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Digital In Arbeit

Keine Angst mehr vor Fließband

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„Es hat mir sehr gut gefallen.“ Unter dieser Schlagzeile veröffentlichte der ÖGB die Meinung seines Arbeitstechnik-Experten Josef Rath über das neue Schrack-Relaiswerk in Waidhofen an der Thaya. Das Organ der Industriellenvereinigung, „die Industrie“, bemerkte gleichfalls in einem Artikel über die Schrack-Fa-brik trocken, daß dort die Leistung je Arbeitsplatz um 20 bis 25 Prozent gesteigert werden konnte.

In dem Relaiswerk sieht der österreichische Gewerkschaftsbund seine Forderungen bezüglich Humanisierung der Arbeitswelt „weitestgehend verwirklicht“. Immerhin zahlte die Schrack AG „15 Prozent der Investitionen für die Humanisierung der Arbeitswelt“ (ÖGB-Nachrichten-dienst). Ein sicherlich hoher Wert.

Es sind aber keineswegs nur die besonderen humanen Seiten des Werkes allein, die der Arbeiter-Interessenvertretung derart euphorische Kommentare abringen - das Lob der Gewerkschafter läßt gleichermaßen auch Erleichterung erkennen, weil sich überhaupt jemand getraut hat, 300 neue Arbeitsplätze im nördlichen Waldviertel hart an der tschechischen Grenze anzusiedeln und gleich die ganze Waidhofener Piering-Be-legschaft zu übernehmen. Deren Strumpffabrik war im Rahmen der „Textillösung Ost“ geschlossen worden, mittlerweile ist daraus durch den Konkursantrag eine Endlösung geworden.

Obwohl die Bevölkerung in dem ehemaligen „Bandlkramer-Landl“ (die Gegend um Waidhofen war früher einmal ein echtes Textil-Indu-striegebiet) auch über traditionelle Arbeitsplätze froh gewesen wäre, suchte die Schrack AG schon aus Gründen der Rationalisierung neue Wege in der Gestaltung der Fabrik. Denn „man kann nur erfolgreich rationalisieren, wenn man die Betroffenen mitarbeiten läßt“, meint Schrack-Direktor Harald Wettach. Daß in dieser Branche rationalisiert werden muß, steht für alle Beteiligten fest, der ständige Fortschritt der Halbleitertechnik drängt vergleichsweise einfache Bauteile wie das Relais immer weiter zurück. Auf absehbare Zeit gibt man diesem Produkt aber trotzdem gute Verkaufschancen, nicht zuletzt auf Grund der regen Auslandsnachfrage. Schrack setzt immerhin 80 Prozent der in Waidhofen hergestellten elektrischen Schalter auf niederösterreichischen Märkten ab.

Auch im Waidhofen gibt es „den Zwang zur Arbeit nach Zeit, nur halt verschönert“ (Betriebsratsobmann Heinrich Kratochvila), die Leute werden je nach Arbeitsleistung (gemessen in Stück pro Zeiteinheit) bezahlt, ohne daß jedoch der einzelne unter dem Druck des Gruppenakkordes stünde. Möglich wurde diese Arbeitsweise durch ein speziell ausgetüfteltes „taktloses“ Fließband. (Das ist im wesentlichen nichts ande-

res als ein Transportsystem, mit dem die verschiedenen Teile zu den einzelnen Arbeitsplätzen gebracht werden.)

Das Werk fällt auch in anderer Hinsicht aus der Norm: Schon bei der Planung wurde auf eine möglichst gute Trennung von Mensch und Maschine Wert gelegt. Damit wollte man sowohl eine Verringerung des Lärmpegels erreichen als auch die Atmosphäre menschlicher gestalten. Beispielsweise hat man die lautstarken Wickelautomaten in einem eigenen Sondermaschinenraum zusammengefaßt, sodaß sie von der Masse der Arbeiterinnen getrennt sind.

Die soziale Einstellung seiner Firma äußert sich für Kratochvila aber nicht nur in dem Werk Waidhofen, sondern auch in dem relativ guten Gesprächsklima zwischen Vorstand und Belegschaftsvertretung. Dabei werde der Betriebsrat in vielen Fällen über das allgemein übliche Maß hinaus in den Entscheidungs-findungsprozeß einbezogen.

Der Schreck-Betriebsrat habe möglicherweise nicht mehr mitzureden als andere Betriebsräte - ein Wort wiege jedoch schwerer, und sei es auch nur, weil er von beabsichtigten Maßnahmen früher in Kenntnis gesetzt werde. Allerdings gelte der enge Kontakt zur Firmenspitze nicht nur als einseitiges Entgegenkommen der Manager ihren Untergebenen gegenüber. Schließlich haben die Betriebsräte dieser Elektrofirmen, die den Großteil des Geschäftes mit der staatlichen Post abwickeln, zumeist einen direkten Draht zu verschiedenen

Stellen dieses Großabnehmers. Und so sind schon einige Aufträge via Betriebsrat zustandegekommen.

An materiellen sozialen Leistungen - die Kratochvila von Dingen wie Gesprächsklima und dergleichen strikt getrennt wissen will - kennt das Unternehmen vor allem einen freiwilligen Pensionszuschuß ab 15 Jahren Firmenzugehörigkeit sowie einen Treueschilling. Das ist eine Aufbesserung des Stundenlohnes beginnend mit einem Dienstalter von 15 Jahren.

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