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„Kein Arbeitsplatz auf unsere Kosten“

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Was bringt eine Koalitionsregierung für das neue Konzept? Kann die Verstaatlichte aus der Rüstungsproduktion aussteigen? Gibt es noch Kontakte zum alten Vorstand?

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Was bringt eine Koalitionsregierung für das neue Konzept? Kann die Verstaatlichte aus der Rüstungsproduktion aussteigen? Gibt es noch Kontakte zum alten Vorstand?

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FURCHE: Welche Auswirkungen kann die jüngste innenpolitische Entwicklung auf den Zeitplan der VOEST-Sanieruhg haben?

CLAUS J. RAIDL: Für die Erreichung der gesetzten Ziele wie Personalabbau, Dezentralisierung, Durchbruch in Gewinnzonen, technische Investitionen und die damit verbundenen Maßnahmen überhaupt keine. An der Durchführung des neuen Konzeptes wird unbeeinflußt weitergearbeitet.

FURCHE: Es könnte doch sein, daß die Verabschiedung des ÖIA G-Finanzierungsgesetzes nicht beschlossen wird. Damit würde aber eine wichtige Geldzufuhr verzögert.

RAIDL: Das Gesetz hilft uns ja nur, Eigenmittel zu bekommen. Die brauchen wir einerseits leider zur Verlustabdeckung und andererseits zum Aufbau des Eigenkapitals. Liquiditätsprobleme gibt es hingegen keineswegs. Mit den Banken wurde ein Kreditrahmen ausgemacht, der unsere Finanzierungen bis Mitte 1987 sichert.

FURCHE: Aus der Opposition klingen aber zum VOEST-Sanie-rungskonzept recht rauhe Töne. Kann man da ausschließen, daß im Falle einer Koalitionsregierung nicht ein anderes Klima herrschen wird? Jetzt stehen Bundeskanzler und Verstaatlichtenminister noch wie ein Mann hinter den Vorschlägen des VOEST-Vorstandes.

RAIDL: Ich weiß zwar nicht, wie die ÖVP reagieren wird, wenn sie in der Regierung sitzt. Aber als marktwirtschaftlich orientierte Partei muß sie hinter unseren Vorstellungen stehen. Das verlangt schon ihr wirtschaftspolitisches Konzept.

FURCHE: Sie gehören zu den Vorstandsmitgliedern, die schon vor Jahren unmißverständlich auf die negative Entwicklung in der verstaatlichten Industrie hingewiesen haben. Der langjährige OIAG-Generaldirektor Franz Geist (FURCHE 3/1986) hat kürzlich in einem Interview gemeint, er habe einen schweren Fehler gemacht. Er hätte zurücktreten sollen, als seine Warnungen kein Echo fanden.

RAIDL: Natürlich fragte man sich als Aufsichtsrat angesichts der Vielen Probleme der Verstaatlichten, ob sie auch richtig gelöst werden. Die VOEST hat meist die Vorschläge der OIAG als theoretische Spielereien abgetan. Uns war aber andererseits sicher nicht bewußt, in welche verlustbringenden Bereiche der Konzern schon hineingeschlittert war. So etwas wird erst richtig klar, wenn man die Fronten wechselt und vom Auf sichtsrat in den Vorstand geht.

FURCHE:Die VOEST hat lange Zeit — sicherlich auch politisch beeinflußt — die Linie verfolgt, in allen Produktionsbereichen, wo es Probleme gab, durch neue Aktivitäten Ersatzarbeitsplätze zu schaffen. Ist so eine Linie auch im neuen Konzept wieder vorgesehen?

RAIDL: Wir werden diese Linie endgültig verlassen. Die Arbeitnehmer müssen reduziert werden, aber es gibt keine Ersatzarbeitsplätze. Dafür bekommen die Leute, die abgebaut werden, ein Sozialpaket, das über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgeht. Das wird zwar auch in der öf f ent-lichkeit kritisiert, ist aber eine Vorgangsweise, die in der österreichischen Privatindustrie genauso praktiziert wird wie in der Stahlindustrie der Bundesrepublik.

FURCHE: Das heißt, sozialistische Ziele für die verstaatlichte Industrie wurden endgültig ad acta gelegt. Beschäftigungssicherung geht auf keinen Fall mehr vor Gewinner zielung.

RAIDL: Das ist heute nicht mehr möglich. Ersatzarbeitsplätze müssen diejenigen Politiker schaffen, die sich heute dafür so stark machen. Sie müssen die verbesserte Infrastruktur erreichen, die Betriebsansiedlungen attraktiv macht.

