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Digital In Arbeit

Ein Wort, viele Facetten

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„Was wir jetzt haben, ist genug.” Helmut Schuster, erfolgreicher Sanierer der bis vor kurzem tief in den roten Zahlen steckenden Ankerbrot AG in Wien, spricht mit dieser Bemerkung den meisten seiner Unternehmerkollegen aus der Seele.

Hätten die Arbeitgeber freilich auf diesem Grundsatz beharrt, wäre die Sozialpartnerschaft längst zerbrochen.

Aber mehr noch als die Politik sprechen heute Sachzwänge für die Verlagerung von Entscheidungen auf verschiedene Ebenen. Dezentralisierung — auch von Information — ist Trumpf. Besser sind freilich jene Betriebsinhaber dran, die dabei die Initiative ergreifen. Wer in der Meinungsbildung in die Offensive geht, hat mehr Chancen, seine Vorstellungen zu verwirklichen, als wer gegen bereits gefällte Urteile agieren muß.

„Es ist heute unmöglich, einen Betrieb autoritär zu führen”, ist Wdffgang Nussbaumer, Geschäftsführer der Schifabrik Kästle, überzeugt. Dies ist nicht nur dem Druck der Gewerkschaften und Betriebsräte zu verdanken, sondern mindestens ebenso auf die Vielzahl kaufmännischen und technischen Spezialwissens zurückzuführen, das für die Produktion von Markenartikeln heute nötig ist. Dieser Mittelbau von Spezialisten verbreitert sich ständig und profitiert am stärksten von informeller Mitbestimmung.

Bei Kästle etwa sind 440 Mitarbeiter beschäftigt. Es gibt deutlich strukturierte innerbetriebliche Informationskanäle. Dem Geschäftsführer sind vier Hauptabteilungsleiter, diesen wieder sechzehn Abteilungsleiter unterstellt.

Diese Kleingruppen werden durch Ziel vorgaben („Management by Objectives”) geführt. Es gibt Drei- und Einjahrespläne. Investitionen werden gemeinsam geplant und durchgeführt. Da der Betrieb seine Maschinen selbst baut, sind die Mitarbeiter in den Automationsprozeß eingebunden, dafür hat man schon sechs Jahre lang keinen Beschäftigten mehr abgebaut. Den in vielen Betrieben schwer verkraftbaren „EDV-Schock” versuchte man bei Kästle durch verstärkte Schulungen abzufangen.

Auch die Budgeterstellung für das Unternehmen erfolgt dezentral in den Abteilungen.

„Produktive Partnerschaft”, so ein Buchtitel, ist zwar „in”, ihre Formalisierung und die von Dal-linger gewünschte Verlagerung der Initiative zu den Arbeitnehmervertretern wird jedoch je nach Mentalität oft boykottiert, ignoriert oder offen bekämpft. Mit der Ausweitung des Kündigungsschutzes auf Kleinstbetriebe reagiert die Gewerkschaft zwar auf den Trend zu kleinen Einheiten in Handel und Produktion (etwa die vielen Ein- oder Zweimann-Elektroniker, die mit minimalen Fixkosten oftmals recht stattliche Erträge erwirtschaften), sie trifft jedoch gerade in diesem Bereich auf schwer-organisierbare Arbeitnehmer, denen flexiblere Arbeitszeit und „Freiheit” mehr bedeutet als die formalrechtliche Absicherung ihres Arbeitsplatzes durch den „starken Arm” der Gewerkschaft.

Zehn Jahre sozialistische Politik haben bei den Unternehmern, die Pleiten und Großsanierungen der letzten Jahre bei den Arbeitnehmern einen Denkprozeß eingeleitet.

So ist Schuster etwa der Ansicht, daß die gesetzlich verankerte Mitsprache der Betriebsräte bei der Einführung von elektronischen Personalinformationssystemen nicht nur sinnvoll, sondern sogar notwendig ist. Gegen ein Vetorecht, wie es Daliinger nun wünscht, wehrt er sich jedoch energisch; ebenso gegen einen verstärkten Einfluß der Belegschaftsvertreter auf Vorstand und Aufsichtsrat: „Wer das Risiko trägt, hat auch die Entscheidung zu fällen.”

Als Musterbeispiel für eine erfolgreiche Offensive zur Einbeziehung von Mitarbeitern in Ent-scheidungsprozesse fühlt sich das Tiroler Metallwerk Plansee. Lange vor dem Arbeitsverfassungsgesetz wurde hier die Drittelparität im Aufsichtsrat eingeführt. Freilich, auch hier stellt Geschäftsführungsmitglied Albert Pietsch unmißverständlich fest: „Die Entscheidungen behalten wir uns vor.”

Aber es geht wohl auch dem Sozialminister nicht darum, die Kuh zu schlachten, die er melken will, sondern um mehr gewerkschaftliche Präsenz in den kleinen, jungen Betrieben und um mehr Schutz für „Rationalisierungsopfer” im Arbeitsleben. Ob gerade hier, wo schon in den letzten Jahren die Reduktionen stattgefunden haben, oftmals mit Zustimmung der Betriebsräte, die sich, wenn es um die Existenz des Unternehmers geht, mehr mit dem Arbeitgeber als mit dem Sozialminister in einem Boot fühlen, politische Maßnahmen helfen, ist allerdings die Frage.

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