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Digital In Arbeit

In der Rolle des Arbeitgebers?

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Die Gewerkschaft der Privatangestellten hat auf ihrem 9. Gewerkschaftstag als einen Schwerpunkt im Rahmen ihres Aktionsprogramms für die nächsten vier Jahre die paritätische Mitbestimmung gefordert.

Diese Forderung hat trotz ihrer gesellschaftspolitischen Brisanz in der Öffentlichkeit ein sehr geringes Echo gefunden. Das wird verständlich, ist doch die Paritätische Mitbestimmung kein echtes Anliegen der Mitarbeiter in den Betrieben. Dennoch wäre es falsch, die ins Treffen geführten Argumente völlig unwidersprochen zu lassen.

Umso mehr, als 1979 der nächste ÖGB-Bundeskongreß stattfinden wird und sich der ÖGB in Zukunft wird entscheiden müssen, ob er Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sein will: Ob er nach wie vor die Interessenvertretung der Arbeitnehmer sein will oder ob er in Arbeitgeberpositionen einrücken möchte.

Bereits derzeit zählt Österreich im internationalen Vergleich zu den Staaten mit der höchstentwickelten Mitbestimmung. Auf Grund des Arbeitsverfassungsgesetzes hat der Betriebsrat eine Fülle von Informa-tions-, Beratungs- und Mitbestimmungsrechten in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Im Aufsichtsrat entfällt auf zwei Kapitaleignervertreter ein Arbeitnehmervertreter („Drittelvertretung“).

Österreich: Höchstentwickelte Mitbestimmung

Darüber hinaus haben Wir ein weitverzweigtes System der überbetrieblichen Mitbestimmung der Gewerkschaft und auch der hohe Anteil des verstaatlichten bzw. paraver-staatlichten Sektors an der Gesamtwirtschaft darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Dort kommt es durch politische Mandatsverteilung bereits heute zu politischen Grenzziehungen quer durch die Gruppen der Arbeitnehmervertreter und Kapitaleignervertreter, dort sitzen auch Gewerkschaftsvertreter auf der Anteilseignerbank.

Bei der breiten Masse der Arbeitnehmer besteht daher kein Bedürfnis nach mehr Mitbestimmung von jener Art, die nur die Macht der Funktionäre stärkt und neue AutoritätsstrukT turen schafft. Meinungsumfragen bestätigen, daß bei den Ansprüchen an die Arbeitswelt die Mitbestimmungswünsche jeweils unter ferner liefen kommen.

Eine Meinungsumfrage, die zu Beginn dieses Jahres vom österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbund publiziert wurde, zeigt auch, daß die Mitbestimmung in keinem anderen Lebensbereich als so stark verwirklicht angesehen wird wie in den Betrieben. Daher konzentrieren sich die Wünsche nach einer Ausweitung der Mitbestimmung auch auf andere Bereiche, nämlich auf das Gesundheitswesen, den Umweltschutz, die Gestaltung der Wohnumwelt usw.

Bei der von der Angestelltengewerkschaft geforderten Ausweitung der Mitbestimmung in Richtung auf die Parität im Aufsichtsrat geht es daher nicht um ein echtes Bedürfnis der Arbeitnehmer, sondern um gewerkschaftliche Machtpolitik, die mit unserer pluralistischen Gesellschaft nicht vereinbar ist. ■

Es würde damit das Gleichgewicht der Kräfte in der Sozialpartnerschaft zerstört. Auch die Autonomie der Kollektivvertragspartner wäre ad absurdum geführt, wenn nicht nur auf der Verhandlungsseite der Gewerkschaft, sondern auch auf der Arbeitgeberseite Arbeitnehmerfunktionäre bzw. von ihnen letztlich abhängige Personen sitzen.

Die Gefährdung der Tarifautonomie ist im übrigen neben den Eingriffen in das Eigentum auch einer der beiden Hauptpunkte, die die deutschen Arbeitgeberverbände veranlaßt haben, beim deutschen Bundesverfassungsgerichtshof in Karlsruhe die neue partitätische Mitbestimmung in der Bundesrepublik wegen Verfassungswidrigkeit anzufechten.

Uberhaupt würde die Gewerkschaft in die Rolle des Arbeitgebers gedrängt und damit in gewisser Weise schizophren. Die Sorge - auch in Spitzenkreisen des Gewerkschaftsbundes - ist nur allzu berechtigt, daß bei einer solchen Entwicklung dann viele einfache Gewerkschaftsmitglieder in einem solchen neuen „Gewerkschafts-Arbeitgeber“ nicht mehr ihre InteressensVertre-tung sehen würden.

Aus der Sicht der Unternehmensleitung bedeutet eine partitätische Zusammensetzung des Aufsichtsrates die Bürokratisierung betrieblicher Entscheidungsvorgänge bis hin zur Gefahr der Entscheidungsunfähigkeit.

Gerade für die österreichische Industrie ist in den nächsten Jahren die Hauptsorge, auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine Schwächung der Aktions- und Reaktionsfähigkeit der Unternehmen wäre hier überaus verhängnisvoll.

Last not least ist die paritätische Mitbestimmung mit unserer verfassungsmäßigen Eigentumsordnung nicht vereinbar. Daran ändert auch das verbale Bekenntnis der Angestelltengewerkschaft zu einer mit der Mitbestimmung verbundenen Mitverantwortung der davon Betroffenen überhaupt nichts.

Keine Absage an die Mitbestimmung schlechthin

Die Absage an die paritätische Mitbstimmung ist aber keine Absage an die Mitbestimmung schlechthin. Die Mitbestimmung ist vielmehr eines der Hauptziele einer sozialen Marktwirtschaft, worauf schon Mül-ler-Armack frühzeitig hingewiesen hat. Es geht dabei allerdings nicht um die Parität von Produktionsfaktoren, sondern um eine partnerschaftliche Mitbestimmung, die die Wünsche nach selbständiger Gestaltungsmöglichkeit bei der Arbeit, nach mehr Freiheits-, Entfaltungs- und Verantwortungsspielräumen sowie nach mehr sozialen Kontakten bei der Arbeit berücksichtigt.

Eine solche Neugestaltung des Verhältnisses zwischen Mitarbeiter und Unternehmen stellt die zentrale gesellschaftspolitische Herausforderung und Verantwortung des Unternehmers in der heutigen Zeit dar. Der Mitarbeiter im Betrieb darf nicht nur als „Faktor Arbeit“ gesehen werden.

Bei dieser Form der Mitbestimmung geht es im Sinne einer modernen Unternehmensführung darum, die einzelnen Mitarbeiter verstärkt in die betrieblichen Informations- und Entscheidungsprozesse einzubezie-hen. Durch Schaffung überschaubarer Arbeitsbereiche sowie durch Delegation von Verantwortung soll jeder Mitarbeiter tm Rahmen seiner Aufgaben ein Höchstmaß an selbständiger Entscheidungsbefugnis übertragen erhalten.

Damit wird die im modernen Unternehmensprozeß notwendige Über- und Unterordnung vom Einzelnen nicht mehr als wesentliche Einschränkung empfunden. Damit wird aber auch gleichzeitig eine Demokratisierung in einem viel wirksameren Maße erreicht als durch die Schaffung neuer Funktionärsrechte und neuer privilegierter Funktionärshierarchien.

(Der Autor ist Leiter der sozialpolitischen Abteilung in der Industriellenvereinigung)

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