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„Mitbestimmung“ auch in Österreich?

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In einer vermutlich im Jahre 1819 verfaßten, aber unveröffentlichten Schrift versuchte Graf Saint-Simon unter dem Titel „Beweis, daß die französischen Proletarier zur richtigen Verwaltung des Eigentums fähig sind“, darzulegen, daß es an der Zeit sei, die Verwaltung der Personen durch die Verwaltung der Sachen abzulösen. Wörtlich kann man hier lesen: „Die letzte Klasse der Nation setzt sich heute aus Menschen zusammen, deren Intelligenz hinlänglich entwickelt ist und die genügenden Weitblick besitzen, so daß das Gesetz ihre bisherige Bevormundung aufheben kann, ohne die Öffentlichkeit zu beunruhigen.“ Wer sich vor Augen hält, welche Entwicklungen zwischen damals und heute auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet vor sich gegangen sind, wird zugeben müssen, daß sich Saint-Simon einem argen Optimismus hingegeben hat. Das Problem der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Wirtschaft, auf das seine Darlegungen abzielten, gehört heute noch zu den ungelösten und gerade in jüngster Zeit wieder diskutierten Fragen der Gesellschaftspolitik!

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In einer vermutlich im Jahre 1819 verfaßten, aber unveröffentlichten Schrift versuchte Graf Saint-Simon unter dem Titel „Beweis, daß die französischen Proletarier zur richtigen Verwaltung des Eigentums fähig sind“, darzulegen, daß es an der Zeit sei, die Verwaltung der Personen durch die Verwaltung der Sachen abzulösen. Wörtlich kann man hier lesen: „Die letzte Klasse der Nation setzt sich heute aus Menschen zusammen, deren Intelligenz hinlänglich entwickelt ist und die genügenden Weitblick besitzen, so daß das Gesetz ihre bisherige Bevormundung aufheben kann, ohne die Öffentlichkeit zu beunruhigen.“ Wer sich vor Augen hält, welche Entwicklungen zwischen damals und heute auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet vor sich gegangen sind, wird zugeben müssen, daß sich Saint-Simon einem argen Optimismus hingegeben hat. Das Problem der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Wirtschaft, auf das seine Darlegungen abzielten, gehört heute noch zu den ungelösten und gerade in jüngster Zeit wieder diskutierten Fragen der Gesellschaftspolitik!

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Auch in Österreich, wo schon nach dem ersten Weltkrieg mit dem Betriebsrätegesetz erste Ansatzpunkte einer solchen Mitbestimmung geschaffen wurden und wo nach dem zweiten Weltkrieg mit der Paritätischen Kommission und mit dem Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen recht ausgiebige Möglichkeiten einer überbetrieblichen Mitbestimmung der Arbeitnehmer bestehen, ist das Gefühl verbreitet, daß damit das Problem der Arbeitnehmermitbestimmung noch nicht gelöst sei. Die SPÖ hat erst jüngst die Frage der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in ihr Wirtschaftskonzept aufgenom-me, von Seiten der Fraktion christlicher Gewerkschafter liegt ein Gesetzentwurf über eine erweiterte betriebliche Mitbestimmung vor, und auch im ÖAAB wird dieses Problem erneut diskutiert. Auf dem letzten Parteikongreß der CDU/CSU in Berlin hat es zum gleichen Problem eine ausführliche Debatte gegeben, ohne daß man dabei zu einer allgemein akzeptierten Formel gekommen wäre. Die Lösung ist vielmehr auch hier offengeblieben.

Tatsächlich handelt es sich bei der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Wirtschaft um das vielleicht schwierigste Problem der Gesellschaftspolitik. Wenigstens dann, wenn man um eine sachgerechte Lösung bemüht ist, die der Gesellschaft wirklich dient. Für sozialistische Parteien scheinen solche Schwierigkeiten allerdings nicht zu bestehen. Von ihrem ideologischen Ansatzpunkt her sehen sie die Frage mit dem Schlagwort von der „Wirtschaftsdemokratie“ gelöst. Danach gehe es einfach nur darum, das demokratische Prinzip auch auf die Wirtschaft zu übertragen. Ihrer Wortbedeutung nach läuft Mitbestimmung tatsächlich auf das Prinzip der Demokratie, nämlich auf die Gleichberechtigung zweier Partner hinaus, da eben nicht von Alleinbe-stimmung entweder des Kapitals oder der Arbeit, sondern von paritätischer Mitwirkung von Kapital und Arbeit die Rede ist. So gesehen, bestehen auch für christlichdemokratische Parteien gegen eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Wirtschaft keine grundsätzlichen Bedenken. Problematisch wird die Angelegenheit erst, wenn es um die Abgrenzung des Umgangs der Mitbestimmung der Arbeitnehmer geht. Denkt man an totale Mitbestimmung, dann könnte es nämlich sehr leicht geschehen, daß die soziologische Position des Unternehmertums — ob man dieses nun mit dem Eigentümer oder mit dem Manager identifiziert — ins Wanken gerät, well jede totale Mitbestimmung der Arbeitnehmer am Ende zu einer Aushöhlung der unternehmerischen Funktion, im gleichen Atemzug aber auch zu einer Aushöhlung des heutigen Arbeitnehmerbegriffs führt, womit die Grundlagen der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung verlassen werden. Dann ist die Frage der Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht mehr ein Problem der Gesellschaftspolitik, sondern eine politische Grundsatz-frage.

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