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Digital In Arbeit

Berufliche Weiterbildung Chance für Mitarbeiter

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Fachliche und Persönlichkeits-Bildung sollen in der Creditanstalt die Voraussetzungen schaffen, die vielfältigen Veränderungen im täglichen Bankgeschäft zu bewältigen. Der Autor ist Leiter des Ausbildungswesens der CA-BV.

Erwachsenenbildung aus der Sicht eines Unternehmens ist weitgehend, aber doch nicht ganz, identisch mit beruflicher Fort- und Weiterbildung. Die Anfänge dieser Arbeit in der Creditanstalt reichen schon Jahrzehnte zurück und haben sich von Anfang an nicht nur auf die Fachbildung beschränkt, sondern auch sehr wesentlich den Aspekt der Persönlichkeitsbildung im Hinblick auf die Beziehungen der Menschen untereinander in unserem Haus berücksichtigt. Besonders in einer Bank werden wesentliche Anforderungen, die der Beruf an den Menschen stellt, offenbar. Im Zentrum steht der Begriff der Verantwortlichkeit: Die Beziehung zwischen dem Kunden und seiner Bank setzt großes Vertrauen voraus, da nicht nur die absolute Verschwiegenheit, sondern auch die fachliche Kompetenz und die genaue und präzise Abwicklung aller Geschäftsfälle gegeben sein muß. Hinzu tritt die Tatsache, daß der Dienstleistungssektor der personalintensivste aller Wirtschaftszweige ist. Woraus klar wird, daß sich sozusagen der Komplex „Vertrauen des Kunden - Verantwortung des Bankangestellten“ mit der Zahl der Mitarbeiter multipliziert.

Der Sinn der Ausbildung für den Dienstnehmer liegt in erster Linie in der konstanten Motivation, die nur gegeben sein kann, wenn er sich auf Grund seiner fachlichen und persönlichen Entwicklung seinen täglichen Aufgaben gewachsen fühlt. Neben dieser auch für die Karriere notwendigen Seite der Ausbildung gibt in Zeiten der Sorge um den Arbeitsplatz das Bewußtsein, fachlich auf der Höhe zu sein, eine große Sicherheit. Keinem aufmerksamen Menschen kann entgehen, daß jede „Entspannung des Arbeitsmarktes“ zuerst jene1 Menschen aus dem Produktionsprozeß entläßt, die - aus welchen Gründen immer - ihren Aufgaben am wenigsten gewachsen waren. Alle dienst- und sozialrechtlichen Sicherungen können den reifen Menschen nicht von seiner Verantwortung entheben, durch ständige Arbeit an der Verbesserung seiner Leistungsfähigkeit selbst dafür zu sorgen, sich das Arbeitseinkommen zu erhalten.

Was ist nun eigentlich das Wesen der Ausbildung, die Generaldirektor Dr. Treichl einmal unter den Titel der „Education permanente“ gestellt hat? Die Creditanstalt versteht darunter das Schaffen der Voraussetzungen zur Bewältigung der Veränderungen, mit denen die Mitarbeiter des Hauses fertig werden müssen.

Der Großteil der neu in unser Haus Eintretenden kommt direkt von der Schule. Die Unterschiede zwischen dem Schulbetrieb und den Leistungsanforderungen in einem verantwortungsvollen Beruf sind groß und gar nicht so leicht zu bewältigen. Auf eine Schularbeit kann man in Österreich fünf verschiedene Noten bekommen, von denen immerhin vier noch als positiv zu bewerten sind; selbst die Erledigung einfachster Kundenwünsche durch eine Bank im Zahlungsverkehr kann aber nur entweder richtig oder falsch sein.

Trotz aller institutionalisierter Ausbildungsmaßnahmen geht der überwiegende Teil des Erlernens des Berufes im „Training on the Job“, also in der unmittelbaren Anleitung am Arbeitsplatz, bei der täglichen Arbeit, vor sich.

Auch berufliche Veränderungen erfordern ein gerüttelt Maß an Ausbildung. Ein Mitarbeiter der Creditanstalt hat, wenn er lange Zeit für unser Haus tätig ist, viele verschiedene Stellen auszufüllen und entsprechend viele verschiedene Aufgaben zu bewältigen. Ein solcher Berufswechsel im Haus bringt für ihn viele Vorteile, läßt ihn einen weiten Erfahrungshorizont auf dem Gebiet der Bank-Allgemeinbildung gewinnen und kann selbstverständlich nur dann erfolgreich vorgenommen werden, wenn der Mitarbeiter bildungswillig ist und das Haus die entsprechenden Ausbildungsmaßnahmen und Lernmöglichkeiten bietet. Aber auch scheinbar ohne Veränderungen von fachlichen Aufgaben gibt es einen „Berufswechsel“ in der Bank, wenn ein Fachmann im Zuge seiner Karriere ein Niveau erreicht, auf dem er neben seinen Fachaufgaben auch ' Menschenführungsaufgaben wahrzunehmen hat. Das Hinzutreten dieser neuen Aufgaben stellt mindestens so große Anforderungen an ihn wie eine rein fachliche Veränderung.

