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Milbestimmung: Machlausbau der Apparate?

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Der Sprachschatz unserer Tage hat ein modisches Schlagwort mehr: Mitbestimmung. Es scheint, als wäre dieser Begriff, der kaum aufgetaucht, schon zu einer Worthülse wurde, in die alle möglichen Vorstellungen hineingestopft werden können, eine Zauberformel, die vornehmlich die Zungen löst, ehe die Gedanken folgen können. Man redet von Macht und Einfluß, eben von Bestimmung, aber kaum davon, was die Mitbestimmung zwangsläufig einschließen muß, nämlich die Mitverantwortung. Und gewollt oder ungewollt gehen die Diskussionen an diesem Kern der Probleme vorbei und münden in Auseinandersetzungen über die Arbeitsverfassung — so als ob der derzeit vorliegende Entwurf für ein entsprechendes Gesetz eine geradezu seligmachende Wirkung erzielen könnte. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Wie es scheint, wurden in diesem Gesetzesentwurf gerade diejenigen vergessen, um die sich alles, was Mitbestimmung heißt, zu allererst zu drehen hat: die einzelnen Mitarbeiter in der Wirtschaft, die mündigen Bürger an ihren Arbeitsplätzen.

Man kann die Mitbestimmung vom Einzelmenschen nicht trennen und sie, wie dies gegenwärtig versucht wird, in Bausch und Bogen für die großen Vertretungsinstitutionen der Dienstnehmer reklamieren. Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer haben als Interessenvertretungen genügend Einflußmöglichkeiten, um ihre Aufgaben voll erfüllen zu können. Ebenso bedarf die schon bisher

starke Stellung der Betriebsräte keiner legislativen Verstärkung, weil auch dies dem einzelnen in seiner persönlichen Entfaltung wenig oder gar nichts bringen würde. Es ist längst an der Zeit, in der Mitbestimmungsdiskussion einer neu überdachten Wertung der Standpunkte und Zielvorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen. Ausgangspunkt sollte jedenfalls sein, daß das Schwergewicht aller künftigen Regelungen tatsächlich dort fixiert wird, wo es eigentlich seinen natürlichen Wirkungsrahmen hat: an den Arbeitsstätten.

Es dürfte nicht besonders schwer sein, die richtigen Relationen zu erkennen. Ein Blick in die komplizierten wirtschaftlichen Prozesse unserer Zeit verdeutlicht das. Oft nur mehr schwer überschaubar für einen Alleinverantwortlichen, wird heute das Gros der Betriebe zu einem entscheidenden und auch notwendigen Teil von „unselbständig Erwerbstätigen“ geleitet, die echte Unternehmeraufgaben mit entsprechenden Entscheidungsbefugnissen wahrnehmen. Das Beispiel des Managements in der Industrie belegt die Gültigkeit dieser Aussage. Niemals könnte die industrielle Großproduktion ihre erfolgreiche Existenz sichern, wenn nicht eine sinnvolle Aufgabenteilung und vielfache Delegationsebenen — hinter denen ja stets entschei-dungsbefugte Menschen stehen — den Betrieb zu einem funktionsfähigen Organismus verzahnten, in dem jedes menschliche Bindeglied wertvoll und wichtig ist. Ganz abgesehen von der durch die

Arbeitsteilung sich ergebenden Verantwortungs- und Entscheidungsstruktur, und die wichtige Stellung des einzelnen besonders in den hochspezialisierten Fachbereichen noch deutlicher sichtbar. Etwa in der Computertechnik, das heißt: überall dort, wo die elektronische Datenverarbeitung Einzug gehalten hat. Hier, in diesen Bereichen, wo es auf die Verantwortlichkeit des Mitarbeiters ankommt, wird Mitbestimmung praktiziert, hier ist auch das Feld für Regulative — im Betrieb und für den einzelnen, nicht von außen und durch Apparate, die mit den Gegebenheiten gar nicht vertraut sind.

