Solidar

40 Jahre Solidarność: Wo ist die Solidarität?

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Vor 40 Jahren besetzten Fabriksarbeiter die Leninwerft im polnischen Gdansk. Solidarność sollte die erste erfolgreiche Revolte gegen den Kommunismus einleiten. Aber was ist von dem Aufbruch geblieben? Eine Reportage zwischen damals und heute.

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Vor 40 Jahren besetzten Fabriksarbeiter die Leninwerft im polnischen Gdansk. Solidarność sollte die erste erfolgreiche Revolte gegen den Kommunismus einleiten. Aber was ist von dem Aufbruch geblieben? Eine Reportage zwischen damals und heute.

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Heiß ist es in Danzig an diesem Samstag mitten im trockenen Augustsommer. Die Menschen kommen in großen Gruppen in das imposante Europäische Zentrum der Solidarität (ECS), das auf dem Gebiet der ehemaligen Lenin-Werft errichtet wurde. Seit sechs Jahren können Interessierte in dem Zentrum der Solidarność, jener hier im Jahr 1980 entstandenen Großbewegung, nachspüren. Und die Historie dieser Gewerkschaft, zumindest ihre Anfangsphase, könnte wie ein potenzielles Antidoton gegen den im Pandemie-Jahr 2020 herrschenden Zeitgeist wirken. Denn das damals entzündete revolutionäre Feuer war getragen von einer Stimmung des Aufbruchs, des Mutes, der Würde. Es kristallisierte sich in 21 Postulaten, in denen die Streikenden weitgehende Rechte forderten.

Fundamentale Rechte

Am 17. August wurden die Postulate verfasst – am 31. August beugte sich die kommunistische Staatsführung. Wenige Monate nach der Registrierung der unabhängigen und sich selbstverwaltenden Gewerkschaft Solidarność hatte diese zehn Millionen Mitglieder. „Die Menschen agierten schnell – heute aber warten wir viel zu lange, es geht uns materiell wohl etwas zu gut“, sagt eine Mittdreißigerin aus Krakau, die sich gerade die Dauerausstellung im ECS angeschaut hatte.Die Streikenden, mit denen sich vor 40 Jahren Betriebe im ganzen Land solidarisierten, forderten allerhand. Neben der Legalisierung unabhängiger Gewerkschaften auch die „Garantie des Streikrechts und Sicherheit für die Streikenden und unterstützende Personen“, „Beachtung der in der Verfassung der Volksrepublik Polen garantierten Redefreiheit, des Drucks, der Publikation“, „Befreiung aller politischen Gefangenen“, „Ende der Repressionen aufgrund von Überzeugungen.“

Es ging um Fundamentales, aber auch um Forderungen, die heute wie aus der Zeit gefallen scheinen – etwa die Forderung nach der Herabsenkung des Rentenalters auf 50 Jahre bei Frauen und 55 bei Männern. Überall jedoch sollten die Forderungen dem Großteil oder allen Polinnen und Polen zugute kommen. In einem Lied aus der Zeit 1980/81 heißt es, es seien „Tage voller Hoffnung“ gewesen, „voller heißer Gespräche und Auseinandersetzungen“, voller „Menschen, die gefühlt haben, dass sie endlich bei sich sind“.

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