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Die Bedeutung der politischen Parteien in der modernen Gesellschaft wird heute nur noch von einigen Uneinsichtigen bestritten. In unserer demokratischen Republik haben die Parteien einen festen Platz. Und das mit Recht. Sie waren es — und daran muß ab und zu erinnert werden —, die im Jahre 1945 sehr entscheidend an der Errichtung unseres demokratischen Staatswesens mitgewirkt haben. Man mag die politischen Parteien noch so kritisieren, eines steht fest: ohne sie gäbe es und gibt es kein demokratisches Staatswesen. Daher sind die Parteien mit Recht als ein notwendiger Bestandteil unserer freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung zu bezeichnen. Kritischer als die politischen Parteien werden die Verbände oder Interessengruppen, auch kollektive Mächte genannt, beurteilt. Die Kritik am Verbände- wesen, am Kammerstaat, ist oft sehr heftig. Was die Gewerkschaften betrifft, werden sie oft gelobt, aber ebenso häufig verdammt. Nicht selten hört man, daß ihre Politik, vor etilem ihre Lohnpolitik, Wirtschaftsfeindlich sei. Und das Recht der Gewerkschaften, die Festlegung von Lohn- und Arbeitsbedingungen mit dem Mittel des Kollektivvertrages, sei demokratiefeindlich.

Gelobt und kritisiert

Gelobt werden die Gewerkschaften nicht nur von ihren Mitgliedern, die den Gewerkschaften höhere Löhne und damit einen höheren Lebensstandard verdanken, sondern auch von allen Einsichtigen, die längst erkannt haben, daß eine freie Gesellschaft ohne freie Gewerkschaften undenkbar ist

Was sind die Gewerkschaften? Sie sind, wie jede Gruppierung von Menschen in einem Rechtsstaat, den gesellschaftlichen Grundregeln einer staatlichen Gemeinschaft unterworfen. Sie können weder außerhalb noch neben dieser Gemeinschaft bestehen, noch können sie die für alle geltenden Regeln mißachten. Sie sind Teile der Gemeinschaft, und als solche den bestehenden Gesetzen und Regeln unterworfen.

Viele, die die Gewerkschaften kritisieren, haben noch das Bild der Gewerkschaften von früher vor sich.

Sie übersehen zumeist, daß sich die Tätigkeit der Gewerkschaften und ihre Haltung gegenüber dem Staat grundlegend geändert haben. Was früher richtig war, hat heute oft keine Geltung mehr. Früher wurden die Gewerkschaften von der Obrigkeit verdrängt und verfolgt. Heute sind sie anerkannte Faktoren im staatlichen Leben, sie können in diesem Staat frei wirken und sich zu ihm bekennen. Die Arbeit und die Haltung der Gewerkschaften seit 1945 beweisen eindeutig: Der Gewerkschaftsbund spielt in unserem demokratischen Gemeinwesen eine wichtige und notwendige Rolle, er wirkt getreu seinem Statut, in dem es unter anderem heißt:

„Der Gewerkschaftsbund ist in Verfolgung seines Zweckes zu einem kraftvollen Mitwirken am Aufbau Österreichs zur Wahrung der Unabhängigkeit und Neutralität unseres Landes, zur Bekämpfung des Faschismus, jeder Reaktion und aller totalitären Bestrebungen, zur

Mitarbeit an der Sicherung des Weltfriedens sowie zum unentwegten Kampf zur Hebung des Lebensstandards der Arbeitnehmerschaft Österreichs berufen.“

Der österreichische Gewerkschaftsbund steht treu zum derzeitigen demokratischen Staat. Er will jedoch eine Änderung in wirtschaftspolitischer Hinsicht, er will die Wirtschaftsdemokratie verankern und ausbauen, weil nach Ansicht der Gewerkschaften die Arbeitnehmer zwar die politische, nicht aber die wirtschaftliche Gleichberechtigung besitzen.

Die Hebung des Lebensstandards der Arbeitnehmer kann aber nur durch Mitbestimmung in der Wirtschaft erreicht werden. Ohne diese Mitbestimmung besteht die Gefahr, daß die Ergebnisse von Lohnbewegungen, durch Preismanipuüationen, steuer- oder zollpoliitische Maßnahmen ganz oder teilweise wieder aufgehoben werden.

Wünsche

Der österreichische Gewerkschaftsbund ist der Auffassung, daß er die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber jedem Unternehmer, gleichgültig ob er privater, staatlicher oder gemeinwirtschaftlicher Unternehmer ist, zu vertreten hat und daß das Verhalten der Gewerkschaften von der Verhaltensweise des Unternehmers abhängt: handelt die Gegenseite vernünftig, trachtet sie, nur berechtigten Forderungen im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten Rechnung zu tragen, kann sie auch auf Verständnis von gewerkschaftlicher- Seite rechnen. Die Gewerkschaften zweifeln daran, daß ein gegenteiliges Verhalten der Unternehmer, aus dem die Gewerkschaften die Konsequenzen ziehen würden, für die Wirtschaft nützlich wäre. Man darf nicht in die Annahme verfallen, daß die Entwicklung gegen die Gewerkschaften arbeite und sie automatisch schwächer würden, wenn man ihnen keine Konzessionen zur Sicherung ihres Einflußbereiches macht. Die Gewerkschaften argumentieren, sie seien schon so stark und selbstbewußt und schon so sehr im öffentlichen wie im wirtschaftlichen Leben verankert, daß die Realisierung einer gewerkschaftsfeindlichen Politik bedenkliche Folgen hätte.

Der österreichische Gewerkschaftsbund ist bestrebt, seine Stellung zu behaupten und auszubauen. Er ist srtark, er hat seine Macht noch nie mißbraucht. Obwohl er die stärkste Bevölkerungsgruppe vertritt, wird er als starker Interessenverband nie Anspruch auf die Vertretung des ganzen Volkes erheben. Vielmehr wird er sich immer bemühen, die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten:

Ihnen jene Rolle zu erkämpfen, die ihnen in einem demokratischen Staat zusteht.

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