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Agrar- und Industriegesellschaft

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Die Volkszählung 1961 bot unter anderem auch die Möglichkeit, die Verteilung der österreichischen Bevölkerung auf die einzelnen Wirtschaftszweige und die Veränderungen in den letzten Dezennien zu analysieren. Die Zählung der Wohnbevölkerung nadh der wirtschaftlichen Zugehörigkeit erfolgte dabei auf Grund des Betriebes, in dem die Beschäftigten am Stichtag der Zählung tätig waren. Die Arbeitslosen wurden dem Betrieb, in dem sie vor ihrer Arbeitslosigkeit beschäftigt waren, zugeordnet. Erhaltene Personen wurden nach Mög-

Die Situation 1961

Die einschneidenden Veränderungen, die sich in den letzten Jahrzehnten in der Wirtschafts- und Sozialstruktur der österreichischen Bevölkerung vollzogen haben, finden in den Volkszählungsergebnissen ihren Niederschlag. Zuerst soll die Struktur (im Jahre 1961) skizziert werden. Von der rund 7,074.000 zählenden Wohnbevölkerung Österreichs leben von der Wirtschaftsabteilung (bzw. waren):

absolut in %

Luid- und Forstwirtschaft 1,155.308 16.4

Industrie und Gewerbe . . 2.745.907 38.8

Handel und Verkehr“ .... 950.030 13,4

Freie Berufe........ 340.784 4,8

öffentlicher Dienst .... 336.773 4,8

Haushaltung ........“ 50.205 0.7

Unbekannt (ohne

Betriebsang.tb-i ....“ 51.797 0,7

Pensionisten, Rentner usw. 1,401.939 19,8 Personen ohne Berufs- und

Betriebsangabe . . . .41.064 0,6

_7^073.807 100,0

Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in der Besetzungszahl für die Gruppe der „selbständigen Berufslosen (Pensionierte usw.) nicht nur die Einkommensempfänger, also jene, die eine Pension, Rente usw. beziehen, sondern auch die von diesen erhaltenen Personen eingeschlossen sind. Der hohe Anteil der selbständigen Berufslosen an der Gesamtbevölkerung erklärt sich weitgehend aus der starken Besetzung der Jahrgänge 1960 und darüber, die 18 Prozent der Gesamtbevölkerung stellen.

Über die wirtschaftliche Gruppierung in den Bundesländern informiert die nachfolgende Tabelle.

In allen Bundesländern stellt die landwirtschaftliche Bevölkerung heute die Minorität. Am stärksten ist sie noch im Burgenland vertreten, wo jeder dritte von der Land-und Forstwirtschaft lebt. Von Wien abgesehen, ist die Industrialisierung In Vorarlberg am weitesten fortgeschritten, wo nur mehr ein Zehntel der Bevölkerung zur Land- und Forstwirtschaft zählt, aber mehr als die Hälfte der Bevölkerung zu Industrie und Gewerbe.

Entsprechend den Unterschieden Im Altersaufbau sind die Pensionisten, Rentner usw. in Wien anteilsmäßig am stärksten vertreten; als Zentrum des öffentlichen und kulturellen Lebens sowie als Handelsund Verkehrsknotenpunkt weist es starke Besetzungszahlen in den Wirtschaftsabteilungen Handel und Verkehr, Freie Berufe sowie öffentlicher Dienst auf (allerdings sollte man Wien nicht nur mit den anderen Bundesländern, sondern auch mit den übrigen Statutarstädten vergleichen). Eine starke Besetzung des öffentlichen Dienstes ist auch für das Bundesland Salzburg festzustellen.

Die höchsten Anteile

Die politischen Bezirke mit dem höchsten Anteil der von der Land-und Forstwirtschaft lebenden Bevölkerung sind:

Feldbach ................... 52 %

Radkersburg ............... 52 %

Güssing ................... 47 y

Jennersdorf ............... 47 %

Zwettl .................... 46 %

Hartberg ................... 45 %

Industrie und Gewerbe dominieren in den folgenden Bezirken:

Feldkiroh .................. 58 %

Steyr-Stadt ................ 56 %

Leoben ..................... 55 %

Bruck an der Mur ......... 55 %

Linz-Land ................. 52 %

Mürzzuschlag ............... 51 %

Neunkirchen“ ...............51 %

lichkeit denjenigen Berufstätigen bzw. Pensionisten, Rentnern usw. zugerechnet, von denen sie erhalten wurden.

Es wurden folgende Wirtschaftsabteilungen gebildet: Land- und Forstwirtschaft Industrie und Gewerbe Freie Berufe öffentlicher Dienst Haushaltung (ohne Nur-Haus-frauen!)

