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Schlacht oder Scharmützel ?

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Vor einigen Wochen schrieb die FURCHE: Gelingt es Josef Taus, in der Frage der Marktordnung, also der Ernährungs- und Energiesicherung, den Standpunkt seiner Partei gegen die Vorstellungen des Gewerkschaftsbundes und der Bundesregierung durchzusetzen, so hätte er bewiesen, daß in entscheidenden Fra gen auch unter einer SPÖ-Alleinregierung kein Weg an der Volkspartei vorbeiführen muß. Dieser Beweis, so scheint es, dürfte nach allen vorliegenden Äußerungen — insbesondere von ÖGB-Präsident Anton Benya — glücken. Noch am 11. März sagte Anton Benya vor den Delegierten zum SP-Parteitag, daß dir Marktordnung gegen den Willen der ÖVP auf alle Fälle einfachgesetzlich durchgesetzt werden wird. An einen Streik der Landwirte wollte Benya nicht glauben, weil doch die Bauern das Geld brauchen und schon nachgeben werden. Heute dagegen gibt Benya sich gesprächsbereit: „Ich bin in der Frage der Marktordnung in jedem Punkt gesprächsbereit. Als Gewerkschafter kann ich nicht den Standpunkt ,alles oder nichts' vertreten. Kompromisse muß es daher immer geben.“

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Vor einigen Wochen schrieb die FURCHE: Gelingt es Josef Taus, in der Frage der Marktordnung, also der Ernährungs- und Energiesicherung, den Standpunkt seiner Partei gegen die Vorstellungen des Gewerkschaftsbundes und der Bundesregierung durchzusetzen, so hätte er bewiesen, daß in entscheidenden Fra gen auch unter einer SPÖ-Alleinregierung kein Weg an der Volkspartei vorbeiführen muß. Dieser Beweis, so scheint es, dürfte nach allen vorliegenden Äußerungen — insbesondere von ÖGB-Präsident Anton Benya — glücken. Noch am 11. März sagte Anton Benya vor den Delegierten zum SP-Parteitag, daß dir Marktordnung gegen den Willen der ÖVP auf alle Fälle einfachgesetzlich durchgesetzt werden wird. An einen Streik der Landwirte wollte Benya nicht glauben, weil doch die Bauern das Geld brauchen und schon nachgeben werden. Heute dagegen gibt Benya sich gesprächsbereit: „Ich bin in der Frage der Marktordnung in jedem Punkt gesprächsbereit. Als Gewerkschafter kann ich nicht den Standpunkt ,alles oder nichts' vertreten. Kompromisse muß es daher immer geben.“

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Zwischen dem Sinneswandel von Anton Benya liegen kaum zwei Wochen; zwei Wochen freilich auch, in denen die Volkspartei Härte in der Argumentation, Einigkeit im Auftreten und große Öffentlichkeitswirksamkeit demonstrierte. Diese in der Volkspartei keineswegs übliche Form der Selbstdarstellung erreichte bei der Klubklausur in Badgastein Höhepunkte. Präsident Rudolf Sal-linger, kein Mann, der die Öffentlichkeit um jeden Preis sucht, aber auch kein Mann der unüberlegten politischen Attacke, stellte klar, daß weder die Wirtschaft noch die ÖVP die Sozialpartnerschaft um jeden

Preis verteidigen werden. Legten es die Sozialisten weiter auf einen Alleingang in der Marktordnung an, so müsse daran die Sozialpartnerschaft scheitern. Das sei ein großer Schaden für das soziale und wirtschaftliche Klima in diesem Land, den Bundesregierung und Gewerk-scbaftsbund zu verantworten hätten. „Wenn ich das sage“, so Rudolf Sal-linger, „so hat das Gewicht.“

Klubobmann Koren ging mit Anton Benya noch schärfer ins Zeug, kritisierte, daß er dabei sei, ^politisches Karate“ zu betreiben. Doch das war's nicht; die Sensation waren die Worte von Rudolf Sallinger, der —

gar nicht wie aus heiterem Himmel — Worte wie „Jetzt reicht's“ und „so nicht“, fallen ließ.

Schneller als Bundeskanzler Kreisky und sein SPÖ-Zentralsekre-tariat begriff ÖGB-Präsident Anton Benya, wohin die Entwicklung zu treiben droht. Er machte einen augenfälligen Rückzieher, womit heute schon festzustehen scheint, daß in der Marktordnung fast alles beim alten bleibt (möglicherweise kommt es zu einigen Änderungen im Viehverkehrsfonds) und die ÖVP auch dem Energiesicherungsgesetz ihre Zustimmung erteilen wird. Für eine Weile dürfte die Sozialpartnerschaft gerettet sein. Zähneknirschend mußten Gewerkschaftsbund und Regierung erkennen, daß es doch noch Institutionen in Österreich gibt, die ihren Vorstellungen Grenzen setzen.

So gesehen, brachte die Klubklausur der Volkspartei eine reiche Ausbeute, die weit über die Demonstration von Einigkeit hinausgeht. Denn es wurde bewiesen, daß Strategie und Taktik auch eine politische Minderheit zu Erfolgen führen können, daß die Regierungspartei dadurch stark irritiert wurde, zeigte die äußerst konservative Konterattacke von Zentralsekretär Karl Blecha, der Josef Taus vorwarf, daß „Sozialismus doch nicht teuer kommt“. Als Beweis dafür verglich er die österreichische Inflationsrate mit jener in Italien und Großbritannien und warb für die geringe Zahl der österreichi-

schen Arbeitslosen im Jahre 1973. Und Bundeskanzler Kreisky gab an, daß die monatliche Mehrbelastung von Pkw-Besitzern durch die Erhöhung der Bundesmineralölsteuer und der Kraftfahrzeugsteuer nicht mehr als 50 Schilling betrage. Mit ähnlichen Vergleichen ist die ÖVP-Allein-regierung schon vor 1970 schiefgelegen; nun versucht sich die SPÖ darin. Das ist sicherlich kein Zeichen der Argumentationsfülle.

Die noch immer verhältnismäßig junge ÖVP-Führung steht vor einem großen politischen Erfolg. Trotz böser Ahnungen hat sie in der Frage

der Marktordnung Regierung und Gewerkschaftsbund in die Knie gezwungen. Euphorie ist dennoch nicht am Platz, solange unbewiesen ist, daß sie ihr eigenes Tempo durchhält und — während der nächsten Jahre — die Bundesregierung und die Regierungspartei so treibt, wie das in den letzten Wochen geschehen ist. Und auch dann sollte Euphorie erst einsetzen, wenn die Entscheidung gewonnen ist. Denn bis dahin bleiben alle Schlachten doch nur Scharmützel, alle Freude doch nur Hoffnung, alle Wünsche doch nur Träume.

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