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Der Frauenüberschuß in Österreich

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Der Frauenüberschuß und die bedeutende aktive Teilnahme der Frauen am Berufsleben sind Erscheinungen, die nicht allein in Oesterreich, sondern darüber hinaus in vielen Staaten des nahen und fernen Auslands zu beobachten sind. Der Frauenüberschuß ergibt sich einmal aus der Tatsache, daß die

Frauen im DurchschnittjeLn. höheres> Lebensalter erreichen, oder wie der Fachmann sagt: aus der höheren „Lebenserwartung“ des weiblichen Geschlechts, ferner aus den im allgemeinen niedrigen Geburtenziffern von heute und dem damit verbundenen geringen zahlenmäßigen Uebergewicht der Kriaben-geburten über jene der Mädchen und schließlich aus den empfindlichen Männerverlusten der beiden Weltkriege.

In Oesterreich fallen diese Umstände besonders ins Gewicht. Die durchschnittliche Lebenserwartung des weiblichen Geschlechts beträgt nach der „Oesterreichischen Sterbetafel 1949/51“ rund 67 Jahre, jene des männlichen Geschlechts dagegen nur rund 62 Jahre. Die Ziffer der Lebendgeborenen zählt mit 15,6 (1950) zu den niedrigsten auf der Welt. Der Altersaufbau der österreichischen Bevölkerung zeigt ihre Ueberalterung. Die Besetzung der höheren Altersgruppen, in denen die Frauen dominieren, wird kontinuierlich größer, die jüngeren Jahrgänge mit dem natürlichen Vorherrschen des männlichen Geschlechts (auf je 100 Mädchengeburten kommen durchschnittlich 106 Knabengeburten) treten dagegen immer stärker zurück. Die beiden Weltkriege haben von der männlichen Bevölkerung Oesterreichs einen überaus hohen Blutzoll gefordert.

Die in den Publikationen des Oesterreichischen Statistischen Zentralamtes (Statistische Nachrichten, Ergebnisse der österreichischen Volkszählung 1951, Statistisches Handbüch 1952) veröffentlichten Daten “der ' Volkszählung vom 1. Juni 1951 ermöglichen eine weitgehende Klärung des Problemkreises unter soziologischen und ökonomisch-betriebssystematischen Gesichtspunkten.

Im Jahre 1951 wurden 3,217.240 Männer und 3,716.665 Frauen, mithin ein Frauenüberschuß von nahezu einer halben Million, ermittelt. Betrachten wir die Reihe der Meßzahlen für die Geschlechtsgliederung (die Zahl der. auf je 100 Männer entfallenden Frauen) seit der ersten nach moderneren Gesichtspunkten durchgeführten Volkszählung im Jahre 1869, so erweist sich, in welch hohem Maße die beiden Weltkriege diese Entwicklung beeinflußt haben.

Volkszählungs- Auf je 100 Männer jähre entfielen Frauen

1869 101,1

1880 102,6

1890 102,7

1900 102,2

1910 102,4

1920 108,5

1923 .107,6

1934 108,1

1951 115,5

Schon bei früheren Volkszählungen war also ein -■- wenn auch geringfügiger — Frauenüberschuß festzustellen. In den Zwischenkriegsjahren kamen jedoch im Durchschnitt bereits rund 108 Frauen auf 100 Männer, während heute das Verhältnis 116:100 ist.

Das Ausmaß und die Steigerung des Frauenüberschusses sind regional sehr verschieden.

Bundesländer Auf >c Jo?4Männer <te^itxua

Wien ........ 120,1 129.6

Niederösterreich . . . 102,5 114,9

Oberösterreich .... 104,6 111,6

Salzburg....... 104,7 110,2

Steiermark ....... 103,5 109,8

Kärnten ....... 103,3 106,4

Tirol ........ 104,7 110,1

Vorarlberg...... 104,0 109.7

Burgenland ..... 99,8 109,8

Oesterreich . . 108,1 115,5

Die hohe Meßzahl für den Bundesdurchschnitt wird allein durch die Verhältnisse in Wien verursacht; die Meßzahlen der anderen Bundesländer erreichen nicht den Bundesdurchschnitt und bleiben — mit Ausnahme von Niederösterreich — sogar wesentlich darunter, wobei insbesondere der geringe Frauenüberschuß in Kärnten auffällt. Der Frauenüberschuß steigerte sich nicht überall gleichmäßig, verhältnismäßig am stärksten trifft dies für Niederösterreich zu. Das Burgenland, das im Jahre 1934 sogar einen geringen Männerüberschuß aufzuweisen hatte, hat nunmehr gleichfalls einen nennenswerten Frauenüberschuß. In Kärnten dagegen war die Steigerung des Frauenüberschusses verhältnismäßig am geringsten.

