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„Entfremdung“ löst kein neuer Vorstand

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Seiner Natur nach ist das Unternehmen ein Sozialgebilde, dessen Sinn und Zweck die Beschaffung von Wären oder Dienstleistungen für den Markt unter Zusammenarbeit aller darin Beschäftigten und zur Erzielung von Einkommen für alle ist. Die Funktionen derer, die durch diese Zusammenarbeit den Unternehmenszweck erfüllen, sind verschieden, jedoch ihr gemeinsamer Nenner ist, von der Natur des Unternehmens her gesehen, die Unternehmerfunktion. Der vom Unternehmenszweck indizierte Ort des Einsatzes der Unternehmerfunktion ist überall dort, wo der Produktionsprozeß produktiver gestaltet werden kann. Das ist der ganze Bereich des Unternehmens. Je allseitiger und intensiver die Unternehmerfunktion wirksam wird, um so höher wird der Ertrag für alle am Unternehmen Beteiligten sein, um so größer sein Ertrag für die Volkswirtschaft im ganzen, also für das Gemeinwohl, um so gesicherter sind die Arbeitsplätze,

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Seiner Natur nach ist das Unternehmen ein Sozialgebilde, dessen Sinn und Zweck die Beschaffung von Wären oder Dienstleistungen für den Markt unter Zusammenarbeit aller darin Beschäftigten und zur Erzielung von Einkommen für alle ist. Die Funktionen derer, die durch diese Zusammenarbeit den Unternehmenszweck erfüllen, sind verschieden, jedoch ihr gemeinsamer Nenner ist, von der Natur des Unternehmens her gesehen, die Unternehmerfunktion. Der vom Unternehmenszweck indizierte Ort des Einsatzes der Unternehmerfunktion ist überall dort, wo der Produktionsprozeß produktiver gestaltet werden kann. Das ist der ganze Bereich des Unternehmens. Je allseitiger und intensiver die Unternehmerfunktion wirksam wird, um so höher wird der Ertrag für alle am Unternehmen Beteiligten sein, um so größer sein Ertrag für die Volkswirtschaft im ganzen, also für das Gemeinwohl, um so gesicherter sind die Arbeitsplätze,

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Am besten dürfte an einem Beispiel zu zeigen sein, wie sozialpartnerschaftliche Unternehmerinitiative, um die es sich handelt, konkret aussieht. In einer beträchtlichen Anzahl von Unternehmen ist sie schon verwirklicht. Hier sei ein Unternehmen angeführt, das S. Melman, ein amerikanischer Professor, zum Gegenstand eingehender Untersuchungen machte wegen der dort bestehenden weitreichenden Mitbestimmung und Mitentscheidung der Arbeitnehmer. Es handelt sich um die Standard Motor Company in Co-ventry, das Untersuchungsergebnis ist in Buchform veröffentlicht („De-cision — Making and Productivity“). Im geschäftlichen Bereich, so wird dargelegt, blieb ausschließlich die Unternehmensleitung verantwortlich, aber im Produktionsprozeß trat an die Stelle der Regelung von oben die weitgehend selbständige Regelung durch die Belegschaft. Diese wurde zu einer sich in Gruppen organisierenden, dynamischen Einheit mit eigenen Entscheidungen über die Leistungserfordemisse im Arbeitsprozeß. Die Initiative zu allem ging von der Belegschaft aus. Das Einverständnis mit der Gewerkschaft wurde eingeholt. Die Belegschaft sah sich zu ihrer Initiative angeregt, weil sie verschiedene Möglichkeiten sah, in den Werkstätten die Arbeitsgänge produktiver, effizienter zu gestalten. Sie machte der Unternehmensleitung daraufhin Vorschläge. Durch ihren unternehmerischen Einsatz erzielte die Belegschaft die schöpferische innere Anteilnahme an ihrer Arbeit, außerdem wesentlich höhere Lohneinkommen. Für die Unternehmensleitung ergaben sich Forderungen für eine qualifiziertere Gesamtorganisation der Produktion mit neuen Aufgaben hinsichtlich der Kosten und Preisgestaltung, des Wettbewerbs und der Marktforschung. Wichtig wurde besonders die alternative Kostengestaltung durch Verbesserung der Produktionsanlagen. Dabei zeigte sich die Bedeutung des Kapitalmarktes, da vom Unternehmensertrag weniger in die Selbstfinanzierung und mehr ins Arbeitseinkommen ging.

In Sinn und Zweck des Sozialgebildes Unternehmen ist die unternehmerische Sozialpartnerschaft aller darin Beschäftigten begründet. Ihre Verwirklichung in der Standard-Motor-Company ist eine der möglichen Formen. Sie wird je nach Produktionsziel und Produktionsprozeß des Unternehmens verschieden sein. Durch sie wird überwunden, was die berechtigte Klage der Arbeitnehmer bildet: daß sie nur als Produktionsfaktoren gewertet werden, nur „Befehlsempfänger“ (Johannes XXIII.) sind, sich zutiefst frustriert fühlen, weil sie sich in ihrem Arbeitsalltag als fremdbe-stimimtes Mittel zum Zweck wissen. Durch die unternehmerische Sozialpartnerschaft wird dem menschlichen Interesse des Arbeitnehmers entsprochen, vollgewerteter Mitarbeiter im Unternehmen zu sein und seine kreative menschliche Uranlage zum Einsatz bringen zu können. Denn das ist ja die tiefste Sinngebung menschlicher Arbeit im Wirtschaftsbereich: daß dem Menschen die Schöpfung übergeben ist,

damit er mitschöpferisch mit dem Schöpfer sie sich dienstbar mache.