Zu den geschilderten, sozusagen normalen Veränderungen, trat in letzter Zeit ein Problem, welches nicht zu unterschätzende Anforderungen an die geistige Flexibilität eines Menschen in einem großen Unternehmen stellt: die einschneidende Verlangsamung von Karrierechancen. Diese Beeinträchtigung positiver Zukunftserwartungen hat mehrere Gründe. Einmal hat sich die Lücke, die der Zweite Weltkrieg in die Reihen der aktiv im Beruf Stehenden geschlagen hat, geschlossen. Zum zweiten scheint die stürmische ökonomische Aufwärtsentwicklung der sechziger Jahre einem langsameren, normaleren Wachstumstempo Platz gemacht zu haben. Zum dritten ist die sehr personalaufwendige Umstellung, die die Aufnahme des Mengengeschäftes durch die Creditanstalt mit sich gebracht hat, weitgehend abgeschlossen.

Ein Zusammentreffen der erwähnten Phänomene wird sich in der überblickbaren Zukunft kaum wiederholen. Ein ehrgeiziger junger Bankangestellter, der bei seinem Eintritt vor 15 Jahren noch unter einem 55jährigen Vorgesetzten begann, hat heute eine Reihe junger Chefs von 35 bis 45 Jahren vor sich; was das für seine eigene Karrieregeschwindigkeit bedeutet, kann sich jeder selbst leicht ausrechnen. Anderseits bietet diese veränderte Situation viele positive Möglichkeiten zum ruhigen und gründlichen Lernen und Erfahrungsammeln.

Diese Überlegungen erfordern allerdings eine große Bereitschaft zum Umdenken. Die einseitige Betrachtungsweise des persönlichen Leistungserfolges in Kategorien des Aufsteigens, der vertikalen Karriere, mit Assoziationen wie „Blitzkarriere“, „Raketenstart“, „Wer es mit 40 nicht geschafft hat, schafft es nie“, die hierzulande ziemlich unkritisch aus der Wachstumswirtschaft Marke USA übernommen worden ist, muß kritisch überlegt werden. Hier ist das Problem zu lösen, wie es möglich sein wird, ohne negative Frustrationseffekte einen anderen positiven persönlichen Enjtwicklungsbegriff, den der Perfektion, gleichwertig neben den des Aufsteigens zu stellen.

Es wäre völlig verfehlt, zu glauben, daß irgendeine wirtschaftliche Leistung eines Unternehmens nur durch die Arbeit und den Einsatz einiger weniger dynamischer Chefs erbracht werden kann. Nach wie vor tragen die erfahrenen, fachlich qualifizierten, intensiv und verantwortungsbewußt arbeitenden Mitarbeiter dieser Chefs die Hauptlast der täglichen Agenden. Ihnen sollte das Bewußtsein, ihre Aufgaben besser, schneller, rationeller und somit subjektiv befriedigender lösen zu können, als Weg der persönlichen Perfektion und der größeren Arbeitszufriedenheit deutlich gemacht werden. Dieser Entwicklungsweg vom Referenten zum perfekten Referenten, vom Gruppenleiter zum nicht nur fachlich, sondern auch führungsmäßig erfahrenen Gruppenleiter ist gar nicht hoch genug für die Entwicklung der Persönlichkeit und die Steigerung der Effizienz eines Unternehmens einzuschätzen.

Wen trifft nun die Verantwortung für die Bewältigung der skizzierten Veränderungen? In erster Linie sicher jeden einzelnen berufstätigen Men-scheh, Der Ausspruch: „Wissen ist eine Holschuld“ schildert die Situation treffend. In zweiter Linie gehört es sicher zur sozialen Verantwortung des Unternehmens, für die berufliche und persönliche Entwicklung seiner Mitarbeiter die günstigsten Bedingungen zu schaffen. Zu diesen Voraussetzungen gehört nicht nur der Aufbau eines ünternehmensinternen Bildungswesens, sondern vor allem auch die Schaffung des entsprechenden positiven Klimas.

Transferprobleme, die beim „Training on the Job“ nicht existieren, ergeben sich dann, wenn neu Erlerntes nicht nur für den Ausgebildeten, sondern auch für seine Kollegen, womöglich sogar für seinen Vorgesetzten neu ist. Die geheiligten Argumente: „Das haben wir nie so gemacht“ bis hin zu „Da könnte ja jeder kommen“ bilden eine der Hauptursachen für viele Enttäuschungen und viel Kritik an Ausbildungsmaßnahmen in Form von Seminaren, die sich mit neuen Arbeitstechniken, Organisationsformen, Führungssystemen beschäftigen. Hier liegt die Hauptverantwortung des Unternehmens für das Wirksamwerden von Ausbildungsmaßnahmen. Die Bereitschaft, neue Probleme oder veränderte Arbeitsbedingungen durch neue Methoden zu bewältigen, muß von der Unternehmensführung dem. mittleren Management so intensiv und glaubwürdig vorgelebt werden, daß dadurch der allzu menschliche Widerstand gegen alles Neue von allen gemeinsam überwunden werden kann.

Zur Schaffung eines positiven Bildungsklimas gehört aber auch das Einbeziehen des zu bildenden Mitarbeiters selbst in den Entscheidungs-prozeß über das Bildungsziel und die Bildungsmaßnahmen. Der Erfolg solcher Maßnahmen wird umso größer sein, je mehr sich der Mitarbeiter selbst mit seinem Bildungsweg identifiziert.

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