische Interventionen gehandelt, die weder dem Betriebsrat noch einer Gewerkschaft angelastet werden können. Etwas Derartiges wäre aber in bestimmten Betrieben auch dann oder gerade dann möglich, wenn es die Mitbestimmung in der bisherigen Form nicht gäbe.

Der 9. Gewerkschaftstag der Gewerkschaft der Privatangestellten hat das Anliegen der Mitbestimmung sicher aktualisiert. Bei der Forderung nach paritätischer Mitbestimmung handelt es sich aber um ein längerfristiges Ziel der Gewerkschaften.

Unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem ein Fortschritt bei der Mitbestimmung erfolgt, liegt eine Verbesserung auch in Zukunft nicht nur im Interesse der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften. Vermehrte Mitbestimmungsmöglichkeiten • liegen entgegen gelegentlichen offiziellen Äußerungen auch im Interesse der Arbeitgeber und es steht außer Zweifel, daß die Entwicklung in dieser Richtung nicht aufgehalten werden kann.

Allerdings ist einer Entwicklung der Vorzug zu geben, bei der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam an tragbaren Lösungen arbeiten. Die Sozialpartnerschaft konnte in Österreich bereits vieles positiv bewälti-

gen - sie scheint auch das geeignete Instrument, um für die notwendige Erweiterung der Mitbestimmung zu einer für beide Teile akzeptablen Form zu kommen.

Die Tatsache, daß die Sicherheit des Arbeitsplatzes und eines geregelten Einkommens von den Arbeitnehmern derzeit höher bewertet wird als die Mitbestimmung, ist kein Grund, abzuwarten und weitere Schritte möglichst hinauszuschieben. Die Forderung nach paritätischer Mitbestimmung bedeutet keinesfalls, daß die Arbeitnehmer oder die Gewerkschaften Funktionen der Arbeitgeber einnehmen wollen.

Sie wollen weder in die Rolle des Unternehmers schlüpfen, noch wol-

„Sie wollen weder in die Rolle des Unternehmers schlüpfen, noch wollen sie deren Aufgabe beseitigen“

len sie deren Aufgabe beseitigen. Aber sie wollen nach und nach mehr Einfluß auf die für alle Arbeitnehmer wichtigen Entscheidungen.

Gleiches Gewicht in bestimmten Fragen muß nicht unbedingt die Parität im Aufsichtsrat bedeuten, sondern läßt auch andere Formen zu, die einen stärkeren Einfluß der Arbeitnehmer und ihrer gewählten Vertretung ermöglichen. Dabei muß aber jedenfalls auch künftig der Betrieb den Schwerpunkt bilden.

Hand in Hand mit der Erweiterung der Mitbestimmungsmöglichkeiten für die Betriebsräte müssen auch die Möglichkeiten des einzelnen Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz und im Unternehmen verbessert werden.

Zweifellos muß sich auch die überbetriebliche Mitbestimmung in Zukunft analog der betrieblichen Mitbestimmung weiterentwickeln. Eine qualitativ verbesserte Mitbestimmung stellt auch in Zukunft keine Gefahr für die Privatwirtschaft dar.

Uber Form und Zeitpunkt kann sehr wohl diskutiert werden, der Grundsatz an sich müßte außer Streit gestellt werden können, da Mitbestimmung nicht bedeutet, Macht von einer Seite auf die andere zu verlagern, sondern Verantwortung und Mitwirkungsmöglichkeiten im Interesse der Unternehmungen und der dort beschäftigten Arbeiter und Angestellten gerechter zu verteilen. Damit ist eine größere Leistungsfreude und Identifikation mit den Betriebszielen genauso verbunden wie die Verbesserung partnerschaftlichen Zusammenlebens in den Betrieben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung