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Der Verkauf der Voest sorgt derzeit für Gesprächsstoff. Aber es ist nicht das erste Mal, dass der Konzern im Mittelpunkt des Interesses steht. Ein Rückblick auf eine bewegte Unternehmensgeschichte.

Wie der typische Voestler ist?" Fritz Sulzbacher, Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrates der Voest, lacht. Er erinnert sich an die Untersuchung eines Marktforschungsunternehmens. "Da ist herausgekommen, dass der typische Voestler angeblich männlich, fünfzig Jahre alt und VW-Fahrer am Sprung zum BMW ist."

Ganz ernst nimmt der Betriebsrat die Studie nicht. Eine befriedigende Antwort sei gar nicht so leicht zu finden, meint er. Denn auch Schwer- und Schichtarbeiter, die oft automatisch mit dem Linzer Konzern assoziiert werden, seien nicht mehr unbedingt typische Mitarbeiter des Stahl- und Verarbeitungskonzerns. "Viele Leute sind mittlerweile in der Forschung oder in verschiedenen Schaltzentralen an Computern beschäftigt. Die Arbeiter werden im Verhältnis zu den Angestellten immer weniger." Aber auch wenn sie nicht mehr die überwiegende Mehrheit stellen, gebe es sie natürlich noch, die Schwerarbeiter in der Kokerei, am Hochofen, im Walz- und Stahlwerk.

Arbeitgeber für Tausende

Die Frage nach der Bedeutung des Konzerns ist offenbar einfacher zu beantworten: Für die ganze Region um Linz bis ins Mühlviertel sei die Voest einer der wichtigsten Arbeitgeber, betont Sulzbacher. 10.000 Menschen beschäftigt die Voest allein in ihrem Stahlsektor, insgesamt arbeiten in Österreich 13.000, weltweit sogar 22.000 Menschen für den Konzern, der neben der "Division Stahl" auch noch drei weitere Unternehmensbereiche, nämlich die Divisionen "Bahnsysteme", "Motion" und "Profilform" unter einem Dach vereinigt. "Die Identifikation der Menschen mit dem Unternehmen ist groß", freut sich der Betriebsrat. "Da ist schon ein gewisser Stolz bei den Leuten. Viele reden von der Firma, als würde sie ihnen gehören."

Tut sie auch, zumindest zu einem kleinen Teil. Denn 6,4 Prozent der insgesamt 39,6 Millionen Aktien liegen in einer Arbeitnehmerprivatstiftung, für die die Mitarbeiter monatlich 0,5 Prozent ihres Lohnes abgeben, um so einen Anteil an "ihrem" Unternehmen zu erwerben.

Dass derzeit laufend Übernahmepläne bekannt, dementiert und dann doch wieder bestätigt werden, lässt nun jedoch viele Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze fürchten. Die Filetierung des Konzerns wird befürchtet, auch wenn der Privatisierungsauftrag an die Österreichische Industrieholding (ÖIAG), die die letzten in Staatsbesitz befindlichen Anteile an der Voest verwaltet, anders lautet: Es muss ein österreichischer Kernaktionär gefunden werden, der das Unternehmen als Einheit und die Entscheidungszentrale in Österreich bestehen lässt. Bedenken bleiben.

Mit Aufteilungen und Fusionen war die Voest seit ihrer Gründung als Hermann-Göring-Werke Linz bereits mehrfach konfrontiert. Im Krieg der größte Panzerproduzent des dritten Reiches, wird das inzwischen in Vereinigte Österreichische Eisen- und Stahlwerke AG (Voest) umbenannte Unternehmen im Jahr 1946 verstaatlicht, um es - wie andere Betriebe der Grundstoff- und Elektrizitätswirtschaft sowie des Bankenwesens - vor einer Beschlagnahmung durch die Alliierten zu schützen, die sich an deutschem Eigentum schadlos halten wollen.

Neue Strukturen

Die Entwicklung des LD-Verfahrens (benannt nach den Standorten Linz und Donawitz) zur Stahlerzeugung macht die Voest im Jahr 1952 weltberühmt. Die ersten Fusionen folgen im Jahr 1973, als die Voest mit dem staatseigenen Unternehmen Alpine zusammengeführt wird. Weitere acht Gesellschaften, darunter die Vereinigten Edelstahlwerke und die Hütte Krems werden unter dem Dach der Voest zusammengefasst.

Als die Stahlkrise über Europa herein bricht, trifft sie die verstaatlichte Industrie besonders schwer, da durch politische Interventionen jahrelang eine Ausweitung des Tätigkeitsfeldes über die Grundstoff- und Schwerindustrie hinaus verhindert worden war, um nicht privaten Unternehmen im Land Konkurrenz zu machen. Personalabbau und eine Zerlegung des Konzerns sind ebenso die Folge wie neue Tätigkeitsfelder. Für die Regierung Kreisky ein Mittel zur Arbeitsmarktregulierung, hat die Voest bis Mitte der 80er Jahre allein am Standort Linz 27.000 Mitarbeiter.

1985 soll als schwarzes Jahr in die Unternehmensgeschichte eingehen: Notwendige Rationalisierungsmaßnahmen sind nicht durchgeführt worden, der Personalstand ist nicht mehr finanzierbar. Zudem führen geheime Ölspekulationen der Voest-Tochter Intertrading zu einem finanziellen Desaster. Das Defizit beträgt mehr als elf Milliarden Schilling. Im selben Jahr werden illegale Waffengeschäfte der Voest-Tochter Noricum mit dem Iran und dem Irak bekannt und führen in weiterer Folge wegen des Verdachts der Verwicklung in die dunklen Geschäfte (der vor Gericht nicht bestätigt wird) zum Rücktritt des SPÖ-Innenministers Karl Blecha. Die verantwortlichen Manager werden wegen Neutralitätsgefährdung verurteilt, der Konzern - wieder einmal - durch Ausgliederungen und Beteiligungen umstrukturiert. Die Voest wird in sechs Branchenholdings zerlegt. Eine davon ist die Voest Alpine Stahl, die das Kerngeschäft fortführt. Sie geht 1995 an die Börse.

Derzeit befinden sich - neben den 6,4 Prozent Anteilen in Mitarbeiterhand - weitere 58,9 Prozent der Wertpapiere über Europa und Nordamerika verteilt in Streubesitz. Die restlichen 34,7 Prozent hält noch die Österreichische Industrieholding (ÖIAG). Seit der Verkauf der ÖIAG-Beteiligung an dem Stahl- und Verarbeitungskonzern ins Zentrum des wirtschaftspolitischen Interesses gerückt ist, ist die Belegschaft verunsichert. Denn dass in den vergangenen Wochen Übernahmepläne bekannt, dementiert und wieder bestätigt wurden, lässt viele um ihren - bisher als verhältnismäßig sicher geltenden - Arbeitsplatz fürchten.

Beteuerungen und Sorgen

Auch wenn die Bundesregierung, allen voran Finanzminister KarlHeinz Grasser, beteuert, es werde zu keiner Zerschlagung des Konzerns kommen. "Man weiß ja, wie das ist", gibt Rudolf Kropf, Vorstand des Institutes für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Linz, im Gespräch mit der Furche zu bedenken: "Es hängt von der Unternehmenspolitik ab, ob nicht trotz dieser Auflagen die lukrativsten Konzernteile herausgesucht werden." Bei den ungeliebteren Teilen werde dann argumentiert, sie seien nicht mehr rentabel und müssten abgestoßen oder geschlossen werden. "Die Bedenken bleiben also auf jeden Fall bestehen."

"Für Österreich, fügt der Wirtschaftswissenschafter hinzu, "wäre eine solche Aufsplittung ein schwerer Fehler." Der Konzern sei ein Paradeunternehmen mit hoher Rentabilität. Abnehmer sind Firmen wie BMW, DaimlerChrysler und Audi ebenso wie Handy- und Haushaltsgerätehersteller. Das Geschäftsjahr 2002/2003 war das zweiterfolgreichste in der Geschichte des Unternehmens, für das laufende Jahr werden nochmals Umsatzsteigerungen erwartet. Modernisierungspläne sollen für die Zukunft vorsorgen. Das Ende der Erfolgsgeschichte sieht Kropf jedoch mit einer Aufteilung des Konzerns gekommen: "Mit einer Zerschlagung würde man kaum lebensfähige Einzelunternehmen schaffen", ist er überzeugt. "Für die ganze Region wäre das ein schwerer Schlag."

BUCHTIPP:

SCHICHT FÜR SCHICHT

Gesichter der VOEST

Von Joerg Burger (Fotos) und Johannes Holzhausen (Texte).

Verlag Triton, Wien 2003,

192 Seiten, e 29,-

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