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Streikdrohung bleibt

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Schon kehren die ersten Nationalratsabgeordneten in die Bundeshauptstadt zurück. Der ausgedehnte Sommer — und für österreichische Normalmaße ist die Sommerpause des Parlaments ausgedehnt — ist zu Ende und die Parteiquartiere rüsten zur entscheidenden Schlacht.

Der Sommer war aber diesmal durch eine Frage überschattet, die auch im Herbst die Abgeordneten — zumindest freilich nur jene, die davon etwas verstehen — beschäftigen dürfte: die Frage nach der Neuordnung der verstaatlichten Industrie.

Die Fronten sind vielfältiger geworden. Der SPÖ-Ständpumkt deckt: sich nicht mehr mit dem Standpunkt des ÖGB. Und in der ÖVP schwanken die Lager und Exponenten zwischen ./hart” und „weich”.

Die ernstgemeinte Feststellung des ÖGB-Präsidenten Benya, wonach ein Streik in der „Verstaatlichten” nicht auszuschließen sei, wenn man die Wünsche der Gewerkschafter nicht erfülle, wirkte vorerst wie eine innerpolitische Bombe. Man hatte eben bereits vergessen, daß der ÖGB nicht allein vergnüglicher Partner beim Ping-Pcmg um einige Prozent Lohnerhöhung ist, sondern auch in politischen Strilkturfragen mitzureden wünsche. Und weil man auch auf Unternehmerseite und in der ÖVP den ÖGB in der Zeit der Alleinregierung geradezu gehätschelt hatte, mußte man nun zur Kenntnis nehmen, daß Benyas Drohung sicherlich nicht unüberlegt ist.

Schüren der KPÖ

Die bereits demnächst einsetzenden ersten Verhandlungen der Parteien auf Parlamentsebene lassen erwarten, daß es über alle Fragen eine Einigung geben könnte; mit einer Ausnahme: Der Bindung der Veräußerung von Unternehmen oder Unternehmensanteilen an eine qualifizierte Parlamentsmehrheit.

Und in der Tat wäre eine solche Vorgangsweise eigentümlich, ja in höchstem Maße als Präjudiz schwerwiegend. Gewährt man nämlich den verstaatlichten Unternehmen bei einem Eigentumswechsel eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, stattet man das Eigentum des Staates an diesen Betrieben mit Verfassungsqualifikation aus. Es gäbe dann zwei Arten von Eigentum: eines, das verfassungsmäßig vor Veräußerung geschützt ist, und eben ein einfaches Eigentum. Die Folgerungen für das Privateigentum schlechthin wären unübersehbar.

So kontert die Volkspartei auch bereits mit dem Vorwurf, die SPÖ versuche etwas Ähnliches einzuführen wie in den kommunistischen Ländern. Auch dort gäbe es privilegiertes Staats- und nichtprivilegiertes Privateigentum.

Sollten sich diese Klippen bei den Herbstberatungen im Parlaments ausschuß nicht umschiffen lassen, droht wahrscheinlich tatsächlich eine Streiksituation. Wieweit allerdings eine Bereitschaft in den Betrieben zu solchen Massivmaßnahmen vorhanden wäre, ist im Augenblick noch fraglich. Im Sommer dürfte die vielzitierte „Unruhe” in den Betrieben eher eine von oben gesteuerte Unruhe der Betriebsräte der SPÖ gewesen sein. Allerdings sind seit Wochen auch die Kommunisten in den Unternehmungen unterwegs und schüren das Feuerlein. Die „VoLksstimme” bringt fast täglich Meldungen von der „Verstaatlichten-Front”. Klargestellt ist allerdings innerhalb der SPÖ nunmehr, daß einzig und allein das Gewerkschaftspräsidium über einen eventuellen Streik beschließen wird. Kreiskys Warnungen vor einem solchen Streik sind vorläufig verstummt. Kreisky beugt sich offensichtlich Benya. Meldungen aus der ÖVP wiederum besagen, daß dort daran gedacht ist, eine Art „Staatskommissär” für die Unternehmen einzusetzen, der dem Parlament verantwortlich wäre

Die Aufregung scheint allerdings insgesamt dann als unverständlich, wenn man sich einen Kalender zur Hand nimmt: das Parlament kann sich frühestens Ende Oktober mit dem Gesetzentwurf beschäftigen. Eine Beschlußfassung würde jedoch durch die nach den niederösterreichischen Landtagswahlen zu erwartende Mehrheit der SPÖ im Bundesrat blockiert werden. Einen Beharrungsbeschluß könnte die ÖVP also dann höchstens erst im Jänner 1970 fassen — wenn überhaupt die Session des Nationalrats in dieser Zeit des Wahlkampfes weitergehen sollte. Am 1. Jänner 1970 könnte das Gesetz also sowieso nicht wirksam werden; vielmehr würde es frühestens Mitte 1970 in Kraft treten.

Zu diesem Zeitpunkt hat aber Österreich bereits gewählt. Und weil sich die SPÖ hinsichtlich der kommenden Wahlen sowieso so stark fühlt, bleibt unerfindlich, warum sie nun so vehemente Paraden vollführt. Immerhin wurde in der verstaatlichten Industrie noch nach jeder Nationalratswahl die Führungsstruktur verändert. Warum nicht auch 1970?

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