6977690-1985_51_06.jpg
Digital In Arbeit

Das Land der Skandale

19451960198020002020

Skandale haben Österreichs Ruf in der Bundesrepublik schweren Schaden zugefügt. Bonn ist aber Österreichs größter Wirtschaftspartner. Ist unser Außenhandel betroffen?

19451960198020002020

Skandale haben Österreichs Ruf in der Bundesrepublik schweren Schaden zugefügt. Bonn ist aber Österreichs größter Wirtschaftspartner. Ist unser Außenhandel betroffen?

Werbung
Werbung
Werbung

Von Karl Kraus stammt folgender Vergleich: In Deutschland ist die Lage ernst, aber nie hoffnungslos, in Österreich ist sie hingegen hoffnungslos, aber nie ernst. Mit allen Einschränkungen mochte man diesen Vergleich bis zu den jüngsten Weinskandalen gelten lassen, beim VOEST-Skandal ist die Lage aber hoffnungslos und ernst geworden, zumindest was das Bild und das Ansehen Österreichs in der Bundesrepublik betrifft.

Während sich die Skandale rund um das Wiener Allgemeine Krankenhaus und um den ehemaligen Finanzminister Androsch durch gleichwertige in Deutschland (Klinikum Aachen, Flick-Spenden-Affäre) aufwiegen lassen, sind die Turbulenzen in Österreich seit etwa einem Jahr doch einzigartiger und schwerwiegender Natur. In diesem Zeitraum ist Österreich in der Bundesrepublik zweifelsohne durch negative Schlagzeilen aufgefallen. Dies war umso gravierender, weil derartige^ Dinge über kein vergleichbares Nachbarland (Schweiz, Benelux-Staaten, nordische Staaten) berichtet wurden.

Drei Themenkomplexe sind es* die in Deutschland zu kritischer Berichterstattung und Meinung bei der Bevölkerung geführt haben, wobei die ersten beiden noch nicht so schwerwiegend waren. Da war einmal die Affäre um die Form der Rückkehr des SS-Offiziers Reder, durch die Österreich der Lächerlichkeit preisgegeben wurde. Immer wieder kann man in Deutschland gegenüber Österreich den Vorwurf hören, daß im Dritten Reich die „Ostmärker“ an der Führungsclique einen höheren Anteil besessen haben, als es die Einwohnerrelation ausmacht (Hitler, Kaltenbrunner, Seyss-Inquart, Eichmann, u. a.), trotzdem aber wird die Wiedergutmachung und die Alleinschuld von Deutschland allein getragen, während sich Österreich aus der „Geschichte gestohlen“ hat.

Auch die Diskussion um die Abfangjäger blieb nicht ohne Echo, wobei nicht nur der mangelnde Wille an der Landesverteidigung sondern auch der populistische Partikularismus der Länder negativ bemerkt wurde.

Außenminister Gratz, im Mai zu einem Arbeitsbesuch in Bonn, erzählte im kleinen Kreis, wie er von seinen Außenminister-Kollegen Westeuropas deswegen spöttelnd angegangen wurde. Zwen-tendorf, Hainburg und zuletzt mit voller Wucht der VOEST-Skandal haben aber das Ansehen Österreichs als ernstzunehmende moderne Industrienation in der Bundesrepublik (und sicherlich auch anderswo) schwerst getroffen. Hier geht es nicht mehr um Burlesken. Während die bisher aufgezählten Skandale, insbesondere der Weinskandal im Sommer, zu einer wahren bändefüllenden Karikaturflut in den Tages- und Wochenzeitungen geführt haben, war von dem jüngst nichts zu bemerken.

In der Tat, die Lage ist wirklich ernst geworden. Der Schaden, den Österreich in wirtschaftlicher Hinsicht über die betroffenen Firmen und Branchen hinaus erlitten hat, wird erst mittelfristig zu ermessen sein. Glaubwürdigkeit und Anständigkeit Österreichs sind in Verruf geraten, zwei Tugenden übrigens, die gerne von gewissen Kreisen als „spätkapitalistische“ oder „bürgerliche Sekundärtugenden“ abgetan wurden.

Wie ein Fanal österreichischer Schlamperei prangte bis vor kurzem das VOEST-Schild auf der Baustelle des Kölner Hauptbahnhofes. Dieses bedeutende Denkmal historischer Bahnhofsbaukunst des 19. Jahrhunderts hat wie durch ein Wunder im wesentlichen die Bombardements des Zweiten Weltkrieges überstanden. Seine imponierende Konstruktion sollte renoviert werden, die internationale Ausschreibung gewann gegen große Konkurrenz die VOEST. Die Durchführung des Auftrages wäre wegen der Bedeutung des Objektes (der Kölner Hauptbahnhof ist die Drehscheibe des deutschen Intercity-Ver-kehrs) ein Prestigeerfolg für die österreichische Wirtschaft geworden. Doch bereits vor einem Jahr wurde bekannt, daß sich die VOEST durch eine oberflächliche Kalkulation (die wahren Ausmaße der Kriegsschäden wurden nicht richtig genannt) übernommen hat. Kurz vor dem Bekanntwerden des VOEST-Skandals wurde der Vertrag zwischen der Deutschen Bundesbahn und der VOEST wegen statischer Probleme, die letztendlich nur das auslösende Moment waren, gekündigt.

Insofern kam im Rheinland der Name VOEST gleich zweimal hintereinander ins schlechte Gerede.

Die Arbeit der österreichischen Außenhandelsorganisation (die Handelsdelegierten der Bundeskammer) sieht sich durch Wein-und VOEST-Skandal um die jahrelange mühevolle Arbeit gebracht und steht teilweise vor einem völligen Neubeginn.

Man stellt sich in Deutschland ernsthaft die Frage, wie lange es noch mit diesem politischen System in Österreich weitergehen • wird. Und was noch alles geschehen muß, damit eine Änderung eintritt. Gerade im Hinblick auf die gemeinsame Verantwortung für den freien Teil Europas erwartet man Konsequenzen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung