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Die Unternehmerfunktion

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Nun ist die Selbständigkeit des Vorstandes großer Gesellschaften in meinen Ausführungen nur insoweit berührt, als ich einen der Hauptmängel in der Argumentation für die paritätische Mitbestimmung darin sehe, daß statt von der Unternehmerfunktion von Weisungsbefugnis der Unternehmensleitung gesprochen wird, die von Arbeitnehmern und Eigentümern gleichberechtigt zu bestellen sei und daher ihre Autorität auch von diesen beiden Gruppen ableite.

Die Unternehmerfunktion ist aber viel mehr als nur Weisungsbefugnis. Sie besteht in der Entscheidung über Unternehmensziele nach Maßgabe der Marktsituation und voraussichtlicher Marktentwicklung, in der Entscheidung über Kostengestaltung angesichts des im Wettbewerb erfolgenden Preisbildungsprozesses, in der Entscheidung über Investitionen zur Erzielung der gebotenen technischen Leistun0sfähigkieit, in der Entscheidung über betriebliche Organisationsfragen, in der Entscheidung über die immer wieder notwendig werdende Rationalisierung des Produktionsprozesses, in der Entscheidung über die dazu erforderliche Selbstfinanzierung oder Kapital- und Kreditaufnahme — alles mit dem Ziele der Erhaltung und Ertragssteigerung deis Unternehmens mit gesicherten und wachsenden Verdiienstmögiichkeiten für alle Beschäftigten.

Eine Gefahr

Die Forderung nach Ausweitung der Montanmitbestimmung auf alle Großunternehmen, meint Vogt weiter, ziele auf die paritätische Besetzung des Aufsichtsrates ab; ich spräche daher, sagte er, zu Unrecht davon, „die Befürworter der paritätischen Mitbestimmung verlangten eine paritätisch zusammengesetzte Unternehmensführung“.

Tatsächlich würde ich keinem katholischen Sozialwissenschaftler den Gedanken einer paritätisch organisierten Unternehmensführung xutrauen. Ich spreche auch mit keinem Wort von einer solchen, wohl aber von der Gefahr der mitbestimmenden Einflußnahme auf die Unternehmensführung und insofern auch von der Gefahr der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit bei der Ausübung der Unternehmerfunktion.

Die Erfüllung der Unternehmerfunktion setzt die Freiheit der Unternehmerentscheidung im Sinne ihrer Orientierung an den in der Beschreibung der Unternehmerfunktion angesprochenen Realfaktoren des volks- und weltwirtschaftlichen Prozesses voraus. Diese Freiheit, das war mein Argument, war bisher in der freiheitlichen Gesellschaft durch die Eigentumsinstitution gewährleistet. Bei einer Untemehmensführung nach dem Prinzip der paritätischen wirtschaftlichen Mitbestimmung würden gegebenenfalls mit Berufung auf unmittelbare Interessen der Arbeitnehmer unternehmerisch notwendige Entscheidungen verhindert werden; und das zum Nachteil des dauernden Interesses der Arbeitnehmerschaft.

Wirklich soziale Sicherheit?

Das Interesse der Arbeitnehmerschaft ist es, das in Frage steht und 1 das unlöslich an die Erfüllung der

• Sozialfunktion des Eigentums ge- ' knüpft ist und daher an den unbe- ' einträchtigten Bestand der Eigen- ! tumsinstitution.

Darauf erwiderte Vogt: „Darin sind sich alle Befürworter der paritätischen Mitbestimmung einig“, daß ! durch „die Mitbestimmung nicht die : sachlich gerechtfertigte Selbständig-

• keit des Vorstandes“ gefährdet wer- den darf.

1 Wie es um diese Einigkeit hin- t sichtlich der Ziele der paritätischen

• wirtschaftlichen Mitbestimmung be- 1 stellt ist, zeigte sich auf dem - Gewerkschaftstag der IG Chemie,

Papier, Keramik Anfang Oktober in i Dortmund, auf dem ihr Vorsitzender r Wilhelm Gefeller mit Betonung fest- l stellte: „Unser Hauptziel muß die i soziale Sicherheit der Arbeitnehmer t sein. Das entscheidende Mittel, um sie zu erreichen, ist die qualifizierte Mitbestimmung in der Wirtschaft“; Automation, Rationalisierung und Strukturkrisen dürfen, betonte er, nicht die wirtschaftlich Abhängigen zuerst und allein treffen.

Über die Berechtigung der letzt erwähnten Forderung kann kein c Zweifel bestehen.

Fraglich ist aber, ob die ange- 1 strebte paritätische wirtschaftliche Mitbestimmung das „entscheidende Mittel“ ist, ja ob es überhaupt 1 zweckmäßig ist.

Fraglich ist außerdem, ob die ‘ soziale Sicherheit in erster Linie eine Sache des Einzelunternehmens und nicht vielmehr der Gemeinwohlverantwortung des Staates und seiner : Wirtschafts- und Sozialpolitik ist, da die Interessen der Gesamtarbeitnehmerschaft betroffen und gerade die Interessenpolitik in einzelnen 1 Großunternehmen den im Interesse der Gesamtarbeitnehmerschaft gelegenen Konjunkturverlauf schwer ; benachteiligen kann.

Wenn aber das Einzeluntemehmen . für die soziale Sicherheit verantwortlich gemacht wird, ergibt sich die Frage, wie anders die Erreichung des „Hauptziels“ der paritätischen , wirtschaftlichen Mitbestimmung als durch entsprechende Einflußnahme auf die Geschäftsführung der Unternehmen möglich ist.