Unbekannt (ohne Betriebsangabe) Pensionisten, Rentner usw. Personen ohne Berufs- und Betriebsangabe

Handel und Verkehr sind am stärksten besetzt in:

Villach-Stadt .............. 30 %

Knittelfeld“ .................25 %

Innsbruck-Stadt ............ 24 %

Salzburg-Stadt .............24 %

Die Freien Berufe“ spielen eine große Rolle in den Bezirken: Waidhofen an der Ybbs-Stadt 11 %

Eisenstadt-Stadt ............ 10 %

Innsbruck-Stadt ............ 10 %

Klagenfurt-Stadt“ ........... 10 %

Der öffentliche Dienst weist die höchsten Besetzungszahlen auf in den Bezirken:

Eisenstadt-Stadt............ 32 %

Klagenfurt-Stadt“ ........... 13 %

Salzburg-Stadt ............. 10 %

Krems an der Donau-Stadt .. 10 %

Innsbruck-Stadt ............ 10 %

Die Pensionisten, Rentner usw. sind — wie erwähnt — am stärksten in Wien vertreten, wo ein Viertel der Bevölkerung dieser Abteilung zuzurechnen ist. Es folgen die Bezirke Wiener Neustadt und Graz-Stadt mit je 24 Prozent, Wien-Umgebung, St. Pölten und Waidhofen an der Ybbs-Stadt mit je 23 Prozent.

Zahlen über die wirtschaftliche Umgliederung Österreichs stehen im beschränkten Ausmaß zur Verfügung. Die im folgenden gebrachten Angaben zwecks Charakterisierung der Entwicklung seit 1910 sind zwar nicht exakt vergleichbar (infolge unterschiedlicher Einordnungsprinzipien und Wirtschaftszweigesystematiken bei den verschiedenen Zählungen), sie genügen aber für den angestrebten Zweck vollkommen. Von 100 der Bevölkerung Wirtschaftsabteilungen 1910 1 934 1951 1961 ')

Land- und Forstwirtschaft 31 27 22 16 Industrie und Gewerbe 35 34 38 39 Handel und Verkehr 12 12 12 13

Freie Berufe, öffentlicher

Dienst. 7 7 8 10

Haushaltung 4 3 11

Unbekannt (ohne Betriebsangabe) 1 1 1 Selbständige Berufslose (Pensionisten, Rentner usw. sowie Personen ohne Berufsund Betriebsangabe)“ 10 15 18 20 >) Umgerechnet auf den derzeitigen Gebiets-stand

Der zahlenmäßige Rückgang der Landwirtschaft

In diesen Zahlen kommt sehr einprägsam die wirtschaftliche Umstrukturierung Österreichs zum Ausdruck. Der Anteil der land- und forstwirtschaftlichen Bevölkerung hat sich auf die Hälfte vermindert. Die Haushaltung, der 1910 noch vier Prozent der Bevölkerung zugehör-

ten, spielt heute praktisch keine Rolle mehr. Der Prozentsatz der Personen ohne Berufs- und Betriebsangabe, konnte einschneidend gesenkt werden (1934 und 1951 waren es 4 bzw. 3 Prozent und 1961 nur mehr 0,6 Prozent, für 1910 fehlen vergleichbare Zahlen). Die darin zum Ausdruck kommende Verbesserung in der statistischen Erhebungstechnik ist den anderen Wirtschaftsabteilungen zugute gekommen. Obgleich alle anderen Wirtschaftsabteilungen ihren Anteil an der Bevölkerung erhöht haben, haben die Pensionisten, Rentner usw. den Hauptteil der durch die Verminderung des Anteiles der landwirtschaftlichen Bevölkerung bewirkten Veränderung auf sich gezogen. Trotz einer Zunahme der Gesamtbevölkerung um 426.000 (seit 1910) hat die landwirtschaftliche Be-

völkerung um mehr als 900.000 (44 Prozent) abgenommen; die Zahl der selbständigen Berufslosen dagegen ist von 680.000 auf mehr als 1,4 Millionen (Zunahme um mehr als 110 Prozent!) angestiegen, wobei es sich hier vorwiegend um Pensionisten, Rentner usw. handelt! Eine sehr starke Zunahme ist auch für die Freien Berufe und den Öffentlichen Dienst festzustellen (von 434.000 auf 678.000). In den Jahren 1910, 1934 und 1961 waren hier die Militärpersonen eingegliedert.

Der Rückgang der landwirtschaftlichen Bevölkerungszahl wird als Teil des historischen Umschichtungsprozesses gewertet, der sich im Zuge des Überganges von der Agrar- zur Industriegesellschaft vollzieht. Die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität setzt landwirtschaftliche Arbeitskräfte frei und schafft so die Voraussetzung für die Entfaltung von Industrie und Gewerbe und des Dienstleistungssektors. Dieser Prozeß ist noch im Gang und wird Österreichs Schicksal auch in den folgenden Jahren bestimmen.

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