Auch wenn man vom Beispiel der Großbetriebe weggeht und die kleineren Unternehmungen, die Familienbetriebe untersucht, kommt man — wenngleich auf anderen Wegen und durch' zum Teil völlig anders gelagerte Umstände — zum selben Ergebnis, daß der Berufstätige selbst und nicht das Interesse einer außerbetrieblichen Instanz im Mittelpunkt stehen muß. Es wäre nämlich völlig undenkbar, daß kleinere Produktions-, Verteilungs- oder Dienstleistungseinheiten ihr Leistungsangebot mit Erfolg auf dem Markt anbieten können, wenn nicht betriebsintern ein partnerschaftliches und kooperatives Verständnis zwischen Betriebsinhaber und Mitarbeitern herrschte. Es ist durch Erfahrung belegt, daß sich gerade in diesem Wirtschaftssektor der kleineren Betriebskategorien die Identifizierung des Arbeiters und Angestellten mit „seinem“ Unternehmen und mit

seinen Aufgaben besonders stark ausprägt. Zu Recht ist daher zu befürchten, daß bei eventuellen Eingriffen von außen lediglich eine Störwirkung entstehen würde. Eine solche Entwicklung kann durch nichts gerechtfertigt werden.

Wo ist also dann wirklich der Hebel für eine Mitbestimmungsform anzusetzen, die dem einzelnen nützt und auch für die Wirtschaft etwas Positives bedeutet, da man den Unternehmern — wenn auch nur verstohlen — im Einführungstext zu einem Gesetz nicht ins Gesicht sagt, daß hiemit ihre Rechte beschnitten werden, als ob es darum ginge, für das „Privileg“ der Verantwortung und des Risikos mit „Machtentzug“ bestraft zu werden?

Für die Wirtschaftsvertretung in Oberösterreich stellt sich die größere, steigende Verantwortungsübernahme durch die Mitarbeiter in den Betrieben — aus der sich natürlich mehr Mitbestimmung ergibt — in erster Linie als Ausbildungsproblem dar. Denn Befugnisse und Aufgabendelegation können nur auf dafür Qualifizierte übertragen werden. Und ebenso logisch ist die Erfordernis, daß diejenigen, die größere Verantwortung erhalten sollen und wollen, das nötige Rüstzeug, sprich: Wissen und Fachkenntnisse, haben müssen. Daher die Konsequenz, die die Handelskammer Oberösterreich nicht erst seit kurzem, sondern schon seit langer Zeit realisiert: Laufende Verbesserung der Aus- und Wei-

terbildungsbedingungen für alle in der Wirtschaft Tätigen. Beispielgebend ist in dieser Hinsicht die Aktivität des Wirtschaftsför-derungsinstitutes in der oö. Landeshauptstadt, das auch in allen Bezirken berufsorientierte Veranstaltungen — Kurse, Seminare, Lehrgänge und Vorträge — durchführt. Damit ist der Grundstein gelegt, in allen Branchen und für alle Teilbereiche des Betriebsgeschehens moderne Fachkenntnisse zu vermitteln, die es jedem, der die Chance nützt, erleichtern, organisch in höherwertige Aufgabengebiete hineinzuwachsen — aus eigener Kraft, und aus eigenem Antrieb. Diese beiden wohl wichtigsten Voraussetzungen können ja durch kein noch so hartes, gesellschaftspolitisch orientiertes Gesetz, das die Mitbestimmung gewissermaßen von oben herab „anschafft“, ersetzt werden.

Es bleibt daher auch für die Zukunft eine der Hauptaufgaben der Interessenvertretung der Wirtschaft, die das ökonomische Ganze im Auge haben muß, mit allen Mitteln darauf zu achten, daß gesetzliche Zwangsreglementierungen nicht Mitbestimmungssand in die Getriebe der Unternehmungen bringen, sondern daß vielmehr jedem Berufstätigen die Chance zur höheren Qualifikation — aus der sich von selbst ein erhöhtes Maß an Verantwortung und untrennbar auch echte Mitbestimmung ergibt — eingeräumt wird. Spezielles Fachwissen und das Erkennen-Können wirtschaftlicher Zusammenhänge werden dabei die wichtigsten Rollen spielen. Der unselbständig Erwerbstätige muß sein persönliches Leben auch im Berufsalltag bewußt gestalten können, dann kann er in allen Fragen selbst entscheiden und mitbestimmen — und kann diese Aufgabe nicht seiner eigenen Interessenvertretung überlassen, die statt ihm betriebliche Mitbestimmung „macht“.

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