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Wen vertreten Betriebsräte und Gewerkschafter?

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ÖVP-Chef Taus hat vor kurzem an einem Tabu der österreichischen Politik gerührt, was ihm stantepede scharfe Repliken in der sozialistischen Presse einbrachte: Beim „Steiermark-Kongreß“ seiner Partei bezeichnete er die Demokratisierungsideen der SPÖ als „eine Art Wahn“, mit dem sich die Sozialisten an einer Grenze bewegen, deren Überschreitung die bisherigen Errungenschaften der Demokratie aufs Spiel setzt.

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ÖVP-Chef Taus hat vor kurzem an einem Tabu der österreichischen Politik gerührt, was ihm stantepede scharfe Repliken in der sozialistischen Presse einbrachte: Beim „Steiermark-Kongreß“ seiner Partei bezeichnete er die Demokratisierungsideen der SPÖ als „eine Art Wahn“, mit dem sich die Sozialisten an einer Grenze bewegen, deren Überschreitung die bisherigen Errungenschaften der Demokratie aufs Spiel setzt.

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Sicherlich wird Taus seine Kritik noch präzisieren müssen. Prinzipiell ist aber zweifellos richtig, daß das an sich begrüßenswerte Demokratisierungsbestreben gegenwärtig überstrapaziert und in falsche Kanäle gelenkt wird. Die Intentionen, sämtliche Lebensbereiche zu „demokratisieren“ und den politischen Entscheidungs-prozeß zur Gänze auf eine plebiszitäre Basis zu stellen, muß den Staatsapparat paralysieren und zur Korrision der demokratischen Institutionen führen, also die Demokratie nicht erweitern, sondern zerstören.

Der von Taus erhobene Vorwurf der Täuschung ist insofern nicht von der Hand zu weisen, als vielfach unter dem Prätext der Demokratisierung nichts anderes als eine bloße Verlagerung der Machtkonzentration angestrebt wird. Symptomatisch dafür ist die sogenannte „Wirtschaftsdemokratie“, innerhalb welcher die an sich richtige Forderung nach Mitbestimmung der Arbeitnehmer in eine ganz falsche Richtung gesteuert wird.

Nach den gegenwärtigen Plänen der Gewerkschaften soll die Mitbestimmung auf institutionellem Weg erreicht werden, nämlich dadurch, daß Arbeitnehmervertreter in möglichst großer Zahl in den Entscheidungsgremien der Unternehmen - also in Vorstand und Aufsichtsrat oder Geschäftsführung - Sitz und Stimme erhalten. Dabei wird immer wieder der JWunsch aufs Tapet gebracht, daß auch jpe^i.ebsfremde Gewerkschaftsfunktionäre als Arbeitnehmervertreter ingeschleust werden können. ' Derartige Pläne wurden zwar bisher immer wieder zurückgestellt, was aber in der Praxis - speziell bei größeren Betrieben - ziemlich irrelevant ist. Auch die meisten betriebsinternen Arbeitnehmervertreter sind für ihre Aufstellung und propagandistische Unterstützung als Kandidaten von den Gewerkschaftsfraktionen abhängig. Sie werden auch von ihnen geschult und dazu motiviert, ihre Funktionen im Sinn eines gewerkschaftlichen Konzepts auszuüben und die unmittelbaren Belegschaftsinteressen -welche sehr häufig mit den Firmeninteressen konform gehen - „höheren“ Interessen unterzuordnen.

Auf diese Manier wird aber die Mitbestimmung für den einzelnen Arbeitnehmer völlig entkonkretisiert, sie wird zu einem Stück Papier. Die wirklichen Entscheidungskompetenzen fallen hingegen eigengesetzlichen Organisationen zu, deren Interessen mit denen der Arbeitnehmer nicht unbedingt identisch sein müssen, ja es immer weniger sein werden, je größer die Macht der Organisationen in Wirtschaft und Staat wird. Von solcher „Mitbestimmung“ hat der individuelle Arbeitnehmer ebensowenig wie vom „Mitbesitz“ bei „volkseigenen“ Betrieben.

Die institutionelle Mitbestimmung korreliert mit der kollektivistisch-materialistischen Ideologie des Marxismus und steht somit dem personali-stisch-menschbezogenen Konzept der katholischen Soziallehre diametral entgegen. Die christlichen Gewerkschaften sind daher schlecht beraten, wenn sie sich für die institutionelle Mitbestimmung stark machen und beispielsweise durch Forcierung der paritätischen Besetzung der Aufsichtsräte die Sozialisten links zu ,überh|Q^en,bgmiibtsjn^. p^Siistnich,tj; einmal gute Taktik, welche zu Popularitätsgewinn führen würde, denn -dies zeigte eine demoskopische Rundfrage in deutschen Betrieben - die Mitbestimmung in dieser Form rangiert auf der Wunschliste der Arbeitnehmer ganz unten, wohl aus dem richtigen Instinkt heraus, daß sie weniger im allgemeinen als vielmehr im Funktionärsinteresse liege.

Der katholischen Soziallehre und dem wahren Interesse der Arbeitnehmer entspricht hingegen die funktionelle Mitbestimmung: Die Mitbestimmung des einzelnen im überschaubaren Bereich, eine möglichst große Entscheidungsfreiheit für diesen an seinem Arbeitsplatz. Eine derartige konkret auf den Menschen hin orientierte Mitbestimmung beeinflußt selbstverständlich auch die Entscheidungen der Betriebsführung und verringert zweifellos auch die Macht der Unternehmerschaft. Sie wirkt aber im Sinn der genuinen Belegschaftsinteressen, und sie schafft keine neuen Machtkonzentrationen, welche den Demokratisierungsprozeß automatisch ad absurdum führen.

Wenn gegenwärtig die Definitionen der funktionellen Mitbestimmung noch sehr vage sind und es diesem Konzept noch vielfach an Substanz mangelt, so liegt dies nicht an der Idee, sondern daran, daß zu ihrer Konkretisierung noch viel zu wenig getan wurde. Hier würden sich interessante und wichtige neue Betätigungsfelder für christliche Sozialpolitiker und nichtmarxistische Arbeitnehmervertreter ergeben, deren Aufgabe ja sinnvollerweise nicht darin bestehen kann, sozialistischen Ideen nachzulaufen, sondern nur darin, echte Alternativen auf der Basis der funktionellen Mitbestimmung zu erarbeiten.

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