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Digital In Arbeit

Den Arbeiter mitreden lassen!

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Am 22. Oktober führte die Fraktion Christlicher Gewerkschafter im ÖGB eine Enquete über die Mitbestimmung der Arbeiter im Betrieb und auf außerbetrieblichen Ebenen durch. Im folgenden bringen wir einige Gedanken zu den Referaten, die vom deutschen Bundesabgeordnete Adolf Müller, von Professor Dr. Walter Suk, Linz, und Dr. Manfred Drennig, Wien, im Festsaal der Wiener Arbeiterkammer gehalten wurden.

Seit dem Erscheinen der johanne- ischen Enzyklika „Mater et Magi- stra“ und seit der Neuformulierung gewisser Grundrechte der Arbeitnehmer im Konzilsdokument „Kirche in der Welt von heute“ will im katholischen Raum die Diskussion über die betriebliche und überbetriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht mehr verstummen. Besonders im deutschsprachigen Raum wird von verschiedenen Gremien und Gruppen nach

Formen gesucht, in die sich die richtungweisenden Grundsätze des Konzils zur praktischen Handhabung umgießen lassen.

Während es Leo XIII. in „Rerum Novarum“ noch vornehmlich um die Linderung des harten Loses der Industriearbeiter ging — er sprach allerdings auch schon vom „Miteigentum“ —, zielte Pius XI. in „Quadragesimo Anno“ bereits auf die Milderung der Fremdbestimmtheit der Arbeiter hin. Pius XII. war zaghafter: Bei ihm ist das Eigentum Ordnungselement, die Macht der Unternehmer darf nur dort eingeschränkt werden, wo es um Interessen des Allgemeinwohles geht.

Erst Johannes XXIII. wagte den Durchbruch. Er bezeichnete in „Mater et Magistra“ die Arbeit als unmittelbaren Ausdruck menschlicher Persönlichkeit, der der Vorrang vor den Produktionsmitteln — und ihren Eigentümern — einzuräumen sei. Denn Ziel allen wirt- schaflichen Handelns ist der Mensch, nicht die Produktion.

Eigene Wege suchen

Das Konzil konnte daraufhin den Satz formulieren, auf den sich alle Debatten über Mitbestimmung gründen: Die Mitwirkung aller bei der Führung des Unternehmens ist voranzutreiben. Konkrete Formen der Mitbestimmung wurden nicht festgelegt, da in den einzelnen Ländern die Wirtschaftsstrukturen verschieden sind, also alle eigene Wege suchen müssen, Wege zu einer echten Partnerschaft zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer.

Daß sich die Unternehmer über derartige Formulierungen nicht sonderlich erfreut zeigen, ist durchaus verständlich. Sie wenden vor allem ein, daß sie .als Kapitalgeber das Hauptrisiko zu tragen hätten und deshalb über Wohl und Wehe des Betriebes bestimmen müßten. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Arbeitnehmer ein wesentlich größeres Risiko, nämlich — ' bei Verlust des Arbeitsplatzes — das seiner Existenz, zu tragen hat. Der Arbeitsmarkt wird noch immer von der gesellschaftlichen Minderheit der Arbeitgeber bestimmt, das Marktrisiko trifft den Arbeitnehmer.

Auch hat sich gegenüber früheren Zeiten an der Risikofunktion des Kapitals mittlerweile einiges geändert. Heute trägt der Unternehmer ln den meisten Fällen das Risiko nicht mehr allein, da es vielfältige Möglichkeiten der Hilfe von seiten des Staates gibt.

In Deutschland wurde die betriebliche Mitbestimmung — durch paritätisch besetzte Aufsichtsräte — in der Montanindustrie durchgeführt.

Man ging davon aus, daß wirtschaftliche Macht kontrolliert und damit ihre mißbräuliche Anwendung verhindert werden muß. Denn finanz- starke Unternehmer haben am ehesten die Möglichkeit, ihre Macht auch gegen Widerstände durchzusetzen und durch Finanzierung politischer Parteien oder Gruppierungen auszuüben.

