6770247-1968_50_10.jpg
Digital In Arbeit

Durchbruch der Jugend

Werbung
Werbung
Werbung

Am Sonntag, dem 15. September 1968, wurden in der Erzdiözese Wien zum erstepmal In..den Kirchtn Wahlen durchgeführt.

Von den 641 Pfarren der Erzdiözese Wien schlossen sich nur 17 — alle aus dem Landbereich der Diözese — von den Wahlen aus. In den anderen Pfarren — und dazugehörigen Filialkirchen wurden die Pfarrvertreter für die 25 Regionalkonferenzen der Wiener Diözesansynode, die voraussichtlich bis 1971 dauern soll, im Rahmen der Sonntagsgottesdienste gewählt. Dabei waren alle Katholiken ab dem 16. Lebensjahr wahlberechtigt und 1698 Mandate (Stadt Wien 918, niederösterreichischer Anteil nördlich der Donau 380 und niederösterreichischer Anteil südlich der Donau 400) zu vergeben.

Wiener Stadtbereich haben 7,4 Prozent ihre Stimme abgegeben, im Landlbereich fast 46 Prozent, davon im Gebiet nördlich der Donau 22,3 und südlich der Donau nahezu 13 Prozent. Nur drei Regionen’, nämlich Kirchberg am Wagram, Laa- Poysdorf und Grimmenstein (Bucklige Welt) erreichten mehr als 25 Prozent Wahlbeteiligung, gemessen an der Katholikenzahl.

renzen (gute 23,6 Prozent) wurden Frauen übertragen, davon 257 in der Stadt Wien. Die-Frau kann, lateu führende Positionen in der Kirche erreichen. Im nördlichen Teil” Diözese, wo noch die meisten Katholiken die Sonntagsmesse besuchen, ist man am wenigsten bereit, Frauen zu wählen. Nur 15,5 Prozent der Mandate gingen dort an Frauen. Vergleicht man diese Zahlen mit den Leistungen der Frauen in Seelsorge und Apostolat, muß man allerdings gestehen, daß ihnen wenigstens die Hälfte der Mandate ebiilhrt hätte

Zehn Prozent erwachsene Gottesdienstbesucher

Wenn manche im stillen hofften, es würden sich an diesen Wahlen, an der Ausübung eines neu gewährten Rechtes in der Kirche auch solche beteiligen, die sonst nur selten zum Gottesdienst kommen, so zeigt die Wahlbeteiligung, daß die Zahl der Praktizierenden auch nicht durch Wahlen anzuheben ist.

221.822 Katholiken gaben bei den kirchlichen Septemberwahlen ihre Stimme ab, davon 113.340 in der Stadt Wien und 108.482 im nieder- österreichischen Teil der Diözese (im Norden 59.964, im Süden 48.518). Vergleicht man die Analyse der abgegebenen Stimmen mit der Gesamtzahl der Katholiken dieser Gebiete (Stadt Wien 1,528.178, nördlicher Landteil der Diözese 268.335, südlicher Landteil der Diözese 374.360, zusammen also 2,170.873), wobei zu beachten ist, daß in der Katholikenzahl auch die noch nicht Sechzehnjährigen enthalten sind, so wird sichtbar, daß am 15. September nur 10,2 Prozent aller Katholiken in den Kirchen der Diözese vom Wahlrecht Gebrauch machten. Da sich aber laut Berichten der Wahlleiter jeweils nur wenige Gottesdienstbesucher am Wahlgang nicht beteiligten, bestätigt die abermals die Tatsache, daß nur gute 10 Prozent erwachsene Katholiken den Sonntagsgottesdienst besuchen.

Die geringste Wahlbeteiligung weist die Stadtregion Favoriten (10. Bezirk) mit 5,4 Prozent auf. Im

Die Jungen wurden gewählt

Eine wirkliche Überraschung bedeutet die Tatsache, daß die Synodalwahlen einen Durchbruch der jungen Katholiken brachte. Das Durchschnittsalter der 1698 gewählten Pfarrvertreter beträgt in der Stadt Wien neununddreißigeindrittel, im niederösterreichischen Anteil fast genau vierzig Jahre. Die Region Favoriten, die die geringste Wahlbeteiligung aufweist, hat das niedrigste Durchschnittsalter mit 36,85 Jahren. 81 Mandate (rund 4,8 Prozent) gingen an unter Zwanzigjährige, aber nur 43 (rund 2,5 Prozent) an Sechsundsechzigjährige und Ältere. Ein Drittel, 570 Gewählte, steht im Alter zwischen 21 und 35 Jahren. Diese Altersschichtungen sind in Stadt und Land fast gleich.

An Hand dieser Zahlen wird das Vorurteil zuschanden, daß die Kirche überaltet sei.

Ein Viertel der Mandate an Frauen

395 Sitze in den Regionalikonfe-

Dle Intellektuellen an der Spitze

Fast ein Viertel aller Pfarrvertreter weist Hochschulbildung auf, in der Stadt Wien sogar ein Drittel; 113 Mandate gingen an Studenten (6,65 Prozent), davon in der Stadt Wien 95 (10,3 Prozent von 918 Mandaten). Da die Mehrzahl der Intellektuellen (vor allem der Studenten) sicher den sogenannten „Pogres- siven” angehört, muß mit Erstaunen konstatiert werden, daß die rund 220.000 Wähler ihnen und damit der Erneuerung ihre Stimme gaben. Das Gros der Pfarrvertreter sind Angestellte und Beamte, nämlich 972 (mehr als 57 Prozent); 10 Prozent sind Selbständige, fast 14,5 Prozent Bauern oder in der Landwirtschaft Tätige (im nördlichen Diözesanteil mehr als 40 Prozent). Nur 54 Arbeiter wurden gewählt (gute 3 Prozent), was sehr zu bedauern ist

Die 50 gewählten Laiensynoden

Die 1698 von den Pfarren entsandten Vertreter wählten in der ersten Oktoberhälfte dieses Jahres in den Konferenzen der 25 Regionen je ein bis drei Mitglieder in die Synodalversammlung, insgesamt 50 Laien in das höchste beschlußfassende Gremium der Wiener Diözesansynode. Gleichzeitig wählten sie gemeinsam mit dem Klerus auch die Vorsitzenden, Stellvertreter und Organi- sationsreferenten zum Leitungsteam ihrer Region. Bei einer Wahlbeteiligung von durchschnittlich 82,5 Prozent erbrachten diese Wahlen begreiflicherweise ähnliche Ergebnisse wie die Wahlen in den Pfarren. Interessant ist, daß die Landregionen keinen der 21 Sitze an eine Frau gaben, die Stadtregionen immerhin 7 von 29. Die Lehrer und Professoren erreichten 14 Mandate, also fast 30 Prozent aller möglichen.

Reif zur „Innerkirchlichen Demokratie”

Soweit es in der Kirche demokratische Vorgänge geben darf und kann, sind, wie di Synodalwahlen bewiesen haben, die Wiener Katholiken dafür reif. Sie wählten junge Menschen, Persönlichkeiten, keine „Nur-ja-Sager”, Personen aller Stände und Schichten. Wenn die Kirche von Wien durch diese ersten Wahlen das Bild einer jungen, dynamischen Kirche erhielt, so ergibt sich schon daraus ein Erfolg. Die Züge weisen viele positive Möglichkeiten aus. Es kommt nun auf die Weiterarbeit im gesamten Heilsdienst, bei der Synode und bei der Verwirklichung ihrer Ergebnisse an.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung