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Stabiles Niederösterreich

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Politische Mobilität geht in Österreich (und wohl nicht nur hier) Hand in Hand mit geographischer und beruflicher Mobilität, und sowohl die politische wie auch die geographische und berufliche Mobilität nehmen von Osten nach Westen zu. Niederösterreichs Personenstandsaufnahme, die, mit Stichtag 10. Oktober des Vorjahres durchgeführt, in den letzten Monaten ausgewertet wurde, stellt eine weitere Bekräftigung dieses Sachverhaltes dar. Sie beweist, in welchem Ausmaß das Bundesland Niederösterreich, das seine politische Stabilität bei den letzten Landtagswahlen unter Beweis gestellt hat, auch der geographischen Mobilität abhold ist, wobei die geographische Mobilität weitgehend mit der beruflichen gleichgesetzt werden kann.

Letzteres geht schon schlüssig daraus hervor, daß die Veränderungen der Personenstände in den einzelnen Regionen Niederösterreichs deutlich eine Wanderungsbewegung von rein agrarischen Gebieten in die industriellen Ballungszentren widerspiegeln. Von der Vehemenz, die solche Wanderungsbewegungen weiter im Westen aufweisen, kann hier allerdings keine Rede sein.

Der Beobachtungszeitraum, der mit dem Zeitraum zwischen der Volkszählung vom 12. Mai 1971 und dem Stichtag der Personenstands- aufnahme identisch ist, betrug zwei Jahre und fünf Monate. Um einen Vergleich mit dem Intervall zwischen den letzten beiden Volkszählungen (1961—1971) zu ermöglichen, wurde ein virtueller Zehnjahreswert errechnet.

Demnach nahm die Bevölkerung des Bundeslandes Niederösterreich in knapp eineinhalb Jahren, um 9277 Personen oder 0,7 Prozent zu, was genau dem Trend der vergangenen zehn Jahre entsprach. Unterschiede ergeben sich hingegen bei den Zahlen der einzelnen Viertel. Hier fällt vor allem eine Verstärkung der Abwanderung aus dem Weinviertel auf. Betrug sie noch im vorangegangenen Jahrzehnt insgesamt 2,3 Prozent, so erreichte sie nun in knapp zweieinhalb Jahren nicht weniger als 1,3 Prozent. Das entspricht einem virtuellen Zehnjahreswert von 5,2 Prozent — die Abwanderung hat sich also mehr als verdoppelt.

Im Waldviertel hingegen ergab sich eine Tendenzumkehr von einer Abwanderung von 0,7 Prozent in den vorangegangenen zehn Jahren zu einer Zunahme von 0,2 Prozent in zweieinhalb Jahren, oder umgerechnet auf ein Jahrzehnt von wiederum genau 0,7 Prozent, diesmal aber auf der positiven Seite. Dieser Zugewinn des Waldviertels darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch hier im Großen eine Abwanderung stattfand. Die Trendumkehr ist — trotz positiver Ergebnisse in den Bezirken Gmünd und Waidhofen an der Thaya, vor allem auf die Entwicklung im Kremser Raum zurückzuführen. Auch hier spiegelt sich der Zug zu den Bezirksvororten, sprich: zu den Arbeitsplätzen. Hatten von 1961 bis 1971 noch Waidhofen 3,5 und Gmünd 1,2 Prozent der Bevölkerung verloren, so standen dem nunmehr (umgerechnet auf Zehnjahreswerte) Zugewinne von 1,2 Prozent beziehungsweise 0,5 Prozent gegenüber. Viel eindrucksvoller ist die Explosion des Kremser Industriegebietes: Gewinne in der Höhe von 1,4 Prozent (Krems Stadt) bzw. 1 Prozent (Krems Land) in den vergangenen zehn Jahren standen nun (in Zehnjahreswerten) Steigerungsraten von 14,7 beziehungsweise 3,8 Prozent gegenüber.

Das Viertel ober dem Wienerwald erzielte infolge der Verluste der Voralpengemeinden geringere Gewinne als im Vorzeitraum: ein Prozent oder virtuelle vier Prozent gegenüber 6,1 Prozent.

Steigerungsraten wie nie zuvor zeigt das Industrieviertel, das 1961 bis 1971 um 5,6 Prozent zugenommen hatte: es erzielte nunmehr ein Plus von 1,7 oder virtuellen 7,2 Prozent. In knapp zweieinhalb Jahren nahm die Einwohnerzahl in Baden um 4,6 Prozent, in Mödling um 3,5 Prozent zu,

Allgemein kann gesagt werden, daß selbst kleinere lokale Zentren wie Heidenreichstein, Laa oder Kirchschlag meist bessere Ergebnisse als ihre Umgebung erzielten und die Gemeinden mit hohem Landwirtschaftsanteil die Hauptabwanderungsgebiete blieben. Negative Ergebnisse in den Städten Wiener Neustadt und St. Pölten spiegeln nicht Abwanderungstendenzen, sondern den Zug in die Umgebung — es standen ihnen kräftige Zugewinne in der Umgebung gegenüber.

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