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Irrational, aber klug
In Österreich ist Zinspolitik das, was sich abspielt, wenn ÖGB-Präsident Benya dazu eine Erklärung abgibt. Sagt er etwa, daß der Zinssatz für täglich fällige Spareinlagen zu gering sei, und vollzieht wenige Tage später auch der „Kronen-Zeitung“-Kolumnist „Staberl“ diese Auffassung im einschlägigen Stil, dann hoffen Österreichs Sparer und zittern Österreichs Banken, die ohnedies zum Großteil verstaatlicht sind. Mit rationaler Wirtschaftspolitik hat das wenig zu tun, doch wen schert's? Wer in diesem Land den Geschmack der „breiten Masse“ trifft, der schafft an. Koste es, was es wolle.
Neuerdings drängt Finanzminister Androsch aus guten Gründen auf eine Reduktion des sogenannten Eckzinssatzes, der derzeit für täglich fällige Spareinlagen 5 Prozent beträgt. Er stellt sich einen Habenzinsfuß zwischen 4 und 4,5 Prozent vor, um die Geldbeschaffungskosten der Banken und damit auch die Kreditzinssätze ins Rutschen zu bringen. Die konjunkturellen Impulse einer solchen Maßnahme wären in Österreich von verhältnismäßig geringer Bedeutung, ein Signal wäre es dennoch, ganz abgesehen davon, daß dadurch eine Anpassung an die internationale Zinsentwicklung stattfände. Auch der Präsident der Nationalbank, Hans Kloss, teilt diese Auffassung, wagt sie aber im Hinblick auf die starke Position des ÖGB-Präsi-denten nicht so deutlich zu äußern. Im Gegenteil: Er greift auf das stärkste Argument Benyas, wonach noch immer „graue Zinsen“ für „privilegierte“ Sparer bezahlt würden, zurück. Die „grauen Zinsen“ sind eine Tatsache, die sich aus dem scharfen Wettbewerb der Banken um Großeinleger erklärt. Solche „graue Zinsen“ wird es immer geben; sie orientieren sich am aktuellen Zinsniveau.
ÖGB-Präsident Benya will, daß bei den Zinsen alles beim alten bleibe, Androsch will eine Senkung des Zinsniveaus, der Bankenapparat ebenfalls, ÖVP-Obmann Dr. Taus, einst selbst Bankier und scharfer Gegner sogenannter „politischer Zinssätze“, pflichtet wiederum Benyas Haltung bei. Ein wenig Opportunismus ist da schon mit im Spiel, aber so muß das nun einmal in einem Land sein, in dem selbst die Zinsen ein politischer Preis sind.
Wer wird in diesem Spiel gewinnen? Nach den Gesetzen der politischen Logik höchstwahrscheinlich ÖGB-Präsident Benya. Denn er will ein unverändert hohes Zinsniveau als seinen politischen Erfolg verkaufen, um dann im Herbst die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaftsvertretung auf eine verhältnismäßig geringe Anhebung des Lohnniveaus — man spricht von etwa 5 Prozent — einzuschwören. In diesem Zusammenhang fällt es schwer, Anton Benya nicht staatspolitische Klugheit zu bescheinigen, auch wenn sie mit teilweise irrationaler Handlungsweise erkauft wird. Wie die Dinge liegen, ist ein verhältnismäßig hohes Zinsniveau als Preis für eine verhältnismäßig magere Lohnrunde im Herbst 1976 noch immer ein wirtschaftspolitisch kluges Geschäft.
Auch Hannes Androsch sollte dies bedenken, ist doch die Gefahr einer überzogenen Lohnrunde auf das heimische Preisniveau um einiges größer als jene eines respektablen Zinsniveaus. Seine jüngst geäußerte Absicht, wenigstens die Sparförde-rungsmaßnahmen abzubauen, scheint auch nicht sehr erfolgversprechend zu sein. Im Budget für das laufende Jahr kostet den Bund die Sparförderung rund 4 Milliarden Schilling, wovon nicht einmal ein Zehntel auf die Prämiensparförderung, die typische Anlageform der „kleinen Leute“, entfällt. Mit einer teilweisen Einsparung dieser 400 Millionen Schilling wäre für die Sanierung eines hundertfachen Defizits fast nichts getan. Sollte es dem Finanzminister einfallen, das von seiner Regierung reformierte Bausparen auf der Ertragseite zu schwächen, so müßte das als Angriff der sozialistischen Bundesregierung gegen den heißumkämpften Mittelstand gewertet werden. Wollte er aber gar etwas am Wertpapier-sparen ändern, wovon nun ÖGB-Präsident Benya auch schon gesprochen hat, wäre der Kapitalmarkt ruiniert und die Chance des Bundes, sich längerfristig zu finanzieren, vertan. Man darf gespannt sein, welche Absichten der Finanzminister nun tatsächlich mit der Sparförderung hat. Wie immer er die Sache anlegt, schädigt er jene sozialen Gruppen, die seine Partei zu vertreten vorgibt. In jedem Fall aber den Spargedanken in Österreich.
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