Die Selbständigkeit des Vorstandes

Unerfindlich sei, meint Vogt, wie die paritätische Besetzung des Aufsichtsrates „die sachlich gerechtfertigte Selbständigkeit des Vorstandes einschränken soll“.

Derselben Ansicht ist Otto Brenner, der Vorsitzende der IG Metall: „Der Einfluß der Arbeitnehmer soll keineswegs die sachlich gebotene Uber- und Unterordnung aufheben, sondern lediglich den Einfluß der Betroffenen auf die Träger der Leitungsmacht sichern.“ Brenner fügt aber sogleich erklärend hinzu: „Die Führungskräfte sollen stärker dazu veranlaßt werden, das Wohl breiter Bevölkerungsschichten in ihre Überlegungen einzubeziehen. Sie sollen auf Zeit gewählt, in ihrer Tätigkeit kontrolliert und bei Mißbrauch ihrer Macht abberufen werden“ (in „Arbeit und Wirtschaft“, Wien, September 1966).

Kann der so gesehene Einfluß auf die Träger der „Leitungsmacht“ etwas anderes sein als Einfluß auf he Unternehmensführung und auf he Ausübung der Unternehmer- Eunktion?

Wiederum: Die Frage des Arbeitnehmerinteresses

Wieder entsteht die Frage, wie der Arbeitnehmerschaft und dem Wohl breiter Bevölkerungsschichten am besten gedient ist.

Selbstverständlich darf die Arbeitnehmerschaft nicht zuerst und allein von Automation, Rationalisierung, Umstruktuierung betroffen werden. Ebenso gewiß äst aber, daß Automation, Rationalisierung, Umstrukturierung nicht im Belieben der Unternehmen und der Volkswirtschaft liegen, sondern eine unerbittliche Folge des internationalen Wettbewerbs sind. Nicht minder gewiß ist, daß dem gesicherten Ansteigen der Konjunkturentwicklung und damit auch der sozialen Sicherheit am besten durch ein Höchstmaß hochqualifizierter, sachorientierter

Unternehmerfunktion gedient ist. Unerläßliche Voraussetzung für diese Unternehmerfunktion ist die Möglichkeit freier Entscheidung des Managements nach Maßgabe des in der Wettbewerbswirtschaft Notwendigen und Zweckdienlichen. Nichts anderes als das bedeutet die Rationalisierung.

Wohl deshalb, weil es im erwähnten Sinne um die Zukunft der Volkswirtschaft und breitester Bevölke- kerungsschichten — vor allem auch der Arbeitnehmerschaft — und um ihre soziale Sicherheit geht, trat Professor Karl Schiller, der wirtschafts- politische Sachverständige der SPD und neue Wirtschaftsminister der Bundesrepublik, auf dem SPD-Par- teitag 1966 in Dortmund für die „Unverletzlichkeit des Eigentums“ ein, wider die Gruppen im der SPD und im DGB, die glauben, durch einen mit der paritätischen wirtschaftlichen Mitbestimmung einhergelhen- den Eingriff in die Eigentumsinsti- tutiom sozialen Zielen dienen zu können.

Ein kritischer Punkt

Die Ziele der Forderung nach paritätischer wirtschaftlicher Mitbestimmung mögen durch Gefeller und Brenner extrem formuliert sein, zweifellos ist damit der eigentlich kritische Punkt der Frage der paritätischen Mitbestimmung berührt: die Entscheidungsfreiheit bei Ausübung der Unternehmerfunktion. Sie ist sachlich durch die Eigentumsinstitution bedingt.

Für Führungskräfte, die ständig in dem Bewußtsein handeln müssen, „in ihrer Tätigkeit kontrolliert und bei Mißbrauch ihrer Macht abberufen zu werden“, fehlen die unerläßlichen psychologischen Voraussetzungen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit Die bisherige Montanmitbestimmung kann nicht als Beispiel dagegen angeführt werden, da die von Gefeller und Brenner gesteckten Ziele der paritätischen wirtschaftlichen Mitbestimmung viel weiter gehen. Diese Ziele liegen aber in der Logik des Gedankens der paritätischen Mitbestimmung, die sich geltend machen wird, sobald an die Stelle der fragwürdigen ethischen Begründungsversuche der paritätischen Mitbestimmung Machtargumente treten sollten.

Selbstverständlich ist ebenso wie die nicht an die Sozialfunktion des Eigentums gebundene Kontrolle der . Unternehmensleitung auch eine ab- ’ solute Freiheit der Unternehmerent- 1 Scheidung abzulehnen. Sozialgesetz- ; gebung, Gewerkschaften, die Wirtschaftspolitik mit ihren vielfältigen , Mitteln haben Wege genug, einer solchen absoluten Freiheit vorzu- , beugen, soweit Gemeinwohlforde- rungen bestehen.

„Sachlich gerechtfertigt?“

Nicht zu übersehen ist die Parallelität der Wendungen von „sachlich gerechtfertigter Selbständigkeit“ (Vogt) und „sachlich gebotener l Über- und Unterordnung“ (Brenner). 1 Alles kommt auf die Auslegung von „sachlich“ an. Machtangleichung in Verbindung mit Risikoangleichung i steht in den Begründungsversuchen , der Befürworter der paritätischen . Mitbestimmung im Vordergrund,

- sehr konkret bei Gefeller und Bren-

- ner.

r Indessen: Nicht nur sachlich ge-

- rechtfertigt, sondern sachlich ge- • boten ist die Selbständigkeit der i Unternehmensleitung, weil die

- naturrechtliche Zweckbestimmung

- der Erdengüter ein Höchstmaß von ; Entscheidungsfreiheit bei Ausübung

- der an die Sozialfunktion des Eigen- 3 tums gebundenen Unternehmerfunk- r tion fordert.

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