Immerhin eine Garantie

Man hat mit dieser betrieblichen Mitbestimmung trotz der strukturell bedingten Notsituation, in die die deutschen Kohlen- und Stahlbetriebe geraten sind, gute Erfahrungen gemacht. Gerade in den Gegenden, in denen während der Zeit der großen Wirtschaftskrisen nach dem ersten Weltkrieg die härtesten Arbeitskämpfe ausgefochten wurden, sind die Arbeiter bei den jüngsten Strukturänderungen diszipliniert geblieben. Die Mitbestimmung ihrer Vertreter hat sie zwar nicht der Existenzsorgen enthoben, aber sie hatten immerhin die Garantie, daß von verantwortungsbewußten Männern die sozial bestmöglichen Auswege aus dem Dilemma gesucht wurden und werden, daß man ständig bemüht ist, neue Arbeitsplätze zu schaffen und Härten mit allen zu Gebote stehenden Mitteln auszugleichen. Das ist dort, wo der Unternehmer nichts als seinen Profit im Auge hat, durchaus nicht der Fall. Es ist nur dort zu Spanungen gekommen, wo die Arbeitnehmervertreter es verabsäumt haben, die Arbeitnehmer rechtzeitig auf den Ernst der Lage aufmerksam zu machen und sie von den geplanten Maßnahmen zu informieren.

Widerstände zu überwinden

Ausgehend von den guten Erfahrungen mit der betrieblichen Mitbestimmung will man nun in der Bundesrepublik durch gesetzliche Maßnahmen die Mitverwaltung und -Verantwortung auch auf andere Betriebsgruppen ausdehnen.

Während man nun in der Bundesrepublik in Fragen der betrieblichen Mitbestimmung Schritt für Schritt vorwärtsgeht, beneiden uns die Deutschen um unsere Form der überbetrieblichen Mitbestimmung: In der BRD gibt es keine Arbeiterkammern, keine Paritätische Kommission, kein Begutachtungsrecht in unserem Sinn.

Aber auf dem Wege zur Mitbestimmung innerhalb des Betriebes sind in Österreich noch viele Widerstände zu überwinden: von seiten kapitalromantischer Unternehmer genauso wie von seiten der in Wirtschaftsfragen mangelhaft ausge- bildeteten Arbeitnehmer. Noch machen die Betriebsräte von ihren Rechten zuwenig Gebrauch, noch verwehren ihnen die Unternehmensleitungen die Möglichkeit, sich über die wirtschaftlichen Zusammenhänge im Betrieb zu informieren. Am ehesten könnte in Österreich die Mitbestimmung in den Aktiengesellschaften durchgesetzt werden. In der Trennung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ist bereits eine Aushöhlung der Interessen des Kapitals gegeben. Zur Zeit ist der Vorstand nur den Vertretern des Kapitals — also dem Ausichtsrat — gegenüber verantwortlich, er könnte ebensogut dem Arbeitnehmer gegenüber verantwortlich gemacht werden. Mit den konkreten Möglichkeiten wird sich in der nächsten Zukunft ein Ausschuß der Fraktion Christlicher Gewerkschafter im ÖGB eingehend beschäftigen.

Zur Zeit befaßt sich leider nur die Arbeitnehmerseite — und auch hier nur die Katholiken — mit den Fragen der betrieblichen Mitbestimmung. Es scheint,, als ob sogar die katholischen Unternehmer vorläufig den Grundsätzen des Konzils keine Beobachtung schenken wollen. Die Zeit zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer aber ist überreif, denn die Durchführung der Maximen des Konzils wurde allen Katholiken zur Pflicht gemacht.

Ein amerikanischer Universitätsprofessor wurde kürzlich von einem deutschen Soziologen gefragt, ob die Unternehmer in den USA gute Christen seien. Er gab zur Antwort: „Am Sonntag in der Kirche und in ihrer Familie ja, im Betrieb nicht, da sind sie nur Unternehmer." Dieses Wort sollte uns zu denken geben.

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