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Kinderfreudiges Landvolk

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In einem Artikel der „Furche” (Nr. 14/XII) wurde darauf hingewiesen, daß sich in der Entwicklung der jährlichen Geburtenzahlen, die in den Jahren 1948 bis 1950 rückläufig gewesen und im Zeitraum 1951 bis 1953 konstant geblieben waren, seit dem Jahre 1954 eine Wende abzeichnet. Nach den vorläufigen Ergebnissen für das Jahr 1956 betrug die auf 1000 der Bevölkerung berechnete Geburtenziffer 16,4 gegenüber 15,6 im Jahre 1955 und 14,9 im Jahre 1954.

Hinter diesen Globalzahlen verbergen sich bedeutende regionale Differenzen. Eine Untersuchung des Zeitraumes 1951/53 enthüllt, daß in 28 von 92 politischen Bezirken (Wien ist nicht eingerechnet) die Geburtenziffer mit 20 und mehr pro 1000 Einwohner beträchtlich über dem Oesterreichdurchschnitt von 14,8 lag. Die höchsten Geburtenziffern wiesen die Bezirke Murau (Steiermark) und Wolfsberg (Kärnten) mit je 25 pro 1000 Einwohner auf, die niedrig- ,steil en!rtä4,tfr:’jGraj!; 9 pr sblQOia),i” &te Pältfen, ,Wr. Neustadt:und Innsbruck (je-’Hspro -l-ooo); die aber noch immer wesentlich die Geburtenziffer der Bundeshauptstadt (7 pro 1000) überschritten.

Nun ist die auf 1000 der Bevölkerung berechnete Geburtenziffer ein recht „rohes” Maß für die Aufdeckung etwaiger regionaler oder zeitlicher Unterschiede in der Geburtenhäufigkeit, da Differenzen in der Struktur der Bevölkerung. (nach Alter, Familienstand usw.) nicht Rechnung getragen wird. Den folgenden Ausführungen ist daher als besseres — allerdings noch immer unvollkommenes — Maß die sogenannte „Fruchtbarkeitsziffer” zugrunde gelegt; die Zahl der Lebendgeborenen wurde auf 1000 Frauen im Alter von 18 bis unter 50 Jahren bezogen, also auf jene Bevölkerungsgruppe, auf deren Besetzungsstärke es primär ankommt. Unterschiede in der Gliederung der weiblichen Bevölkerung dieser Altersstufe nach Familienstand, Ehedauer usw. mußten mangels Unterlagen unberücksichtigt bleiben.

Die Bezirke mit der höchsten Fruchtbarkeitsziffer sind nachstehend angeführt:

Die Fruchtbarkeitsziffer der Bundeshauptstadt Wien (28) unterschritt um 5 5 Prozent den Oesterreichdurchschnitt.

Diese Aufstellung zeigt, daß es durchweg die Städte sind, welche die niedrigsten Fruchtbarkeitsziffern aufweisen. Selbst im geburtenreichen Kärnten, dem Bundesland mit der höchsten Fruchtbarkeitsziffer (86), lag der für die Hauptstadt festgestellte Wert um 21 Prozent unter dem Oesterreichdurchschnitt.

Obgleich der Geburtenrückgang nicht in den Städten halt gemacht und im Verlauf der letzten Dezennien auch unser Landvolk erfaßt hat, stellt dieses nach wie vor unseren wichtigsten bevölkerungspolitischen Aktivposten dar. In 18 Bezirken betrug die Fruchtbarkeitsziffer zumindest 90; davon belief sich nur in zwei Bezirken der Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung auf weniger als 30 Prozent, in elf Bezirken dagegen •auftinber 40 Prozent, In acht von zwölf Bezirken, in denen zumindest die Hälfte der Wohnbevölkerung von der Landwirtschaft lebt, lag die Fruchtbarkeitsziffer über 80. In fünf Bundesländern, nämlich in Niederösterreich, Oberösterreich. Salzburg, Tirol und dem Burgenland, sind die Bezirke mit der höchsten Quote der landwirtschaftlichen Bevölkerung auch die Bezirke mit der höchsten Fruchtbarkeitsziffer.

In der nachstehenden Uebersicht sind Fruchtbarkeitsziffern für die nach der Höhe der Quote der landwirtschaftlichen Bevölkerung in Gruppen zusammengefaßten Bezirke angeführt. (Die Stadt Wien ist nicht einbezogen.)

Wie aus dieser Aufstellung ersichtlich ist, nimmt mit steigender Landwirtschaftsquote die Fruchtbarkeitsziffer zunächst scharf zu und erreicht ihren Höhepunkt in jener Gruppe, in der die Bezirke mit einem Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung von 40 bis unter 50 Prozent zusammengefaßt sind; die Geburtenhäufigkeit überschreitet in dieser Gruppe um über 40 Prozent den Oesterreichdurchschnitt (mit Wien). Ob der hierauf einsetzende auffallende Abfall in den überwiegend landwirtschaftlichen Bezirken auf Unterschiede in der Familienstandsgliederung der Bevölkerung (z. B. höhere Ledigenquote3) zurückzuführen ist, läßt sich mangels Unterlagen nicht beurteilen.

Ferner ist zu bemerken, daß mit zunehmender Einwohnerzahl der Gemeinden die Geburtenhäufigkeit scharf absinkt; so betrug die durchschnittliche Geburtenziffer (Lebendgeborene auf 1000 Einwohner) in den Jahren 1951/53 in den Gemeinden bis zu 5000 Einwohnern nicht ganz 20, in den Gemeinden mit 5001 bis 10.000 Einwohnern 16, in den Gemeinden mit 10.001 bis 100.000 Einwohnern 13 und in den Großstädten (mehr als 100.000 Einwohner) ungefähr 8.

Für die beiden soziologisch so verschiedenen Gebiete Wien und übriges Oesterreich ist eine genauere Untersuchung der Geburtenhäufigkeit in der Ehe möglich; während z. B. in Wien auf 1000 Ehen des Eheschließungsjahrganges 1954 nach einer Ehedauer von durchschnittlich eineinhalb Jahren 276 Lebendgeborene entfielen, waren es im übrigen Oesterreich 572; die entsprechenden Ziffern für den Ehejahrgang 1951 nach gleicher Ehedauer lauten: für Wien 251, für das übrige Oesterreich ‘28 pro 1000 Ehen. (Dieselben Differenzei®sind auch für die E’ie- schließungsjahrgänge 1952 und 1953 festzu- stellen.) Die Differenz zwischen den beiden Gebieten ist also ungefähr gleich geblieben — bei beiden Eheschließungsjahrgängen ist die Ziffer für Oesterreich ohne Wien mehr als doppelt so hoch als die Wiens.

Seit dem Jahre 1953 sind nun, wie erwähnt, die Geburtenzahlen angestiegen; man darf aber wohl annehmen, daß das oben dargestellte Bild der regionalen Unterschiede im großen und ganzen dadurch keine allzu wesentlichen Aende- rungen erfahren hat.

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