Ein Blick in die jüngsten Sozialdokumente der Kirche zeigt, daß von ihnen die Lösung der Sozialproblematik der Industriegesellschaft in der oben angegebenen Richtung gesucht wird. Denn der Arbeitnehmer soll sich auf allen Leistungsstufen als „verantwortlicher Schöpfer der erbrachten Güter und Leistungen fühlen können“ (Paul VI.: Friedensenzyklika Nr. 64), er soll durch aktive Teilnahme am Unternehmen „zur Entfaltung seiner Persönlichkeit“ kommen (Johannes XXIII.: Sozialenzyklika Nr. 82, 91) und „die Entfaltung seiner Personwerte“ erreichen können (Pastoralkonstitution Gaudium et spes Nr. 67). Ziel ist „die aktive Beteiligung aller an der Unternehmensgestaltung“

(a. a. O. Nr. 68), gewiß mit dem Blick auf eine leistungsbezogene Ertragsbeteiligung, aber ebenso auf die Leistung als „Dienst an der Gemeinschaft“ (Johannes XXIII.: Sozialenzyklika Nr. 92). Grundgedanke: Der Arbeitnehmer würde sich in einer sozialen Rolle sehen, die ihn der „Entfremdung“ voll und ganz überheben würde.

Etwas völlig anderes als solche Mitbestimmung ist die Mitbestimmung in der Geschäftsführung des Unternehmens. Sie gefährdet in doppelter Weise das Interesse der Arbeitnehmer. Denn erstens geschieht durch sie nichts für das menschliche Grundinteresse des Arbeitnehmers,

zur „Entfaltung seiner Persönlichkeitswerte“ durch seine persönliche Mitgestaltung des Arbeits- und Produktionsprozesses zu gelangen. Nicht einmal seine Stellung als „Befehlsempfänger“ wird grundsätzlich verändert, nur sind es zum Teil andere, von denen die Befehle aus-

gehen. Wie realistisch ein Großteil der Arbeitnehmer darüber denkt, zeigen verschiedene Umfragen in der BRD. Diesen Arbeitnehmern ist klar, daß (für die Betriebswirtschaftslehre eine Selbstverständlichkeit) es kein Gesellschaftssystem geben kann, in dem nicht bei der Kompliziertheit des heutigen Leistungsprozesses der Unternehmen Anordnungen und Anweisungen über Leistungen der im Unternehmen Beschäftigten getroffen werden müssen. Für das menschliche Interesse des Arbeitnehmers ist entscheidend, daß er im Sozialorganismus des Unternehmens zu Mitverantwortung und Mitgestaltung in den überschaubaren Arbeitsprozeß kommen und ihm so besonders durch Gruppenarbeit (Teamwork), auf seinem Arbeitsplatz in kreativer Mitbestimmung sein Arbeitsalltag zur Persönlichkeitserfüllung werden kann. Das

ist für ihn die Sinnfrage seines Daseins als unselbständig Erwerbstätiger, auf die ihm in der unternehmerischen Sozialpartnerschaft Antwort gegeben wird.

Eine Mitbestimmung durch Eingriff in die Geschäftsleitung gefährdet zweitens die wirtschaftlichen In-

teressen des Arbeitnehmers. Sie zielen auf gesichertes Einkommen und gesicherten Arbeitsplatz. Für ihre Sicherung hängt alles von der volkswirtschaftlichen Produktivität ab. Diese ist nicht zu verwechseln mit Produktionsmengen, besteht vielmehr in der Erzielunig bestmöglicher Erträge mit den einer Volkswirtschaft verfügbaren Arbeitskräften, Kapitalvorräten und Rohstoffen. Eine Volkswirtschaft, die im Vergleich zu anderen in der Produktivität zurückfällt, wird teurer produzieren und mit ihren höheren Preisen in der Konkurrenz auf den Weltmärkten nicht bestehen können. Darin, das Vollmaß möglicher volkswirtschaftlicher Produktivität zu erreichen, besteht die Funktion der Unternehmensleistung. Wird diese durch Eingriffe von außen blockiert, muß der Volkswirtschaft und den wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer Schaden erwachsen.

Darum wird von der schon erwähnten Pastoralkonstitution (Nr. 68) des Zweiten Vatikanischen Konzils die Einheit der Unternehmensleitung bei der Behandlung der Mitbestimmungsfrage mit Nachdruck betont.

Über die Gefahren der Mitbestimmung in der Geschäftsführung des Unternehmens für seine Funktionsfähigkeit im volkswirtschaftlichen Interesse und damit für die Arbeitnehmer ist der vieldiskutierte Bericht der Biedenkopf-Kommission, die von der Regierung der BRD zur „wissenschaftlichen“ Untersuchung der Mitbestimmungsfrage eingesetzt wurde, sehr aufschlußreich. Sie kommt zum Ergebnis, daß

der Mitbestimmung eine institutio'-nelle Grundlage zu geben sei mit dem „Hauptziel“ der Einführung eines „Argumentations- und Diskussionszwanges“ (Nr. 55) bei den wichtigeren Entscheidungen der Unternehmensleitung. Die Mitbestimmung bedinge daher „notwendig, daß Ent-scheidungsprozesse in wichtigen Fragen längere Zeit in Anspruch nehmen“ (Nr. 18) und die Kommission „verkennt nicht, daß solche Verlängerungen auch Verzögerungen notwendiger Entscheidungen bedeuten können“ (Nr. 59). Mit diesen Hinweisen gibt die Kommission die Berechtigung des Hauptarguments derer zu, die in der auf die Unternehmensleitung ausgedehnten Mitbestimmung ein Hindernis rechtzeitiger unternehmerischer Entscheidung und damit eine schwere Gefahr für die Interessen der Arbeitnehmer sehen.

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