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Ablenkungsmanöver
Zwei Wochen nach der Vorlage des Aktionsprogramms der Gewerkschaft der Privatangestellten sieht es so aus, als ob ein Erfolg des Programms bereits verzeichnet werden könnte. Im Schatten der Erregung über die Forderung Alfred Daliingers nach voller paritätischer Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und nach Anhe-bung des Grenzsteuersatzes von 62 auf 80 Prozent gelang es, unbemerkt und daher unwidersprochen eine Fülle von „kleinen“ Wünschen und Absichtserklärungen in das Programm aufzunehmen, deren Verwirklichung in Summe die Rahmenbedingungen für un-
ternehmerisches Handeln in diesem Lande weit tiefgreifender verändern würde als paritätische Mitbestimmung und die Verlängerung der Progression bei der Einkommensteuer.
Während die paritätische Mitbestimmung auch nach dem neuerlichen Dallinger-Vorstoß auf Großbetriebe (ab einem bestimmten Umsatz, einer fixierten Bilanzsumme und Mitarbeiterzahl) beschränkt bliebe, würde die Erfüllung der „kleinen“ Forderungen jene treffen, die in unserer Wirtschaft dominierend sind: Die Klein- und Mittelbetriebe. So zum Beispiel einschneidende Kündigungsbeschränkungen und die Ver-wässerung des Leistungslohnprinzips.
Neben der Fixierung auf die beiden Schlagzeilenthemen Mitbestimmung und Progressionsverlängerung fällt mir in der Diskussion um das Aktionsprogramm der Privatangestellten vor allem der Unterschied zwischen dem selbstbewußten Vertreten der Forderungen durch die Arbeitnehmervertreter und der fast schon schuldbewußt wirkenden Ablehnung durch die Arbeitgeberseite auf.
Was dazu führt, daß man verkrampft nach betriebswirtschaftlichen Gründen („Blok-kierung der Entscheidungsmechanismen“, „Zugang zu Betriebsgeheimnissen für Konkurrenten“ usw.) sucht, obwohl es hier in erster Linie um eine philosophische, oder wenn man will, gesellschaftspolitische Kategorie geht: Wie ist der Stellenwert des Kapitals im Vergleich zum Faktor Arbeit zu definieren, wie ändert sich der Stellenwert des Eigentums, was ändert sich an den Machtverhältnissen, und wie findet der Interessensaus-gleich statt?
Vor den betriebswirtschaftlichen Konsequenzen eines zur Hälfte mit Arbeitnehmern besetzten Aufsichtsrates würde ich mich als Unternehmer weit weniger fürchten als als Bürger vor den möglichen Signalwirkungen in Richtung einer weiteren Beschränkung der Verfügungsgewalt über privates Eigentum. Haben doch so gut wie alle von der Arbeitsnehmerseite beziehungsweise den ihr nahestehenden Organisationen eingesetzten Manager stets in Windeseile in ihrem Denken und Verhalten die Metamorphose zum „Unternehmer“ vollzogen.
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