Die Erklärung dafür, daß im Jahre 1934 Niederösterreich unter allen Bundesländern den kleinsten Frauenüberschuß, das Burgenland sogar einen geringen Männerüberschuß hatte, wird hauptsächlich mit dem Hinweis auf eine selbst in den Zwischenkriegsjahren noch starke weibliche Zuwanderung — als Hausgehilfinnen — nach Wien gegeben werden können. Die Zahl der in „häuslichen Diensten“ berufstätigen Frauen betrug 1934 im damaligen Gebiet der Stadt Wien immerhin noch rund 90.000 gegenüber rund 20.000 zur Zeit der letzten Volkszählung im gegenwärtigen, größeren Stadtgebiet. Der Rückgang der Zahl der Wiener Hausgehilfinnen und die damit zusammenhängende Verminderung der weiblichen Zuwanderung nach Wien erklären zum Großteil das Anwachsen bzw. Entstehen des Frauenüberschusses in Niederösterreich und im Burgenland.

Bemerkenswert ist, daß es in Oesterreich einige politische Bezirke gibt, deren Frauenüberschuß durchaus „normal“ ist.

Als politische Bezirke mit dem geringste“ Frauenüberschuß wurden ermittelt:

Politische Auf je 100 Männer

Bezirke entfielen Frauen

Judenburg........ 102,5

Bruck an der Mur .... 102,7

Mürzzuschlag ...... 103,0

Voitsberg....... . 103,1

Wolfsberg....... . 103,3

Bludenz......... 103,4

Zell am See....... 103,5

Wir finden darunter allein vier steirischc Bezirke, die teils bedeutende Braunkohlen-gebiete umfassen, teils über zahlreiche aufstrebende Werke der Schwerindustrie verfügen. Es scheint, daß wir es hier hauptsächlich mit den Auswirkungen einer Binnenwanderung, nämlich mit einem starken Z u-zug von Männern, zu tun haben. Wolfsberg und Zell am See hingegen sind politische Bezirke, die besonders hohe Ziffern der Lebendgeborenen aufweisen, so daß die Diskrepanz, die in der Absterbeordnung der beiden Geschlechter begründet ist, durch ein zahlenmäßig größeres Uebergewicht der Knabengeburten etwas gemildert wird.

Demgegenüber hat Wien unter allen

österreichischen Städten den weitaus größten Frauenüberschuß (rund 130). Nachstehende Gemeindebezirke weisen besonders hohe Meßzahlen auf:

Wiener Auf je 100 Männer

Gemeindebezirke entfielen Frauen

Währing....... . 141,8

Hietzing ........ 141,6

Jösefstadt ........ 140,1

Wieden ......... 139,7

Neubau ......... 138,4

Interessant ist, daß der besonders hohe Frauenüberschuß, der anläßlich der Volkszählung 1934 in den Bezirken Innere Stadl und Wieden (155,3 bzw. 146,1) ermitteli wurde, im Jahre 1951 auch nicht annähernd anzutreffen war. Der Grund hierfür wird ir erster Linie die schon erwähnte bedeutende Verringerung des weiblichen Ha uspersonals sein, eine Entwicklung, von der die beiden genannten Bezirke besonders betroffen wurden.

Ueber die Verhältnisse in den anderen größeren Städten informiert die nachstehende Uebersicht:

Stadtgememden ent'fielcn Fraucn

Graz ...... . 122,7

Innsbruck........ 120,5

Salzburg ........ 118,9

Klagenfurt ....... 116,8

Linz .......... 109,7

Für Linz wurde ein Frauenüberschuß ermittelt, der weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Auch hierin dürfen wir die Auswirkungen einer Binnenwanderung erblicken. Linz mit seinen großen Werken — besonders der Eisenindustrie — wird im beträchtlichen Ausmaß zum Domizil für männliche Arbeitskräfte geworden sein.

Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, daß der regional verschieden starke Frauenüberschuß einerseits mit der unterschiedlichen Gebur&#171;&#171;ahäifigk&#171;it und daher mit gebietsweise recht erheblichen Abweichungen im Altersaufbau der Wohnbevölkerung, anderseits mit Auswirkungen der Binnenwanderung erklärt werden kann.

(Ein weiterer Beitrag des Verfassers, zum Problem der herufstätieen Frau, folst.)

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