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AK-Wahl: Desinteresse und Ost-West-Gefälle
Die Wahlen zur Kammer für Arbeiter und Angestellte im Juni standen nicht nur im Zeichen eines stark politisierten Wahlkampfes (Aufhebung der AK-Novelle durch den Verfassungsgerichtshof, „Modell Vorarlberg“ gegen Wiener Kammerbürokratie, „Lizitation“ versus „Mauermachen“ usw.), sie waren auch von einigen negativen Ereignissen überschattet: von der schlechten Wählererfassung vor allem in Ostösterreich, über das massenhafte Auftreten sogenannter „Scheindienstverhältnisse“ speziell in Tirol bis zum österreichischen Langsamkeitsrekord bei der Bekanntgabe des Endergebnisses.
Während die Sozialistischen Gewerkschafter (SFG) ihren Prozent-und Mandatsstand zwar leicht verbessern konnten (plus 0,9 Prozent und 3 Mandate), aber absolute Stimmeneinbußen in Kauf nehmen mußten (minus 8000), konnte der ÖAAB als einzige Fraktion sowohl Stimmen (13.000) als auch Mandate (13) dazu-gewinnen.
Gegenüber den ersten AK-Wahlen im Jahr 1949 hat der Arbeiter- und Angestelltenbund der Volkspartei somit seinen Stimmenanteil mehr als verdoppelt und vertritt heute fast ein Drittel der Kammermitglieder. Eine schwere Niederlage erlitten die beiden kleinen Fraktionen: die Freiheitlichen verloren ein Drittel, die Kommunisten (Linksblock) die Hälfte ihres Anteils von 1974.
Sieht man nun von Niederösterreich (wo der ÖAAB zweieinhalb Prozent gewann, während die Sozialisten ein halbes Prozent verloren) einmal ab, so läßt sich ein deutliches West-Nord- zu Ost-Süd-Gefälle feststellen: die Arbeitnehmerorganisation der Volkspartei erzielte ihre stärksten Gewinne in den westlichen Bundesländern (in Vorarlberg fast die Zweidrittelmehrheit, in Tirol nur 441 Stimmen weniger als die FSG), während sie in Wien, Burgenland und Kärnten - und zwar vor allem bei den Arbeitern - Verluste zu verzeichnen hatte. Hier zeichnet sich also eine gewisse regionale Polarisierung mit einer Tendenz zum Ausbau der jeweiligen „Hochburgen“ ab.
Als besonders uneinheitlich zeigt sich das Bild in den einzelnen Wahlkörpern: die Sozialisten erweisen sich bei den Angestellten in Kärnten und Oberösterreich sowie bei den Arbeitern in ganz Südostösterreich erfolgreich; für den ÖAAB schlagen hingegen die Ergebnisse bei den Angestellten in Vorarlberg, Tirol, Steiermark und Salzburg sowie bei den Arbeitern in Vorarlberg, Niederösterreich und bei der VÖEST besonders positiv zu Buche.
Diese Differenzen verweisen nun auf die große Bedeutung der Wahlbeteiligung - damit aber auch von Faktoren wie der organisatorischen Stärke der Fraktionen und der Sprengeleinteilung - auf den Wahlausgang. Der Rückgang der Wahlbeteiligung war nämlich bei den Angestellten (60 Prozent gegenüber 64,2 Prozent) besonders deutlich ausgeprägt und hier wiederum in den großstädtischen Zentren am gravierendsten: in Wien, Innsbruck-Stadt und Salzburg-Stadt gingen jeweils nur wenig mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten zur Urne.
Lediglich in Tirol konnte die Wahlbeteiligung gesteigert werden, während die in Vorarlberg nur knapp unter dem Ergebnis von 1974 lag; beides Länder, in denen das Interesse am Wahlausgang durch die spezifische Entscheidungssituation (Angriff der jeweils zweitstärksten Fraktion auf den Präsidentensitz) und durch das entsprechende Engagement der Parteien relativ stark war.
Wenngleich auch das schöne Wetter und vielleicht eine Art allgemeiner Wahlmüdigkeit eine gewisse Rolle gespielt haben mögen, so zeigt das Absinken der Wahlbeteüigung (in etwa auf den Stand von 1964, den bisher schlechtesten) doch eine bedenkliche „Entfremdung“ der österreichischen Arbeitnehmer von „ihrer“ Interessenvertretung.
Dies wird auch durch eine Umfrage des ÖAAB von 1978 deutlich, derzu-folge fast drei Viertel der Österreicher zwar schon einmal von der AK gehört hatten, aber nur etwa 40 Prozent der männlichen und weniger als ein Drittel der weiblichen Kammermitglieder über ihre (Pflicht-)Mit-gliedschaft Bescheid wußten. Dementsprechend beklagte auch jeder zweite Befragte einen Mangel an Mitsprachemöglichkeiten in der Kammer.
Zweifelsohne liegt die Hauptverantwortlichkeit für diese Situation. bei der Mehrheitsfraktion, die ja in acht von neun Bundesländern den AK-Präsidenten und beinahe das gesamte Kammerpersonal stellt. Allerdings ist es aber auch dem ÖAAB -mit der Ausnahme Vorarlbergs, wo sich in den letzten Jahren sowohl die Inanspruchnahme der Arbeiterkammer als auch die Zufriedenheit mit den Dienstleistungen derselben, deutlich erhöht hat - noch nicht in ausreichendem Maße gelungen, die Bedeutung der Kammer entsprechend ins Bewußtsein zu rücken. Das mangelnde Interesse der Mitglieder an ihrer Vertretung ist somit das bedauerlichste Resultat dieses Wahlganges; bleibt zu hoffen, daß es nicht das eigentlich, signifikante Ergebnis gewesen ist.
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