FURCHE: Das VOEST-Kon-zept ist kein strategisches Programm. Es enthält kaum zukunftsweisende Aspekte.

RAIDL: Es ist aus gutem Grund kein strategisches Konzept. In der Sanierungsphase eines jeden Betriebes ist der erste Schritt immer die Erhöhung .der Produktivität durch Personalreduzierung und das Erreichen einer konkurrenzfähigen Kostenstruktur. Für die VOEST bedeutet das, daß wir uns auf Produkte beschränken müssen, wo wir gute Ergebnisse erzielen oder besser werden könnten. Beispiele dafür sind die Automobilindustrie oder der Maschinenbau im Finalbereich. Wir erzeugen gute Produkte, sind aber in der Fertigung zu teuer. Erst wenn es uns gelingt, hier kostengünstiger und gewinnbringend zu produzieren, kann an Expansion gedacht werden.

FURCHE: Wo wird sich die VOEST nach dieser Phase positionieren?

RAIDL: Jedenfalls wird es nicht so sein, daß die VOEST vom Stahlbereich in die Halbleiterproduktion und andere Produkte springt und dann Fehlschlage erleidet. Sie wird sich nur mehr in bekannte, geprüfte und vertraute Märkte begeben.

FURCHE: Sie selbst haben vor einiger Zeit doch die Förderung von Auslandsbeteiligungen der Verstaatlichten empfohlen. Der Zug für manche solche Chancen fährt ja schon ab, wie etwa das EUREKA-Projekt.

RAIDL: Meiner Einschätzung nach ist EUREKA zwar ein richtiger Ansatz, klingt aber für die Wirtschaft besser als es effektiv ist. Ich glaube nicht, daß uns hier große Projekte verlorengehen.

FURCHE: Wäre die geplante Umstrukturierung nicht auch eine Möglichkeit, aus der Rüstungsproduktion auszusteigen? Die Forderung nach Umstellung auf zivile Produkte aus moralischen Überlegungen kommt ja nicht nur von kirchlichen Stellen.

RAIDL: Rüstungsprodukte sind, so hart es klingt, gut verkaufbar. Wir werden daher auch weiter dabeibleiben und das produzieren, was uns im Rahmen gesetzlicher Möglichkeiten Gewinne bringt.

FURCHE: Aber diverse konkrete Vorschläge von Rüstungsgegnern ...

RAIDL: All diese Umstellungskonzepte sind unrealistisch und praktisch nicht durchführbar. Die Betriebsanlagen sind zugeschnitten auf die Erzeugung von ganz bestimmten Produkten, da kann nicht plötzlich etwas anderes erzeugt werden.

FURCHE: Und wie stehen Sie zu einer Betriebszusammenfassung im Rüstungsbereich, Stichwort ,ß.ustria Wehrtechnik“?

RAIDL: Es wäre sicher vernünftig, wenn Österreich seine militärtechnischen Aktivitäten

zusammenlegen würde. Das setzt unter anderem aber voraus, daß sich das poütische Klima für Waffenexporte nicht stark ändert.

FURCHE: Es wird viel von den menschlichen Auswirkungen des Sanierungskonzeptes berichtet. Konkurrenzkämpfe und Neid sind stark innerhalb der Belegschaft, heißt es.

RAIDL: Natürlich versucht jeder, seinen Arbeitsplatz zu halten, und das führt zu Spannungen und tiefen menschlichen Problemen. Das sei unbestritten.

FURCHE: Wie werden Sie von den VOEST-Arbeitern gesehen? Sind Sie jemand, der „uns um den Arbeitsplatz bringt“ oder „alles furchtbar, aber endlich jemand, der uns die Wahrheit sagt“?

RAIDL: Die Mitarbeiter haben großteils geschätzt, daß ihnen jemand offen die Situation geschildert und keine Versprechungen gemacht hat. Überrascht waren die meisten aber sicherlich vom Ausmaß der harten Schnitte.

FURCHE: Wie sehen Ihre eigenen Arbeitsbedingungen aus, wo die Führungsmannschaft doch aus einem zusammengewürfelten Team besteht?

RAIDL: Ich bin selbst über-ascht, daß unsere Zusammenarbeit so gut funktioniert. Vielleicht liegt es daran, daß wir alle unter Erfolgszwang stehen.

FURCHE: Gibt es noch Kontakte zum alten Vorstand?

RAIDL: Von einigen Vorstandsmitgliedern gab es in den ersten Wochen fachliche Mithilfe. Aber jetzt ist ein klarer Trennungsstrich gezogen.

Mit dem Generaldirektor-Stellvertreter der VOEST sprach Elfi Thiemer.

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